Feinstaubbelastung:Luftproben in den Gemeinden

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Auch im Landkreis München soll das Landesamt für Umwelt jetzt Stickstoffdioxid in der Luft messen. Entlang der A 995 könnten die Ergebnisse ein Argument für ein Tempolimit sein.

Von Bernhard Lohr, Landkreis

Sie wohnen an der Wasserburger Straße in Haar, an der Rosenheimer Landstraße in Ottobrunn oder an einer der vielen Hauptstraßen in den Orten des Münchner Umlands: Die Menschen dort leiden unter dem Straßenverkehr und sie befürchten, dass alles noch schlimmer wird mit dem Lärm und dem Gestank. Gefahren durch Stickstoffdioxide oder Feinstaub spielen in der Wahrnehmung eine untergeordnete Rolle. Das sei doch ein Problem in der Stadt, so die verbreitete Annahme. Da ist natürlich etwas dran. Aber ist das die ganze Wahrheit?

Fünf Messstellen gibt es in München, deren Werte auf der Seite des Landesamts für Umwelt (LfU) live abzulesen sind; außer an der Landshuter Allee, wo in einer engen Straßenschlucht bei 150 000 Fahrzeugen am Tag oft eine mäßige Luftgüte attestiert wird, finden sich Daten aus Allach, vom Stachus, aus der Lothstraße und aus Johanneskirchen. Für die Stunden-, Tages- oder Jahresmittelwerte gibt es Grenzwerte. Geht es zu oft darüber hinaus, wird eine Gesundheitsgefahr angenommen und es drohen Konsequenzen - bis hin zum gerichtlich verhängten Fahrverbot.

Auch wenn die Gemeinden im Landkreis München viele Ein- und Ausfallstraßen durchschneiden, auf denen Fahrzeuge häufig auf zwei oder vier Spuren im Stau stehen und Abgase in die Luft blasen, wurde dort bisher nur wenig gemessen. Erste Schadstoffberechnungen gab es 1998 für Baierbrunn, Kirchheim, Planegg, Putzbrunn und Taufkirchen, die laut Mitteilung des Landesamts für Umwelt 2001 für Aschheim, Feldkirchen, Garching, Gräfelfing, Grünwald, Haar, Ismaning, Neubiberg, Neuried, Ottobrunn, Unterhaching und Unterschleißheim ergänzt wurden. Vor 16 Jahren seien die Konzentrationswerte der damals gültigen Vorschriften für Feinstaub und Stickstoffdioxid nicht überschritten worden, heißt es. Mobile Messgeräte seien selten im Einsatz.

Im April 2018 könnten Ergebnisse der Berechnung vorliegen

Doch vor dem Hintergrund der Diskussion über Diesel-Fahrverbote wächst der Druck, mehr Fakten auf den Tisch zu bekommen. Unterhaching plant 2018 eine Schadstoffmessung für Stickstoffdioxid und Feinstaub mit zehn Messpunkten im Gemeindegebiet, um auch Argumente für ein Tempolimit auf der A 995 in die Hand zu bekommen. Unabhängig davon hat der Landkreis das LfU soeben gebeten, den Ausstoß von Stickstoffdioxid in allen Kommunen zu berechnen. Derzeit stellt das Amt Daten zu Verkehrsdichte, Schwerverkehr und Abmessungen von Straßen und Gebäuden zusammen. Denn letzteres ist entscheidend, wenn es um die Luftqualität geht. Und es ist das, was abgesehen von der Verkehrsdichte die meisten Straßen im Landkreis von der Landshuter Allee in München unterscheidet.

Im April 2018 könnten bereits Ergebnisse der Berechnung vorliegen. Auf die ist Werner Zittel aus Haar gespannt. Er arbeitet bei der Ludwig-Bölkow-Systemtechnik GmbH, einem Beratungsunternehmen für nachhaltige Energie und Mobilität. Er verfasst Fachbücher zum Thema und bringt sich als Fachbeirat am Ökologischen Bildungszentrum München in die Verkehrswende-Debatte ein. Bei der Kampagne "Muc ohne Mief" ist er eine treibende Kraft. Er findet es gut, dass jetzt flächendeckend Werte berechnet werden. Das sei "besser als nichts", sagt er, bemängelt aber, dass in München und in den Gemeinden um die Stadt herum Messstationen fehlten. Je nachdem, wie dicht befahren und wie eng eine Straße sei, sagt er, könne an gewissen Orten auch im Umland die Belastung hoch oder sehr hoch sein. Könnten Grenzwerte überschritten werden? "Ich will das nicht ausschließen", sagt Zittel. Man wisse es einfach nicht genau.

