Feuerwehr:Retter in Not

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Für Hannes Bußjäger, den Kommandanten der Wehr in Grasbrunn, ist vor allem die zunehmende Bürokratie Schuld an den Personalnöten der Freiwilligen Feuerwehren. (Foto: Claus Schunk)

Die Freiwilligen Feuerwehren kämpfen mit einem Einsatzkräftemangel. Um die Alarmbereitschaft vor allem am Tag sicherzustellen, werben Gemeinden um Mitarbeiter von Firmen - und stellen sogar Helfer fest an

Von Anna Majid, Ottobrunn/Unterhaching

Sie kommen, wenn Keller voll Wasser laufen, Bäume auf Straßen kippen, Menschen nach einem Unfall aus Autowracks gerettet werden müssen und - natürlich - wenn es brennt: die Männer und Frauen der Freiwilligen Feuerwehren. Und sie tun das zu jeder Tages- und Nachtzeit. Doch für die Feuerwehren im Landkreis München wird es immer schwieriger, ausreichend Einsatzkräfte vorzuhalten, um bei einem Alarm schnell und in erforderlicher Stärke auszurücken. Die Folge ist ein allmählicher Abschied vom Grundprinzip der Freiwilligen Wehren: Statt ehrenamtlicher Kräfte verrichten immer mehr festangestellte Profis ihren Dienst.

Seit Jahren nehmen die Einsätze der Feuerwehren im Landkreis München zu: 2018 zählte die Kreisbrandinspektion insgesamt 11 579 Einsätze, das sind 744 mehr als im Vorjahr. Im Vergleich zu anderen Landkreisen sei die Zahl ausgesprochen hoch, sagt Kreisbrandrat Josef Vielhuber. Das liegt einerseits an der dichten Besiedlung - der Landkreis zählt immerhin 346 000 Einwohner - andererseits an den vielen überregionalen Verkehrswegen und dem starken Verkehr. Auch die vielen Gewerbegebiete sowie Forschungseinrichtungen tragen zu der großen Zahl an Einsätzen bei. All das stellt die Kommunen als Kostenträger der Feuerwehren vor Herausforderungen.

Aber auch die Feuerwehren selbst. Etwas mehr als 4000 Männer und Frauen verrichten ihren Dienst in den 56 Wehren im Landkreis, Werks-, Betriebs- sowie eine Bundeswehrfeuerwehr inbegriffen. Die meisten von ihnen haben einen Beruf und arbeiten in Vollzeit, sind daher zeitlich stark eingespannt. In Unterhaching hat man mit Festanstellungen reagiert. Drei Gerätewarte und zwei Verwaltungskräfte sind derzeit fest bei der Gemeinde angestellt, wie der Unterhachinger Feuerwehrkommandant Christian Albrecht erzählt. Da zudem viele Mitglieder im Ort arbeiten, könne man tagsüber auf circa 50 Einsatzkräfte zurückgreifen.

Um auch unter der Woche sicherzustellen, dass bei einem Tagesalarm ausreichend Kräfte verfügbar sind, hat die Gemeinde Aschheim wiederum Mitarbeiter der Firmen im Gewerbegebiet Dornach aktiv angeworben. So habe man vier neue Tagesalarmkräfte verpflichtet, die sich bereits in ihren Heimatkommunen bei der Feuerwehr engagieren, erklärt Günter Schenkl, der Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr. Solche Doppelmitgliedschaften erlaubt das bayerische Feuerwehrgesetz seit 2007.

Dass man auf Kräfte aus Nachbarkommunen zurückgreifen muss, liegt auch daran, dass im Landkreis bezahlbarer Wohnraum fehlt. Ottobrunn geht das Problem aktiv an. Der Bauausschuss des Gemeinderats hat im November die Planung von 20 neuen Dienstwohnungen in Auftrag gegeben. Gemeinderätin Erika Aulenbach sieht darin einen Anreiz für junge Leute, als Feuerwehrkräfte am Ort zu bleiben.

Johannes Bußjäger, der Kommandant der Feuerwehr Grasbrunn, wiederum siedelt das Hauptproblem weiter oben an: "Was ich mir wünschen würde, ist weniger Bürokratie." Viel wertvolle Zeit verschwendeten gerade Kommandanten am Schreibtisch. "Unsere Grundtätigkeit bleibt auf der Strecke", klagt Bußjäger. Auch die Inspektion komme nicht hinterher.

Dabei brauche man die Zeit dringend für die Ausbildung des Nachwuchses. Die Feuerwehrschulen sind laut Bußjäger überlastet, zudem würde die Ausbildung durch bürokratischen Aufwand und veränderte Strukturen in die Länge gezogen. Es werde immer schwerer, den Nachwuchs zu halten. "Wir haben 13 Jugendliche in Ausbildung. Wenn die bleiben, gehts uns gut", sagt der Aschheimer Schenkl für seine Dornacher Wehr. Aber hinsichtlich des immer weiter wachsenden Landkreises sei es wichtig vorzusorgen und weitere Mitglieder zu gewinnen, findet Bußjäger. Zwar wurde Anfang November im Kirchheimer Gemeinderat der Bau einer neuen Übungshalle beschlossen, doch müssten die Kommandanten etwa Erstehilfekurse selbst anbieten; früher sei das Kreissache gewesen. Von Seiten der Politik gibt es laut Bußjäger zudem permanent neue Vorschriften, das zerre an der Motivation. "Wir machen uns mit den Vorschriften selbst kaputt", prognostiziert er.

Und noch etwas ärgert die Einsatzkräfte im Landkreis: Oft rücken sie umsonst aus. Besonders heftig zu Buche schlagen laut dem Dornacher Kommandanten Schenkl Brandmeldeanlagen. Diese Anlagen lösten im Jahr 2017 im Landkreis insgesamt 802 Mal Alarm aus; davon waren 630 Fehlalarme, wie Kreisbrandrat Vielhuber in seiner Statistik stehen hat. Eine "gute Quote", sagt Vielhuber trotz der hohen Zahl. Das sieht Kommandant Schenkl anders. "Bei den Arbeitgeber kommt es auch an, dass ein Einsatz umsonst war", weiß er. Das habe Folgen: "Der ein oder andere kommt nicht mehr so oft zum Einsatz." Kollegen hätten Angst, ihren Arbeitsplatz zu riskieren. Deshalb fordert Schenkl, dass die Gebühren, welche die Inhaber der Brandmeldeanlagen für Fehleinsätze zahlen müssen, erhöht werden. Vielleicht würden die Firmen dann achtsamer mit den Brandmeldeanlagen umgehen.

© SZ vom 16.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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