Fachkräfte im MINT-Bereich:Selbst ist die Frau

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Angeleitet von mehreren Fachfrauen durften zwei Schülerinnen beim Girls' Day des Gabelstapler-Herstellers Crown in Feldkirchen selbst einige der Fahrzeuge testen. (Foto: Claus Schunk)

Mehr als 900 Schülerinnen probieren beim Girls' Day im Landkreis Berufe aus. Vom Staplerfahren bis zum Rundgang mit VR-Brillen ist alles dabei

Von Anna-Maria Salmen, Feldkirchen

Die Füße fest auf die Standfläche, eine kleine Handbewegung, und schon rollt das kleine Fahrzeug mit überraschender Geschwindigkeit los. Auf zwei separaten Plattformen kann der Fahrer sowohl sich selbst als auch seine Ladung anheben, um auch in großen Höhen sicher Regale einräumen zu können. Dass Gabelstapler-Fahren durchaus Spaß machen kann, haben zwei Siebtklässlerinnen beim Girl's Day in der Europazentrale der Firma Crown in Feldkirchen festgestellt.

Seit 2001 öffnen Unternehmen und Hochschulen in ganz Deutschland einen Tag lang ihre Türen, um Mädchen einen Einblick in technische Berufe zu ermöglichen - Fachbereiche, in denen bislang überwiegend Männer vertreten, Frauen aber sehr gefragt sind. Im gesamten Landkreis haben heuer beinahe 70 Betriebe teilgenommen, unter anderem Airbus, Linde, Bosch, Infineon und die Schreiner Group. Sie boten Plätze für mehr als 900 Schülerinnen an, damit diese hinter die Kulissen blicken konnten. Crown in Feldkirchen war bereits im vergangenen Jahr mit zahlreichen Aktionen beim Girl's Day dabei. Eine der damaligen Teilnehmerinnen hat im Anschluss sogar ein Praktikum im Betrieb absolviert, wie Personalreferentin Lisa Finken erzählte. "Der Girl's Day ist eine gute Plattform, um unser Unternehmen, aber auch technische Berufe allgemein bekannt zu machen", sagte Finken. Der Anteil der Frauen in technischen Studiengängen steige zwar, dennoch herrsche derzeit ein enormer Mangel an Fachkräften im MINT-Bereich. "Wir suchen gerade in technischen und techniknahen Bereichen nach qualifiziertem Nachwuchs. Der Girl's Day bietet uns die Möglichkeit, zu zeigen, wie spannend unsere Arbeit ist", so René Konzak, Manager im Bereich Test und Compliance.

Und das können den Mädchen am besten Frauen zeigen, die selbst in den besagten Berufen bei Crown tätig sind. So erzählten heuer mehrere Mitarbeiterinnen aus der Entwicklung, der Konstruktion sowie der IT den Teilnehmerinnen von ihrer Arbeit, aber auch davon, wie ihre Leidenschaft für Technik entstanden ist. Dabei wurde klar: Der Weg ist nicht immer geradlinig, oft kann man über verschiedene Stationen zum Traumberuf gelangen. Mit ihren aktuellen Tätigkeiten sind die Frauen nach eigenen Aussagen zufrieden. Etwas mit den eigenen Händen aufbauen und sehen, wie ein Produkt Stück für Stück entsteht - das übt eine große Faszination auf sie aus, wie sie sagten. Die Mitarbeiterinnen legten den Schülerinnen daher ans Herz, sich schon früh mit Technik zu beschäftigen und so möglicherweise die eigene Leidenschaft zu entdecken.

Anhand verschiedener Aktionen bewiesen die Angestellten, wie interessant ihre täglichen Aufgaben sein können. Konstrukteurinnen beispielsweise müssen häufig Probleme lösen. Sie stellten daher die Teilnehmerinnen vor die Frage: Wie kann ein Gabelstapler seine Ladung an das Ziel bringen, wenn ein Berg den Weg versperrt? Gemeinsam erarbeiteten die Schülerinnen Lösungsmöglichkeiten. Man könnte etwa den Berg umfahren, oder dem Stapler Flügel anschrauben. Schnell zeigte sich jedoch: Die effektivste Variante ist ein Tunnel, der zielstrebig auf die andere Seite führt. Bevor ein solcher tatsächlich gebaut werden kann, müssen zunächst Skizzen angefertigt werden. Die Konstrukteurinnen nutzen dafür ein Computerprogramm, mit dem sie die nötigen Bestandteile bis ins kleinste Detail abbilden können. Schritt für Schritt erarbeiteten sie so mit den Mädchen einen Plan für den Tunnel. Um diesen auf Fehler überprüfen zu können, wählten die Mitarbeiterinnen eine anschauliche Methode: Eine Brille versetzte die Schülerinnen in eine virtuelle Realität, in der sie ein lebensgroßes Modell des Tunnels sahen. Voller Begeisterung spazierten die Mädchen durch das Gebilde, schoben Türen auf und konnten sogar durch die Wände laufen. Für sie bildete der virtuelle Rundgang den Höhepunkt des Tages. "Das macht richtig Spaß", sagte eine der Teilnehmerinnen, während sie sich lachend und mit Brille durch den Raum tastete.

Zur Teilnahme am Girl's Day haben sich die Mädchen aus Interesse entschieden. Sie habe vor Kurzem ihr Handy selbst repariert, erzählte eine Schülerin stolz. Davon abgesehen hätten beide bislang eher wenig Bezug zu Technik gehabt, wie sie sagten. Nach dem Tag beim Gabelstapler-Hersteller können sie sich jedoch vorstellen, später einmal tatsächlich einen technischen Beruf zu ergreifen. Die Mitarbeiterinnen von Crown würden die Mädchen jedenfalls gerne eines Tages im Betrieb begrüßen, sagten sie.

© SZ vom 29.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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