Evangelische Gemeinde:"Der Kindheitsglaube hielt bei mir nicht durch"

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Der Kindheitsglaube habe bei ihm nicht durchgehalten, als Jugendlicher habe er begonnen, Religion kritisch zu hinterfragen, erinnert sich der heute 35 Jahre alte Theologe Julian Hensold. (Foto: Claus Schunk)

Julian Hensold, neuer Vikar in Höhenkirchen, will Religion für den Nachwuchs verständlicher machen. Beim Thema Missbrauch wünscht sich der Theologe eine gesellschaftliche Debatte und eine stärkere Thematisierung in der protestantischen Kirche

Von Anna Majid, Höhenkirchen-Siegertsbrunn

35 Jahre ist es her, dass die evangelische Gemeinde Höhenkirchen das letzte Mal einen jungen Theologen zum Pfarrer ausgebildet hat. Nun gibt es einen neuen Vikar: 35 Jahre ist er alt und heißt Julian Hensold. Am Sonntag stellt er sich der Gemeinde vor und wird zweieinhalb Jahre lang in die verschiedenen Aufgabenbereiche des Pfarrberufs hineinschnuppern.

Doch was bewegt einen jungen Menschen heutzutage dazu, diesen Berufsweg einzuschlagen? Bei ihm sei es die "religiöse Sozialisation" in der Jugend gewesen, sagt Hensold. Er ist in Donauwörth als Sohn zweier Kirchenmusiker aufgewachsen, Religion war also ein präsentes Thema. "Der Kindheitsglaube hielt bei mir nicht durch", gibt Hensold aber zu. Als Jugendlicher habe er angefangen, Religion kritisch zu hinterfragen und doch habe sie ihn nicht losgelassen.

Nach dem Abitur folgte der Zivildienst in einem Krankenhaus. Er habe einige, auch sterbende, Menschen begleitet. Und die Gespräche mit ihnen hätten ihn geprägt, sagt Hensold. Er habe dadurch die Chance gehabt, das "Grundmenschliche" in jedem zu sehen, ganz egal, welchen Hintergrund die Personen hatten. Und er spürte die Notwendigkeit von Menschen, die für andere da sind. Heute beschreibt er dies als "spirituelle" Erfahrung, die ihn dazu bewogen habe, Theologie an der Humboldt - Universität in Berlin zu studieren.

Es war ein "kleines Pokerspiel", als er 2009 an die Universität Heidelberg wechselte, um im Rahmen eines Stipendiums zwei Semester an der amerikanischen Eliteuniversität Yale zu studieren. Letztlich bekam er einen der zwei Plätze. Das Auslandsjahr habe ihn "in vielerlei Hinsicht geprägt", sagt Hensold. Durch das "intensive Lernen", bei dem innerhalb einer Woche oft ganze Bücher gelesen werden müssen, habe er erst gemerkt, was alles "schaffbar" ist. Außerdem habe er in Yale seine Frau kennengelernt. Nach dem Ersten Theologischen Examen promovierte Hensold nun wieder in Berlin. Von der Metropole ging es dann ins Münchner Umland.

Seit Ende Februar wohnt er in Höhenkirchen, seine Frau musste berufsbedingt in Berlin bleiben, es sei aber geplant, dass sie im nächsten Jahr nachkomme. Hensolds erster Eindruck der Gemeinde ist sehr positiv: "Ich genieße es, noch mal in einer Kleinstadt zu sein", sagt Hensold. Und falls mal Sehnsucht nach etwas Größerem aufkäme, sei München "ja immer noch um die Ecke". Bisher habe er "unglaublich freundliche Leute kennengelernt", unter anderen seinen Mentor, Pfarrer Thomas Lotz, und den Kirchenvorstand.

Während des Vikariats werde er immer wieder Seminare zu verschiedenen Themen im Nürnberger Predigerseminar besuchen. Das Modell ähnelt dem eines dualen Studiums. Anders als in der katholischen Kirche, werde man hier nicht auf das Thema Missbrauch vorbereitet. Hensold wünscht sich eine "gesamtgesellschaftliche Debatte" und dass Missbrauch auch in der evangelischen Kirche mehr thematisiert werde.

In die Gemeinde möchte er die Erkenntnisse seiner theologischen Forschungsarbeit einbringen und Religion vor allem für Jugendliche wieder verständlich machen. Man müsse sie "zu Wort kommen lassen, statt dogmatisch auf vorgegebene Themen zu gehen", sagt der Theologe. Das möchte er im Religions- und Konfirmationsunterricht ausprobieren. Ab nächster Woche wird er am Ottobrunner Gymnasium und ab Mitte April an der Grundschule Brunnthal hospitieren. "Ich schaue nach vorne auf das Vikariat, mit großer Vorfreude auf die Menschen. Ich freue mich auf Begegnungen", sagt der Geistliche.

© SZ vom 30.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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