Fossile Brennstoffe:Ein Bodenschatz als Zeitbombe

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Südlich von München gibt es ölhaltige Gesteine. Eine britische Firma prüft, ob sich die Ausbeutung lohnt. Umliegende Gemeinden lehnen das ab. Sie fürchten, dass die umstrittene Fracking-Methode zum Einsatz kommen könnte.

Von Bernhard Lohr

Brunnthal oder Sauerlach liegen nicht in Texas. Und in Hohenbrunn gibt es keinen Ölbaron. Doch so weit hergeholt, wie es auf den ersten Blick scheinen mag, ist die Vorstellung keineswegs, dass südlich von München Öl oder Gas gefördert werden könnte. Im Voralpenraum gibt es Vorkommen fossiler Energieträger. Im Raum Dachau und südlich von Augsburg wird seit Jahren Öl gefördert, und in der Nähe des Chiemsees Gas. Die österreichische Rohöl Aufsuchungs AG (RAG) will bald in Ampfing, Landkreis Mühldorf, ein Ölfeld ausbeuten. Bis zu 50 000 Tonnen im Jahr will man dort aus dem Boden holen. Die jährliche Fördermenge im Voralpenraum würde dadurch glatt verdoppelt.

Die geologischen Verhältnisse geben es also offenkundig her, in Südbayern von einer lukrativen Förderung nicht nur zu träumen. Dass sich etwa unter Sauerlacher Fluren ölhaltige Gesteine finden, hat sich in der Vergangenheit bereits erwiesen. Bei der Geothermie-Bohrung in der Gemeinde stieß man mehrfach auf solche Schichten. Eine Förderung könnte wirtschaftlich sein, konstatiert man im Rathaus. Und weil das so ist, hat sich die Terrain Energy Ltd. mit Sitz in London südlich von München, vom Landkreis Starnberg bis Bruckmühl im Landkreis Rosenheim zwei Claims gesichert, in denen mit Blick auf spätere Förderung Voruntersuchungen laufen können. Brunnthal, Sauerlach und Hohenbrunn und der halbe südliche Landkreis München liegen mittendrin in diesem Gebiet.

Was die Gemeinden befürchten

In den Gemeinden werden die Aktivitäten mit großer Skepsis verfolgt. In Hohenbrunn, Brunnthal, Sauerlach und zuletzt auch Taufkirchen haben sich die Gemeinderäte jeweils klar gegen Fördertürme ausgesprochen. Die große Sorge ist dabei, dass nach der umstrittenen Fracking-Methode Lagerstätten erschlossen werden könnten, die bisher als kaum ergiebig oder schwer erschließbar galten.

Beim Fracking werden mit chemischen Zusätzen versehene Flüssigkeiten in die Tiefe gepumpt, um Gesteinsschichten aufzubrechen und eingeschlossenes Öl oder Gas freizusetzen. Das Grundwasser könnte gefährdet werden, so eine verbreitete Sorge. Gerade weil eine britische Firma ihre Finger mit im Spiel hat, wird spekuliert, dass diese Technik allen anderslautenden Beteuerungen zum Trotz zum Einsatz kommen könnte. Schließlich sind im angelsächsischen Raum die Berührungsängste gegenüber Fracking nicht annähernd so groß wie hierzulande. Axel Horn, Grünen-Gemeinderat in Sauerlach, ist wie viele andere alarmiert. Öl- oder Gasförderung im Münchner Umland, ob mit Fracking-Technik oder ohne: "Wir brauchen es hier nicht", sagt er.

Wo in Bayern Erdöl gefördert wird

Sicherlich: Andernorts in Bayern wird Erdöl seit Jahren konventionell gefördert, ohne dass groß Aufhebens darum gemacht wird. In Hebertshausen, Landkreis Dachau, zum Beispiel, ist seit mehr als 20 Jahren eine Förderanlage in Betrieb. Bürgermeister Richard Reischl erinnert sich, dass am Anfang "der Aufschrei schon groß" gewesen sei. Doch im Lauf der Jahre habe sich das gelegt, die Menschen im Ortsteil Prittlbach hätten sich damit arrangiert und sprächen mittlerweile von "unserer Pumpe". "Das gehört zur allgemeinen Situation", sagt Reischl. Freilich hält sich das Fördervolumen mit gut 1000 Tonnen Erdöl im Jahr in Grenzen, und es wird konventionell gefördert. Bestünde die Absicht, nach der neuen Fracking-Methode in Hebertshausen Öl aus dem Boden zu pressen, würde er massiv protestieren und sich "auf die Hinterbeine stellen", sagt Reischl.

