Einkaufszentrum Unterschleißheim:Ladensterben in bester Lage

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Seit Jahren schließt ein Geschäft nach dem anderen im Unterschleißheimer Isar-Amper-Einkaufszentrum. Nun zieht offenbar noch der Supermarkt aus. Derweil hat ein Grünwalder Investor bereits 80 Prozent der Flächen übernommen. Die Zukunft ist ungewiss.

Von Alexandra Vettori, Unterschleißheim

Dem Vernehmen nach soll nun auch noch Edeka den Mietvertrag nicht verlängert haben. Damit wird der Supermarkt als letzter Magnet im lange schon siechenden Isar-Amper-Einkaufszentrum (IAZ) in Unterschleißheim bald verschwinden. Das dürfte dann der Todesstoß sein. Seit Jahren schließt ein Laden nach dem anderen, dabei liegt das Zentrum in bester Lage, zwischen Unterschleißheimer Bahnhof und Rathausplatz.

Oben, im ersten Stock, herrscht fast überall schon gähnende Lehre. Erneut gibt es einem neuen Investor, der wieder einmal versucht, alle Flächen aufzukaufen. Fast hat es der Immobilienentwickler Rock Capital Group aus Grünwald jetzt geschafft, gut 80 Prozent der Läden und Wohnungen sind in seinem Besitz. Am Rest aber, so scheint es, beißen sich auch die Grünwalder die Zähne aus.

Ein Plakat kündigt die Eröffnung eines Swingerclubs an - ein Scherz

Im ersten Stock des Zentrums kleben an den Schaufensterscheiben noch Plakate vom "Krieger des Lichts", auf einem wird die baldige Eröffnung eines Swingerklubs angekündigt. Diese Ankündigung war ein Scherz, Interessierte warten schon lange vergebens. Was die lähmende Stille nicht verrät: Seit Monaten spielt sich hinter den bröckelnden Kulissen des Einkaufszentrums der immer wiederkehrende alte Kampf ab. Nun führt ihn der Grünwalder Immobilienentwickler. Zehn Einheiten fehlen noch, schätzt Maria Greindl, die Inhaberin des gleichnamigen Buchladens in der Passage. Sie ist eine von denen, die immer noch nicht verkauft hat, und sie ist verärgert. "Wir werden immer so hingestellt, als wollten wir alles blockieren und seien für den Niedergang des IAZ verantwortlich. Fakt ist, dass Rock Capital uns kein vernünftiges Angebot gemacht hat." Greindl ist, wie beispielsweise der Inhaber des Fotogeschäfts am anderen Ende des Einkaufszentrum, abhängig vom Standort.

"Dieser Laden ernährt eine Familie", sagt sie. Seit elf Jahren führt sie den Buchladen, tut das erfolgreich, hat sich einen treuen Kundenstamm geschaffen. Für das, was sie beim Verkauf bekäme, könnte sie sich keinen anderen Laden in ähnlicher Lage kaufen. "Auch wenn das Einkaufszentrum heruntergekommen ist, es ist eine Eins-a-Lage. Ich sehe es einfach nicht ein, dass ich mich hier zehn Jahre lang abgeschuftet habe, den Laden jetzt für einen Appel und ein Ei hergebe und andere damit reich werden."

Das Eiscafe Adria wünscht sich Laufkundschaft

Anna Tilli im Eiscafé Adria, dem zumindest Stammkunden noch immer die Treue halten, hofft auf eine Sanierung des Isar-Amper-Zentrums. Das Café gehört ihrem Bruder Michele, man hält sich über Wasser, "aber wir hätten schon gerne auch Laufleute. Doch die kommen nur, wenn hier mehr Läden sind", sagt sie. Was sie tun will, wenn abgerissen wird? Anna Tilli zuckt mit den Schultern.

Als das Einkaufszentrum 1983 eröffnet wurde, war es auf der Höhe der Zeit. Weit mehr als hundert Anteilseigener, zusammengefasst in Immobiliengesellschaften und Eigentümergemeinschaften, hatten in das IAZ, seine Läden, Wohnungen und Arztpraxen investiert. Doch die Organisationsstruktur mit nötigen einstimmigen Beschlüssen rächte sich bald. Als Sanierungen anstanden, konnten sich viele Besitzer nicht zur Bereitstellung neuer Gelder durchringen, zu einem Verkauf, wie es die Nürnberger Immobilienverwaltungsgesellschaft Terraplan anstrebte, aber auch nicht. Von einer "irren Konstruktion" sprach Volker Roßnagel, früherer Seniorchef von Terraplan, einmal, nachdem er drei Jahre lang versucht hatte, alle Eigentümer zum Verkauf zu bewegen.

Die Sanierungsunwilligen setzten sich fatalerweise vor Jahren durch

Vor allem jene, die ihre eigenen Läden und Arztpraxen im IAZ betreiben, fürchteten schon damals massive Umsatzausfälle während der Abriss- und Umbauphase. So setzte sich vor zwei Jahren dann eine Fraktion von Sanierungswilligen durch, die es ohne Investor schaffen wollte. Doch auch diese scheiterte daran, genügend Geld von den Eigentümern einzusammeln.

Als im vergangenen Jahr die Rock Capital Group auftrat, schien die Sache ins Rollen zu kommen, viele verkauften. Doch was genau die Firma mit dem Zentrum vorhat, darüber hüllt sich Geschäftsführer Christian Lealahabumrung in Schweigen. Es sei noch nichts spruchreif.

Auch im Unterschleißheimer Rathaus sagt man nichts, niemand will die heiße Aufkauf-Phase stören. Dass die Stadt aber hinter fast jedem Plan steht, der eine Wiederbelebung des Einkaufszentrums verspricht, hat sie schon im Jahr 2013 beweisen. Damals stimmte der Stadtrat dem Antrag eines Investors zu, der immerhin eine Verdoppelung der Ladenflächen auf bis zu 20 000 Quadratmeter vorsah. Dann aber sprang auch dieser Investor ab, das IAZ blieb im Dornröschenschlaf.

Apotheker Robert Müller ist das hin und her nach langen Jahren leid

Bei den damaligen Plänen wäre auch Apotheker Robert Müller mit im Boot gewesen, der die Vorgänge im IAZ vom anderen Ende des Rathausplatzes aus beobachtet. Der Inhaber der Unterschleißheimer Rathausapotheke hat vor Jahren das alte Postgebäude gekauft, das sich direkt neben dem IAZ befindet. Er hätte gemeinsam mit dem Beinahe-Investor 2013 ein neues Einkaufszentrum gebaut, auf beiden Grundstücken.

Seither wartet Robert Müller mit seinem Postgebäude darauf, dass im IAZ etwas passiert. Mittlerweile hat er die Hoffnung fast aufgegeben, er denkt an einen Neubau mit betreuten Wohnungen oder, sagt er mit Bitternis, "ich reiße ich alles ab und stelle eine Schafherde hin, bis meine Kinder dann irgendetwas damit machen".

© SZ vom 07.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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