Erdwärmeversorgung:Zankapfel Geothermie

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Die Wählergruppe "Wir in Pullach" protestiert gegen Investitionen eine neue Tiefenbohrung. Die anderen Gemeinderatsfraktionen reagieren mit Unverständnis

Von Michael Morosow, Pullach

Der geothermische Kraftakt, zu dem sich die Gemeinde Pullach entschlossen hat, wird nicht mehr vom Wohlwollen aller Fraktionen begleitet. Die Wählergruppe "Wir in Pullach" (WIP) scherte im Gemeinderat aus der Reihe der Befürworter aus, als sie den Haushalt aufgrund einer im Investitionsplan 2019 vorgesehenen Finanzspritze in Höhe von 25 Millionen Euro an die gemeindeeigenen Geothermie-Gesellschaft Innovative Energie für Pullach (IEP) ablehnte. Jetzt legte Fraktionsführer Reinhard Vennekold in seiner Funktion als Vorsitzender des WIP-Vereins in einer schriftlichen Stellungnahme nach.

Das nötige Kapital für die "durchaus attraktive" Erweiterung des Geschäftsmodells der IEP dürfe nicht dem Rücklagentopf der Gemeinde entnommen, sondern sollte von privaten oder institutionellen Investoren aufgebracht werden, schreibt Vennekold. Außerdem stelle die WIP den Nutzen der Investition für die Gemeinde infrage, denn Hauptzweck einer weiteren Tiefenbohrung sei der Anschluss der Landeshauptstadt München an die Pullacher Tiefenwärme. Und mit den 25 Millionen sei es gar nicht getan, wahrscheinlich kämen auf die Gemeinde Ausgaben in dreifacher Höhe zu. "Pullacher Steuergelder aber sollten vor allem für die Pullacher Bürgerinnen und Bürger verwendet werden", schreibt Vennekold weiter und warnt dann auch noch vor den Konsequenzen der Finanzpolitik der Gemeinde: "Die Folge wird sein, dass die für uns wichtigen Projekte Schulen und Schwimmbad auf längere Zeit verschoben werden müssen." Die Bevölkerung glaubt die WIP dabei offenbar auf ihrer Seite zu haben, jedenfalls heißt es in der Erklärung abschließend: "In zahlreichen Gesprächen mit Pullacher Bürgerinnen und Bürgern gab es bisher keine einzige Stimme, die dieser 25-Millionen-Euro-Investition für die IEP befürworten. Wir haben dies verstanden und folglich den Haushalt 2019 abgelehnt."

Er spreche auch regelmäßig mit Bürgern über die Geothermie und höre nur Positives", kontert der CSU-Fraktionsvorsitzende Andreas Most, der den Vorstoß der WIP ohnehin nicht nachvollziehen kann, zumal in Stefan Demmeler ein WIP-Vertreter im Aufsichtsrat der IEP sitze. Er erwarte, dass Mitglieder des Aufsichtsrats ihre Fraktionen verständigen, sagt Most: "Das ist alles ziemlich daneben." Die Investitionen seien in jedem Fall nutzbringend für die Gemeinde. Und Holger Ptacek (SPD) stellt klar: "Es gibt keinen Zusammenhang zwischen den 25 Millionen Euro und den Bauvorhaben der Gemeinde, das sind vorgeschobene Argumente." Auch Bürgermeisterin Susanna Tausendfreund (Grüne) widerspricht den Behauptungen der WIP, Pullach würde Steuergeld dazu verwenden, damit München einen Geothermie-Anschluss bekomme. Eine vierte Bohrung diene zur Absicherung des eigenen Netzes und führe zu einer annähernd hundertprozentigen Redundanz. "Wir brauchen dazu dann kein Öl mehr."

Die Diskussionen über einen Ausbau der Pullacher Geothermie-Anlage nehmen an Intensität zu, seit erste Ergebnisse der sogenannten Seismikkampagne auf einem 103 Quadratkilometer großen Areal vorliegen, die sich die IEP Pullach, die Erdwärme Grünwald (EWG) und die Stadtwerke München 2,5 Millionen Euro kosten ließen. Die geologischen Daten geben zu großer Hoffnung Anlass. Möglicherweise stehe man vor einem Schritt in Richtung größter Geothermie-Anlage in Deutschland, sagte IEP-Geschäftsführer Helmut Mangold.

Weitere Bohrungen auf dem gemeindeeigenen Claim hätten den Charme, dass mit der zusätzlichen Energiemenge nicht nur das Pullacher Fernwärmenetz ausgebaut, sondern damit auch erkleckliche Einnahmen generiert werden könnten, denn eine Abnehmerin überschüssiger Wärme wartet bereits hinter der Gemeindegrenze, die Stadtwerke München (SWM). Sie wollen bekanntlich bis zum Jahr 2025 den gesamten Münchner Wärmebedarf regenerativ decken, da käme eine Wärmeeinspeisung aus Pullach recht. Man wolle aber nicht einfach nur lieb zu München sein, sagt Bürgermeisterin Susanna Tausendfreund, sie betont: "Wir bekommen gutes Geld dafür."

© SZ vom 11.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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