Die Passivsammler-Methode ist anerkannt

Die Tatsache, dass in München nur fünf offizielle Messstellen existieren, bot Zittel im Jahr 2016 den Anlass, in seiner Funktion als Vorstand der Ludwig-Bölkow-Stiftung in Ottobrunn in einer Untersuchung zu zeigen, wie mit einfachen Sammelröhrchen die Stickstoffdioxidbelastung an einem Ort gemessen werden kann. Beim Saltzman-Verfahren wirkt die Probenluft auf eine Reaktionslösung ein. Nach einem bestimmten Zeitraum wird das Röhrchen geschlossen und an ein Labor geschickt, das relativ günstig, wie Zittel versichert, Ergebnisse liefert. 2016 probierte Zittel das an zehn Standorten in München und an seinem Wohnsitz an der Rechnerstraße in Haar aus und kam zu repräsentativen Ergebnissen. Es folgten Messungen an 50 Orten in München mit Röhrchen, die an Häusern oder Gartenzäunen befestigt wurden.

Mit unter 20 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft blieb der mit dem Passivsammler an der Rechnerstraße in Haar ermittelte Wert unter dem in Deutschland gültigen Jahresmittel von 40 Mikrogramm. Zittel hat das angesichts der Verkehrssituation bei sich vor der Tür - relativ weit von der Wasserburger Straße und der A 99 entfernt - erwartet. Doch die 50 Messungen in München, bei denen auch Ausfallstraßen am Stadtrand in Feldmoching, Moosach, Giesing und Obermenzing betrachtet wurden, zeigten, dass dort die Konzentration teilweise über 40 Mikrogramm liegt. Und da spricht Zittel von einem durchaus überraschenden Befund, der darauf hindeute, dass es sich um ein flächendeckendes Problem handle. Die Passivsammler-Methode ist gemäß Bundesimmissionsschutzverordnung als orientierende Messung anerkannt.

Garching fordert Mautbefreiung auf der A99

Dass unabhängig von konkret nachgewiesenen Grenzwert-Überschreitungen auch im Landkreis München Handlungsbedarf beim Straßenverkehr besteht, ist mittlerweile unbestritten. Die Stadt München bezog bei der dritten Fortschreibung ihres Luftreinhalteplans im Jahr 2012 die Kommunen aus sieben benachbarten Landkreisen ein. Münchens Problem sind die vielen Autofahrer, die in die Stadt strömen. Auch sonst gibt es viele Zusammenhänge. Die Gemeinden gaben 2012 viele Anregungen, was verbessert werden könnte. Aschheim forderte etwa ein Tempo-Limit auf der A 99 und eine Sperrung von Aschheim und Dornach für den überörtlichen Verkehr. Viele Gemeinden plädierten wie Garching für eine Mautbefreiung auf der A 99. Und Unterhaching pochte wie viele andere vor fünf Jahren auf den Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs.

Das passiert mittlerweile. Und dabei soll auch der Umstieg auf Busse mit saubereren Motoren oder Elektroantrieb gelingen. Nach einem Test von Hybridbussen auf drei Linien verabschiedet sich der Landkreis aber wohl von dieser Technik. Eine Weiterfinanzierung eines Hybridbusses auf der Linie 220 scheiterte an der Weigerung der Münchner Verkehrgesellschaft (MVG), die Mehrkosten von 300 000 Euro im Jahr für ihren Streckenanteil mitzufinanzieren, weil neue Busse der Euro-6-Norm mittlerweile 80 Prozent weniger Stockstoffdioxid als die Vorgängerbusse ausschieden. Von Dezember 2019 an soll auf der Linie 232 ein Elektrobus fahren. Ein Konzept zum Einsatz von Elektrobussen ist in Arbeit. Vertiefende Studien laufen für die Linien 225, 227, 261 und 290.

© SZ vom 04.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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