Im Rathaus von Ampfing steht man den Absichten der RAG, demnächst Öl zu fördern, aufgeschlossen gegenüber. Auf der Gemeinde-Homepage prangt sogar das charakteristische Bild einer Pferdekopfpumpe. Ein RAG-Sprecher und der Amtsleiter im Rathaus sehen breite Akzeptanz in der Bevölkerung für die konventionelle Ausbeutung fossiler Energieträger. Ein Grund für diese pragmatische Haltung liegt sicher darin, dass in Ampfing 40 Jahre lang Öl gefördert wurde, bevor mangels Rentabilität 1998 das Ende kam. Daran knüpft im Grunde die RAG, nach einer Unterbrechung, jetzt an.

Was den Landkreis München unterscheidet

Im Landkreis München liegen die Verhältnisse aber anders. Hier haben Verantwortliche wie Sauerlachs Bürgermeisterin Barbara Bogner (UBV) angesichts der neu aufgeflammten Diskussion über Erdöl- und Erdgasfördrung das Gefühl, im falschen Film zu sitzen. Der Kreis ist dicht besiedelt, er ist von Hightech-Firmen geprägt und von Naturräumen, die durch Erholungssuchende stark genutzt werden. Dort sollen jetzt plötzlich Erdöl-Förderanlagen stehen? Das klingt vielen viel zu sehr nach Old Economy, nach gestern.

Schließlich hat man sich hehre Klimaschutzziele gesetzt. Energiesparen ist angesagt und regenerative Energieträger sollen gefördert werden. Bürgermeisterin Bogner sieht Windräder vor ihrem geistigen Auge stehen. Mit Sauerlach, Otterfing, Brunnthal und Aying hätten sich nicht zufällig vier Gemeinden zusammengetan. Man will an der A 8 im Hofoldinger Forst einen Standort für einen Windpark sichern, der am besten als Bürgerbeteiligungsprojekt umgesetzt würde. Darum steht es mittlerweile schlecht, nicht nur wegen der vom Freistaat verhängten Abstandsregeln. Untersuchungen hätten angesichts der herrschenden Windstärken ergeben, dass eine Windkraftanlage allenfalls am Rand der Rentabilität betrieben werden könne, sagt Rathauschefin Bogner.

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Die Methode ist höchst umstritten, die Folgen für die Umwelt sollen gefährlich sein. Ob und wie in Deutschland Fracking erlaubt ist, darauf haben sich die Minister nun geeinigt. Die wichtigsten Punkte.

Der Standortsicherungsvertrag zwischen den Gemeinden und den Staatsforsten sei unterschriftsreif. Doch an eine Bürgeranlage glaubt Bogner nicht mehr. Womöglich finde sich noch ein Investor, sagt sie, der mögliche Verluste bilanztechnisch wegstecken könne. Bürgern sei ein Windrad im Hofoldinger Forst schlechterdings als Investition nicht zu empfehlen.

Niedrigere Einspeisevergütungen, strengere Abstandsregeln und jetzt noch das laue Lüftchen: Die Windkraft kommt nicht voran im Landkreis. Und Erdöl und Erdgas sollen aus dem Boden gepumpt werden. Der Grünen Axel Horn ballt bei solchen Szenarien die Fäuste in der Tasche. "Wenn man so weitermacht, dann darf man sich nicht wundern." Auch Bogner hält es absolut für geboten, dass die Gemeinden "reingrätschen" und zeigen, was sie von den Plänen von Terrain Energy halten. Fracking, Erdöl-Förderung auf Kosten der Umwelt: "Wer sagt, dass das in 20 Jahren nicht kommt."

Wer sich über Fracking informieren will, kann dies im Landkreis in den nächsten Wochen bei zwei Veranstaltungen tun. Auf Einladung der örtlichen Volkshochschule hält Peter Lemmen am Montag, 13. April, von 19.30 bis 21 Uhr im Bürgerhaus Oberschleißheim einen Vortrag über die umstrittene Methode zur Förderung fossiler Brennstoffe. Eine Anmeldung unter anmeldung@vhsosh.de ist erforderlich. Im Pullacher Bürgerhaus läuft am Mittwoch, 22. April, von 20 Uhr an ein Spielfilm, in dem es um Fracking geht.

© SZ vom 10.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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