Garching:"Die Leute sollen sich mal in meine Situation versetzen"

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Zwei-Meter-Mann, zu dem man aufschauen muss: Garchings Bürgermeister Dieter Gruchmann. (Foto: Robert Haas)

Garchings SPD-Bürgermeister Dieter Gruchmann spricht im Interview über Erfolge und Rückschläge, die Erwartungshaltung der Bürger und den Vorwurf der Arroganz. Und er kündigt an, dass er nach einem Jahr voller 16-Stunden-Tage etwas kürzer treten will

Interview von Gudrun Passarge, Garching

Der Sozialdemokrat Dietmar Gruchmann hat es im zweiten Anlauf geschafft, Bürgermeister von Garching zu werden. Er trat an als Kandidat für alle Garchinger mit dem Ziel, Transparenz zu schaffen und Bürger in Entscheidungen mit einzubinden. Wie sieht seine persönliche Bilanz nach einem Jahr aus?

SZ: Ist das Amt des Bürgermeisters so, wie Sie sich das vorgestellt haben?

Gruchmann: Im Prinzip schon. Nur ist es natürlich schon eine deutliche Lebensumstellung.

In welcher Hinsicht?

Vorher konnte man in Garching auch mal zum Essen gehen, ohne dass man über den Beruf reden muss. Das geht heute nicht mehr. Es geht auch nicht mehr, dass ich zum Einkaufen gehe und nur einkaufe, sondern da sind immer gleich zwei, drei, fünf Gespräche am Rande: ,Weil ich Sie gerade treffe, Herr Bürgermeister, da und da ist Handlungsbedarf.'

Sie hatten viel vor. Was haben Sie davon bis jetzt auf die Beine stellen können?

An was man sich gewöhnen muss in der Position ist, dass die Dinge nicht so schnell passieren, wie man sie sich vorstellt. Alles braucht seinen Verwaltungsvorlauf und dann noch den Gang durch die verschiedenen Gremien. Also von der ersten Idee bis zur Umsetzung vergehen schnell Jahre. Wirklich. Es gibt natürlich kleine Dinge, die schneller gehen, bei denen auch ein Gesprächstermin schnell zum Erfolg führt.

Zum Beispiel?

Der größte Erfolg ist der Zehn-Minuten-Takt der U-Bahn, was vorher angezweifelt wurde, dass das möglich ist. Aber es war ein intensives Gespräch mit Landkreis und Regierung. Das setzt sich nun fort, in drei Jahren, wenn wir die Züge bekommen und den Fünf-Minuten-Takt kriegen. So wie es aussieht werden wir zur nächsten Fahrplanumstellung eine Ausweitung des Zehn-Minuten-Takts bis 20 Uhr erreichen.

Gibt es auch Beispiele dafür, dass Sie auf Hürden gestoßen sind?

Ja, erst vor kurzem die Diskussion um das Kinderhaus "Untere Strassäcker". (Die Mehrheit der Stadträte hat das Konzept des Architekten abgelehnt, Anm. d. Red.) Wobei ich es wirklich traurig finde, dass jetzt offensichtlich schon wieder mit dem Wahlkampf begonnen wird. Ich habe mir eigentlich erhofft, dass vier Jahre lang zumindest konstruktiv alle Parteien Garching im Blick haben und sich nicht jetzt schon profilieren müssen, aber offensichtlich gibt es da Anweisungen, Initiativen - insbesondere bei der CSU sieht's danach aus, als ob da jetzt eine neue Strategie da ist: Wir müssen jetzt erst mal alles in Grund und Boden reden, damit der Bürgermeister keine Erfolge aufzeigen kann.

Aber es gab in der Sitzung nicht nur Widerstand seitens der CSU.

Ja, klar, natürlich. Bei anderen geht es dann auch wieder um Prinzipielles. Völlig klar, ist ja auch demokratisch. Aber bei der CSU stelle ich schon fest, dass generell ein Wir-sind-dagegen-Tenor da ist. Das fing beim Haushalt an. Es war vorher so, dass die SPD den Haushalt immer mitgetragen hat bei meiner Vorgängerin. Die CSU meint halt, sie muss jetzt alles in Frage stellen.

Bleiben wir beim Kinderhaus. Da wurde in der Sitzung angemerkt, Sie hätten von der Kritik am Kinderhaus schon vorher gewusst. Hätten Sie nicht einen zweiten Vorschlag oder einen veränderten Vorschlag bringen können?

Nein, weil ich wirklich felsenfest überzeugt bin, dass die Vorlage die richtige Planung ist. Was kann man mehr machen, als mit den übergeordneten Instanzen die Rücksprache halten, als mit den potenziellen Betreibern des Hauses, und wenn alle sagen, ja, so wollen wir's, finde ich es ein bisschen anmaßend, wenn der Stadtrat sagt, nein, wir wissen's besser. Wenn jetzt eine neue Planung kommt, wird es nicht die bessere sein.

