Gärtnerplatztheater: Dirigent ist tot:David Stahl - von Bernstein inspiriert

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David Stahl, der Chefdirigent des Münchner Gärtnerplatztheater, ist im Alter von 60 Jahren gestorben. Damit verliert das Theater einen begnadeten Abenddirigenten, der unter Leonard Bernstein gelernt hat.

Egbert Tholl

David Stahl ist tot. Das Staatstheater am Gärtnerplatz in München hat sein musikalisches Zentrum verloren - darüber hinaus sein Herz. Stahl war 1996 mit Intendant Klaus Schultz ans zweite Münchner Opernhaus gekommen, zunächst als erster Gastdirigent, seit 1999 als Chefdirigent, bis zu seinem Tod am vergangenen Sonntag.

Seine Leistung am Gärtnerplatztheaters - die gleiche Position hatte er seit 1984 beim Charleston Symphony Orchestra - ging übers rein Künstlerische weit hinaus. Vielleicht war er nicht der Gewissenhafteste, nicht der strengste Analytiker von Partituren. Aber wenn er probte, blühten Sänger und Musiker auf, so sehr vermittelte er das Gefühl, wie wunderschön es sei, gemeinsam Theater zu machen.

Stahl verbesserte in seiner Ära das Orchester zu einem A-Orchester und brachte das Gärtnerplatztheater mit Open-Air-Konzerten vor Tausenden an die Öffentlichkeit. Er war ein begnadeter Abenddirigent, ein Entertainer, der bei jeder Aufführung mitriss. Die emotionale Beteiligung an Musik hatte er bei Leonard Bernstein gelernt; mit 26 Jahren wurde er dessen Assistent beim New York Philharmonic. Seiji Ozawa hatte die beiden beim Tanglewood-Festival zusammen gebracht. Bernsteins Musik blieb er zeitlebens verbunden, eine weitere Konstante war die Zusammenarbeit mit Loriot.

Als Sohn eines Deutschen in New York arbeitete sich Stahl am Gärtnerplatztheater durch das gesamte Repertoire; war der Graben dort zu klein, wich er für konzertante Aufführungen von Spätromantischem ins Prinzregententheater aus. Nach Bayreuth hat er es nie geschafft, aber wenn er in München weilte - er nahm er sich hier keine Wohnung, viel zu sehr Familienmensch, um sich von Charleston zu lösen -, war er eine Art Wolfgang Wagner: Er kümmerte sich um alles, speiste in der Kantine, war nie überheblich. Aufführungen dirigierte er in Turnschuhen und ließ sich zum Beifall in die Lackschuhe helfen.

2015 wollte er das Gärtnerplatztheater nach dreijähriger Renovierung, die im kommenden Jahr beginnt, wiedereröffnen als "Phönix aus der Asche", auch befreit von Problemen, mit denen das Haus, in der Wahrnehmung stets im Schatten des Nationaltheaters, seit Jahrzehnten zu kämpfen hatte. Den Phönix wird er nicht mehr sehen. David Stahl starb, einen Monat nach seiner Frau, zehn Tage vor dem 61. Geburtstag, an Kummer und Krebs. Er hinterlässt drei Kinder.

© SZ vom 26.10.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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