Flüchtlinge:Pullach will rasch Wohnraum schaffen

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Weil die Isartal-Gemeinde bei der Aufnahme von Asylbewerbern hinterherhinkt, hat das Landratsamt ein Notquartier in der Turnhalle der Josef-Breher-Mittelschule eingerichtet. Jetzt bemühen sich die Ortspolitiker, ein geeignetes Grundstück für eine reguläre Unterkunft zu finden

Von Konstantin Kaip, Pullach

Die etwa 100 Flüchtlinge, die derzeit in der Turnhalle der Josef-Breher-Mittelschule in Pullach untergebracht sind, sind Gäste auf Zeit. Die Notunterkunft, die das Landratsamt dort eingerichtet hat, soll schließlich laut Landrat Christoph Göbel (CSU) noch in den Sommerferien geräumt werden. Insofern haben die jungen Männer aus überwiegend afrikanischen Staaten, die dort derzeit in Stockbetten übernachten, nichts mit den Flüchtlingen zu tun, die die Gemeinde dauerhaft aufnehmen muss. Allerdings hat das Landratsamt klar gemacht, dass die Notunterkünfte - vor Pullach gab es eine im Freizeitpark Taufkirchen - in den Kommunen eingerichtet wurden, die bei der Unterbringung der ihnen nach der Einwohnerzahl zugeteilten Flüchtlinge bislang hinterherhinken. Und so hat die Notunterkunft den Kommunalpolitikern vor Augen geführt, dass es höchste Zeit ist, die Strategie zur Unterbringung von Flüchtlingen voranzutreiben.

Ein "nachhaltiges Konzept für den Umgang mit Asylbewerbern und Flüchtlingen in Pullach" hat die Gruppierung "Wir in Pullach" (WIP) kürzlich im Sozialausschuss gefordert. Man brauche ein "klares und verständliches Konzept für alle", hat der Antragsteller Johannes Schuster im Gremium erläutert. Dazu gehöre einerseits eine kurzfristige Lösung, um die Unterbringung der 100 Personen, die der Gemeinde aufgrund ihrer Einwohnerzahl bis Ende des Jahres aufnehmen muss, zu garantieren. Mittelfristig müsse dann für die anerkannten Flüchtlinge zusätzlicher Wohnraum geschaffen werden. Und langfristig müsse man ein Konzept für die Integration der Neubürger entwickeln.

Dass die Zeit drängt, damit die Gemeinde ihrer Pflicht zur Unterbringung nachkommen kann, daran zweifelte im Gremium niemand. Wohl aber am Sinn des Antrags. Der Sozialausschuss habe nicht die Expertise, so ein Konzept zu entwickeln, fand etwa Markus Schramm (CSU) und forderte, "externen Sachverstand" hinzuzuziehen. "Überfordert" fühlte sich auch Martin Eibeler (FDP) mit der Aufgabe, allerdings plädierte er für ein kurzfristig anberaumtes Treffen oder einen "Runden Tisch" mit verschiedenen Institutionen aus der Gemeinde und dem Landkreis, um alle verfügbaren Informationen zusammenzutragen. Der Antrag, sagte Eibeler, sei "de facto eine reine Willenserklärung".

Immerhin hat er die einstimmige Empfehlung an den Gemeinderat hervorgebracht, den dringenden nächsten Schritt zu gehen: Das Gremium soll sich auf ein Grundstück festlegen, auf dem eine Unterkunft für Flüchtlinge entstehen soll. Ob dieses dann dem Landratsamt verpachtet wird, oder ob die Gemeinde dort selbst Wohnungen errichtet, um an der beschlossenen dezentralen Unterbringung festzuhalten, wurde offengelassen.

Laut der Familienbeauftragten der Gemeinde, Isabel Gruber, sind derzeit 64 Flüchtlinge in Pullach untergebracht: 22 von ihnen befinden sich im laufenden Verfahren, 15 sind bereits anerkannte Flüchtlinge. Wie Gruber sagte, konnte das Landratsamt zudem ein Mehrfamilienhaus mit drei Wohnungen an der Gistlstraße anmieten, in dem weitere 27 Flüchtlinge untergebracht werden konnten. Für Holger Ptacek (SPD) besteht daher keine Notwendigkeit, die von allen favorisierte dezentrale Unterbringung zugunsten einer vom Landratsamt betriebenen Unterkunft aufzugeben. Die zusätzlich aufzunehmenden Menschen, rechnete er vor, hätten auch in den fünf Wohnungen Platz, die die SPD auf einem gemeindeeigenen Grundstück an der Anton-Köck-Straße errichten lassen wollte. Der Gemeinderat hatte in seiner vergangenen Sitzung einen entsprechenden Antrag abgelehnt, nachdem es heftigen Widerstand der WIP und der CSU gegen Flüchtlingswohnungen auf dem "Filetgrundstück" in der Gartenstadt gegeben hatte. Wie Schuster sagte, favorisiert die WIP das Gelände nördlich der Kindertagesstätte "Mäuseburg" oder das IEP-Grundstück an der Hans-Keis-Straße. Bürgermeisterin Susanna Tausendfreund (Grüne) ergänzte die Liste der Optionen um eine Wiese nördlich des Kindergartens "Isarspatzen", die sogenannte Kuhwiese und die Seitnerfelder. All diese Flächen könnten "relativ schnell zur Verfügung stehen", da dort Baurecht vorhanden sei. "Klar ist aber auch, dass es an jedem Standort von der Nachbarschaft Widerstände geben wird", sagte die Bürgermeisterin. Deshalb müsse der Gemeinderat eine Entscheidung treffen und dann auch verteidigen.

Wie Tausendfreund berichtete, hat das Landratsamt auch schon beim Bund wegen Flächen auf dem BND-Gelände nachgefragt. Eine Unterkunft dort sei allerdings aus Sicherheitsgründen wenig wahrscheinlich. Im Fokus stehe allerdings nach wie vor das Gelände der kreiseigenen Jugendherberge Burg Schwaneck. Im Moment sei die Idee, dort zwei Wohngruppen für insgesamt 24 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge einzurichten, die vom Kreisjugendring betreut werden. "Ich denke, das wäre eine vernünftige Lösung" , sagte Tausendfreund. Aber auch die Option, auf der Grünfläche vor der Burg eine der sieben geplanten Traglufthallen aufzustellen, sei für das Landratsamt noch nicht vom Tisch. Dass dieses für alle denkbar schlechteste Szenario im Raum stehe, wenn der Gemeinderat weiterhin keine eigenen Ideen verwirkliche, davor warnte Holger Ptacek. "Dann", sagte er, "brauchen wir auch kein Konzept mehr."

© SZ vom 17.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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