Im Wahlkampf haben Sie sich für mehr Transparenz eingesetzt und auch dafür, den Stadtrat nicht vor vollendete Tatsachen zu stellen. Wie können denn jetzt die Stadträte vorher an der Entscheidung mitarbeiten?

Sie haben sehr wohl mitentschieden. Wir haben schon drei Klausuren gemacht in dieser Amtsperiode, in denen zum Beispiel auch das Kinderhaus thematisiert wurde, wo einmütig die Entscheidung getroffen wurde, ja, an diesem Standort soll es stehen. Aber eine Klausur ist halt kein offizielles Entscheidungsgremium, da sitzt keine Presse dabei, da kann man sich nicht profilieren, und das scheint manchem Stadtrat wichtiger, als Sachthemen im stillen Kämmerlein voranzubringen.

Aber offensichtlich bestehen ja unterschiedliche Ansichten, wie das Kinderhaus ausgerichtet werden soll.

Ja. Was ich dazugelernt habe, ist, dass wir in Zukunft längere und öffentliche Sitzungen machen werden. Dann können die Stadträte bei allen Dingen erst einmal sagen, was sie wollen, und dann fängt die Verwaltung erst zu planen an. Das kostet dann zwar Zeit, aber keiner kann sagen, er sei nicht gefragt worden.

Es gibt Menschen, die beklagen, sie kämen manchmal etwas arrogant rüber. Wie sehen Sie das?

Das ist nicht richtig. Die Leute sollen sich mal in meine Situation versetzen. Jeder hat die Erwartungshaltung, das ist mein Bürgermeister und der muss jetzt für mich da sein, wenn Sie durch Garching gehen. Es kann mal sein, dass ich eine U-Bahn erreichen muss, dann gehe ich halt schnell durch den Ort und kann nicht zu jedem Hallo sagen. Das ist dann der Punkt, wo die Leute enttäuscht sind. Das ist nicht arrogant, es ist nur den Umständen geschuldet. Abgesehen davon wirkt es für manche Leute halt so, wenn man zu jemandem raufschauen muss, der zwei Meter groß ist, dann erweckt es vielleicht den Eindruck, dass man von oben auf einen herunterschaut.

Sie machen auch mal gerne eine flapsige Bemerkung. Kann es sein, dass das von manchen missverstanden wird?

Ja, das kann durchaus sein, dass manchmal so ironische Bemerkungen von den Leuten nicht verstanden werden. Das habe ich ja eh schon relativ abgestellt.

Also verändert einen das Amt doch?

Innerlich nicht, äußerlich vielleicht. Ich bin eigentlich so, wie ich bin. Natürlich verkneife ich mir mal die eine oder andere Aussage, das ist dann dem Amt geschuldet. Auf der anderen Seite denke ich mal, das Leben darf nicht nur ernst und Trübsal sein, sondern darf auch ab und zu mal lustig sein.

Ein anderer Vorwurf lautet, der Bürgermeister müsse die Verwaltung mehr kontrollieren und sicherstellen, dass er das Sagen hat und nicht die Verwaltung.

Ich finde sie immer lustig, diese Aussagen von den Theoretikern. Ich führe hier mit Argumenten und nicht mit der Peitsche. Deswegen darf auch die Verwaltung mal eine andere Meinung haben, und manchmal überzeugt mich die Verwaltung auch von ihren Planungen. Das vertrete ich natürlich. Oft ist es eher das Gegenteil, dass die Verwaltung verlernt hat, Entscheidungen zu treffen, und die Verantwortung dafür zu übernehmen. Sie kommen mit sehr vielen Dingen zu mir, wo ich dann frage: Hättet ihr das jetzt nicht allein entscheiden können?

Ist es für Sie ein Problem, wenn Ihre SPD-Fraktion mal mehrheitlich gegen Sie stimmt?

Nein, überhaupt nicht. Da geht es um Prinzipien, die sie vertreten müssen, und ich muss hier die Praxis vertreten. Ich muss den pragmatischen Ansatz umsetzen, wie die Verwaltung hier laufen und was sie leisten kann. Ich kann sehr gut damit leben. Das ist Demokratie. Ich nehme auch Stadtratsentscheidungen, die ich mir anders gewünscht hätte, nicht persönlich.

Was wollen Sie in Zukunft anders machen?

Ich habe mir vorgenommen, dass ich ein bisschen mehr Freiraum für mich einbaue. Wirklich, so wie es jetzt läuft, teilweise mit 16-Stunden-Tagen, keine Pause, nur unter Druck stehen, Entscheidungen hier und da, das geht nicht. Mein Turbo, der kann so nicht durchhalten die ganze Zeit. Ein Jahr habe ich mir alles angeschaut, damit ich auch weiß, wie es läuft, und weiß, und sagen kann, das ist wichtig. Wobei mir mein Zweiter und Dritter Bürgermeister wirklich eine große Entlastung sind, weil sie mir mindestens zwei Drittel von den Gratulationsterminen gerne abnehmen.

© SZ vom 07.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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