Sonntagsöffnung:Am siebten Tage sollst du ruh'n

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Zwölfmal war heuer an einzelnen Orten im Landkreis das Einkaufen am Sonntag möglich. (Foto: Gero Breloer/dpa)

Ladenöffnungen am Sonntag bleiben im Landkreis die Ausnahme - erst recht nach dem Gerichtsurteil gegen die Gemeinde Aschheim. Wo es sie gibt, sind selbst Einzelhändler hin- und hergerissen. Doch Großmärkte und Möbelhäuser drängen auf längere Einkaufszeiten.

Von Irmengard Gnau und Iris Hilberth

Könnte ja sein, dass man spontan Lust auf Bio-Bananen verspürt. Oder im Vorbeigehen ein spannendes Taschenbuch kauft. Vielleicht hat man auch endlich mal Zeit, ein schickes Paar Schuhe anzuprobieren. Solche Einkäufe werden auch in Zukunft an wenigen Sonntagen im Jahr möglich sein. Der Kauf einer Polstergarnitur oder einer Matratze mit einzeln aufgehängten und kreuzweise verspannten Federmuffen ist dagegen am siebten Tag der Woche schwierig. Denn für Möbelhäuser und Großmärkte auf der grünen Wiese, die sonntags ihre Türen öffnen wollen, liegt die Latte höher als für kleine Einzelhandelsgeschäfte in Ortsmitten.

Auch wenn es Aschheims Bürgermeister Thomas Glashauser (CSU) nicht so auslegen will, ist die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom Mittwoch ein Dämpfer für Einzelhandel und Konsumenten im Landkreis. Die Richter machten in der Verhandlung über die Klage der Gewerkschaft Verdi gegen die Gemeinde klar, dass sie bei Sonntagsöffnungen ganz genau hinschauen und dass eine parallele Zusatzveranstaltung - im Aschheimer Fall eine Auto-Show auf dem Parkplatz der Möbelhäuser XXXLutz und Mömax - nicht ausreicht für eine rechtskonforme Ausnahme von der gesetzlich geschützten Sonntagsruhe. Den Verteidigern des freien Sonntags gibt das Auftrieb, gerade gegen Sonderöffnungen in Gewerbegebieten weiter vorzugehen, von denen, so ihr Vorwurf, häufig nur einzelne Großhändler profitierten. Doch nicht alle Ladenöffnungen stehen im Fokus.

Die verkaufsoffenen Sonntage im Räter-Einkaufszentrum in Kirchheim-Heimstetten (REZ) etwa seien ein anderer Fall, erklärt Organisator Fritz Humplmayr. Dort müssten anders als bei einem Möbelhaus nicht Dutzende Mitarbeiter ihren Sonntag opfern, vielmehr stellten sich viele Besitzer selbst in den Laden. Außerdem seien die parallel stattfindenden Märkte längst Traditionsveranstaltungen. Schließlich, so schreibt es der Gesetzgeber vor, muss eine Veranstaltung Hauptattraktion sein und nicht der aufgehobene Ladenschluss.

"Als Arbeitgeber muss man seine Mitarbeiter auch schüzten."

Tatsächlich gibt es den Kathrein-Markt am REZ bereits seit 1991, aber erst seit 2003 öffnen auch die umliegenden Läden. Diese Sonntagsöffnungen seien als "soziale Events" wertvoll für die Gewerbetreibenden, sagt Humplmayr. "Die Leute kommen wegen des Fests und kaufen dann noch was. In Zeiten von Amazon und Co. haben wir es nicht leicht, wir müssen auf das setzen, womit wir punkten können: Nähe und Persönlichkeit." Die Gemeinde Kirchheim stärkte den Händlern stets den Rücken, auch gegen Widerstände.

Solcher kam insbesondere von der Kirche, weil einer der Marktsonntage ausgerechnet am Totensonntag, dem zentralen Gedenktag der evangelischen Christen, stattfindet. 2011 rief die örtliche Cantate-Kirche deshalb zu einer Protestaktion auf. Humplmayr gestaltete die Veranstaltung daraufhin ruhiger, an der Ladenöffnung aber änderte sich nichts - zum Bedauern von Pfarrerin Susanne Kießling-Prinz. "Ich denke, der Schutz des Sonntags ist auch in unserer säkularisierten Welt sehr wichtig, damit man einen Tag hat, an dem man raus ist aus dem ganz normalen Wahnsinn der Woche", sagt sie.

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Ein Argument, das sogar manche Gewerbetreibende anführen. "Als Arbeitgeber muss man seine Mitarbeiter auch schützen", sagt Florian Zweckinger vom gleichnamigen Autohaus in Straßlach. Von diesen werde schließlich immer mehr verlangt. Auch aus kaufmännischer Sicht bewirkten Sonntagsöffnungen seiner Erfahrung nach häufig nur eine Verlagerung, aber keine zusätzlichen Verkäufe. Das sehen freilich nicht alle so.

