Gabrielle Pietermann spricht "Hermine":"Stimmbänder aus Stahl"

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Emma Watson ist zu sehen, aber ihre Stimme ist zu hören: Die Münchnerin Gabrielle Pietermann spricht seit neun Jahren die Hermine in den Harry-Potter-Filmen - und verrät, was im aktuellen Film die größte Schwierigkeit war.

Kathrin Haimerl

Der erste Teil des Harry-Potter-Finales ist zwar erst vergangene Woche in den Kinos angelaufen, steht aber jetzt schon an der Spitze der Charts. Die Rolle als Harry-Potter-Kameradin Hermine hat Emma Watson zur mehrfachen Millionärin gemacht. Davon kann die 23-jährige Gabrielle Pietermann nur träumen: "Ich wäre froh, wenn ich nur 0,1 Prozent ihrer Gage hätte", sagt sie. Pietermann synchronisiert den Harry-Potter-Star, seit dem ersten Film im Jahr 2001. Da war die Münchnerin 13 Jahre alt und hatte bereits fünf Jahre Erfahrung als Sprecherin. Pietermann hat glatte, schwarze Haare, ihre Augen hat sie perfekt mit Lidstrich nachgezogen. Hinter der deutschen Stimme von Emma Watson verbirgt sich eine quirlige, attraktive junge Frau.

Links das Original, rechts die deutsche Synchronstimme: Die Münchnerin Gabrielle Pietermann spricht Emma Watsons Rolle der Hermine in den Harry-Potter-Filmen. (Foto: AP, Pietermann)

sueddeutsche.de: Was war der schwierigste Satz im aktuellen Harry-Potter-Film?

Gabrielle Pietermann: Der Text ist selten das Problem. Es ist das Atmen, während man spricht. Hermine atmet sehr viel, die Hauptdarsteller laufen in diesem Film sehr viel herum. Man sieht es ihnen an den Schultern an, die bewegen sich ständig. Auf der Leinwand ist die Figur der Hermine fünf Meter groß. Die Atmung muss deswegen hundertprozentig sitzen. Wer in Eile ist, atmet nicht ruhig ein und aus, die Atmung ist total abgehakt.

sueddeutsche.de: Wie machen Sie das? Im Aufnahmestudio sind Sie ja nicht in Bewegung.

Pietermann: Doch. Ich kann zwar nicht im Raum herumlaufen. Aber ich bewege beispielsweise meinen Oberkörper und mich selbst so viel wie möglich, ohne Lärm zu machen. Es hilft auch, im Vorfeld hektisch ein- und auszuatmen, zu hyperventilieren. Neben mir sitzt die Cutterin (Anm. d. Red.: Der Synchroncutter schneidet die Tonspur und schiebt die Sätze an die richtige Stelle), die mir genau sagt, in welchem Rhythmus ich das machen muss.

sueddeutsche.de: Wie lange haben die Aufnahmen für den Harry-Potter-Film gedauert?

Pietermann: Insgesamt ungefähr vier Tage zu je sechs Stunden.

sueddeutsche.de: Am Stück?

Pietermann: Nein, ich bin noch an vielen anderen Projekten beteiligt, die parallel laufen müssen. Wie meine Kollegen auch. Deswegen gibt es den Aufnahmeleiter, der alles so koordiniert, dass jeder seine Projekte unter einen Hut bringt.

sueddeutsche.de: In wie vielen Kinofilmen sind Sie im Moment zu hören?

Pietermann: Zurzeit in drei Produktionen: Ich spreche die Hauptrolle in dem Horrorfilm Paranormal Activity II, außerdem bin ich in Schwesterherzen - Ramonas Wilde Welt zu hören, und eben als Hermine in Harry Potter. Das ist aber die absolute Ausnahme. Fernsehserien spreche ich sehr viel häufiger als Kinofilme.

sueddeutsche.de: Wie sieht Ihr Tagesablauf als Sprecherin aus?

Pietermann: Ich habe zwischen ein und drei Terminen am Tag. Es kann vorkommen, dass ich am Vormittag einen kleinen Jungen, zum Beispiel in der Manga-Serie One Piece, spreche. Danach kommt eine Werbung und am Nachmittag eine Disney-Serie, wie zum Beispiel die Zauberer von Waverly Place. Ich habe sowohl Opfer als auch Täter gespielt oder Studentinnen, kleine Jungen, Tiere ...

sueddeutsche.de: ... an einem Tag?

Pietermann: Ja, teilweise an einem Tag. Meist komme ich ins Studio und habe keine Ahnung, worum es geht. Der Dialogregisseur erklärt mir kurz die Story. Dann spielt er mir jeden Satz im Original vor. Anschließend wird dieser auf Deutsch aufgenommen. Ich schaue mir das Original sehr aufmerksam an und schon bin ich in der Rolle.

sueddeutsche.de: Wissen Sie, wie viel Sie an einem langen Arbeitstag sprechen?

Pietermann: Ich habe einmal ausgerechnet, dass ich, wenn ich ein Hörbuch einlese, 40.000 Worte spreche. Das entspricht einer Aufnahmezeit von fünf Stunden. Eine durchschnittliche Frau spricht mehr als 10.000 Wörter am Tag. Das muss man bei mir noch dazurechnen.

sueddeutsche.de: Und danach sind Sie heiser.

Pietermann: ( lacht) Nein zum Glück nicht. Ich habe wahrscheinlich Stimmbänder aus Stahl.

sueddeutsche.de: Jedenfalls haben Sie eine sehr helle Stimme. Für welche Rollen werden Sie gebucht?

Pietermann: Meistens für 14- bis 17-jährige Mädchen. Da geht es um Themen wie erstes Date, erster Kuss ... oft bin ich die Schulzicke und cheerleaden muss ich auch ständig. Häufig geht es um Konflikte mit den Eltern, die ganzen Teenie-Probleme eben.

sueddeutsche.de: Nervt das nicht?

Pietermann: Nein. Es ist sogar ein Vorteil. Denn dadurch habe ich mehr zu tun. Sprecherinnen im Teeniealter gibt es viel seltener als Sprecher für Erwachsene. Aber ich habe auch Kolleginnen, die mit 40, 50 Jahren noch immer Kinder sprechen können.

sueddeutsche.de: Sind Sie selber Harry-Potter-Fan?

Pietermann: Ich habe das erste Buch gelesen, als es rauskam. Da war ich vielleicht zehn Jahre alt. Ich war also von Anfang an mit dabei. Ich habe manche Bücher sogar mehrmals gelesen.

sueddeutsche.de: Was ist Ihr Lieblingsfilm?

Pietermann: Der aktuelle, weil er sich ziemlich an die Buchvorlage hält und fast nichts ausgelassen wurde. Außerdem kommt Hermine da am häufigsten vor.

sueddeutsche.de: Und privat? Welche Filme schauen Sie da?

Pietermann: Ich stehe eher auf härtere oder ungewöhnliche Filme. Quentin Tarantino und Robert Rodriguez sind meine Lieblingsregisseure. Ich gucke auch gerne Low-Budget Produktionen, die nicht so auf Kommerz und Mainstream aus sind. Mit Standardliebesfilmen und Komödien kann man mich jagen.

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