Unterhaching hat die Sonntagsöffnung wieder abgeschafft

Die Gemeinde Unterhaching wollte ihren Gewerbetreibenden im Ortszentrum etwas Gutes tun, als sie im Februar 2007 einen verkaufoffenen Sonntag einführte. Unterhaching ist eine typische Stadtrandgemeinde, die sich in den Achtzigerjahren im Zuge ihres Wachstums eine Ortsmitte baute, ein gemischtes Gebiet mit Läden im Erdgeschoss und Wohnungen obendrüber. Gleichzeitig entstanden am Ortsrand Gewerbegebiete, die es den kleinen Geschäften zwischen S-Bahnhof und Rathaus schwer machen.

Die Sonntagsöffnung, möglich durch das gleichzeitig einmal im Jahr stattfindende Straßenfest auf der Hauptstraße, sollte ein Zuckerl für die kleinen Läden sein. Nur waren die meisten Unterhachinger Geschäftsleute mäßig begeistert von dem Zugeständnis. Die wenigsten haben so viel Personal, dass sie eine Sonntagsöffnung stemmen. Viele Besitzer stehen täglich selbst hinter der Theke, und das Zusatzgeschäft erwies sich nicht als so lukrativ, dass es sich lohnte, dafür auch noch einen weiteren Tag im Laden zu verbringen.

Andere hingegen waren hochinteressiert an der Sonntagsöffnung: die großen Geschäfte und Supermärkte vom Grünwalder Weg. "Sie hatten damals mehrfach angefragt, ob sie sich nicht beteiligen könnten", sagt Unterhachings Rathaussprecher Simon Hötzl. Doch für das Gewerbegebiet direkt an der Grenze zu Taufkirchen sah das Landratsamt keinen Zusammenhang zum Fest und signalisierte noch vor der Abstimmung im Rathaus, eine mögliche Ausweitung der Sonntagsöffnung abzulehnen. Der Gemeinderat stimmt schließlich im Mai 2011 dagegen - und setzte gleich die gesamte Regelung zur Öffnung während des Straßenfests außer Kraft.

Gerade an den Landkreisgrenzen sei der Wettbewerb verzerrt

Auch andernorts versuchen vor allem die großen Gewerbetreibenden, auch sonntags ihre Waren an die Konsumenten zu bringen. Östlich der Autobahn A 8, wo Taufkirchen, Brunnthal und Ottobrunn aneinanderstoßen, ist in den vergangenen Jahren ein riesiges Gewerbegebiet nebst schwedischem Möbelhaus entstanden. Gerade Ikea hätte großes Interesse, ein paar Mal im Jahr die Leute auch sonntags mit Småland und Kötbullar zum Billy-Regal-Kauf zu locken. An Standorten in anderen Bundesländern ist dies problemlos möglich, dort sind die Vorgaben nicht so streng. Dass der Ladenschluss seit zehn Jahren Ländersache ist und Ausnahmeregelungen von einzelnen Kommunen und Aufsichtsbehörden durchaus unterschiedlich gehandhabt werden, verärgert viele.

Gerade an Landkreisgrenzen sei die Wettbewerbssituation verzerrt, beklagt sich die Gemeinde Aschheim seit Jahren über Segmüller in Parsdorf, direkter Konkurrent der Lutz-Möbelhäuser, der seit 2002 viermal jährlich sonntags öffnen darf. Neben Segmüller profitieren von den Öffnungen auch die umliegenden Geschäfte sowie das Outlet-Center, anders als in Aschheim, wo nur die Lutz-Gruppe öffnen dürfte. Tatsächlich fährt das Landratsamt München bei Ausnahmegenehmigungen eine recht strenge Linie. 2016 gab es im Landkreis wie im Vorjahr nur zwölf verkaufsoffene Sonntage. 2010 waren es gar nur acht Öffnungen.

Mancher Großmarkt hätte gerne mehr. "Wir haben uns schon öfter mit den anderen Gewerbetreibenden zusammengesetzt und Überlegungen angestellt", sagt Antonio Jorke, Marketing-Leiter von Ikea am Standort Brunnthal/Taufkirchen. Inzwischen ist er zuversichtlich, dass es Möglichkeiten geben könnte. "Der ehemalige Bürgermeister von Taufkirchen befürwortete das nicht, der jetzige ist wohl aufgeschlossener dafür", sagt Jorke. Solchen Bestrebungen wollen die Verteidiger des freien Sonntags möglichst einen Riegel vorschieben. Seit 2009 hat Verdi nach eigenen Angaben etwa 80 Verfahren gegen Sonntagsöffnungen angeregt. Funktionär Georg Wäsler hält das jedoch nicht für ideal. Er sieht die Politik in der Pflicht, den Landratsämtern klare, einheitliche Vorgaben zu machen und sie anzuweisen, die bestehende Rechtsprechung umzusetzen. Damit im Zweifelsfall nicht die Kommunen den Wettbewerb zwischen ihren Möbelhäuser ausfechten.

© SZ vom 10.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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