Ein Jahr nach der Wahl:Die Grünen lassen die Muskeln spielen

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In Ismaning setzt der wiedergewählte SPD-Bürgermeister Alexander Greulich weiterhin auf den Konsens aller Gemeinderatsfraktionen. Nur eine fällt durch ihr neues Selbstbewusstsein auf

Von Sabine Wejsada, Ismaning

Mit einem solch deutlichen Votum haben die wenigsten in Ismaning gerechnet, wohl auch der Gewinner nicht. Als am Abend des 15. März 2020 ausgezählt ist, da stehen hinter dem Namen von Alexander Greulich 66,7 Prozent. Der Amtsinhaber von der SPD hat bei der Bürgermeisterwahl einen satten Sieg eingefahren und seine beiden Konkurrenten klar auf die Plätze verwiesen. Annette Reiter-Schumann (CSU) musste sich mit 17,9 Prozent der Stimmen begnügen, Max Kraus von der Freien Wählergemeinschaft kam auf 15,5 Prozent.

"So eine Wahl ist wie ein Zeugnis", sagte Greulich damals und freute sich über die guten Noten für sich und die SPD-Fraktion "die vieles angestoßen und angepackt hat in der vergangenen Amtsperiode". Wie in den meisten Kommunalparlamenten im Landkreis haben die Sozialdemokraten in Ismaning bei der Wahl allerdings Federn lassen müssen. Nicht so deutlich wie andernorts, aber einen Sitz haben sie verloren. Sie stellen mit sieben Mandaten weiterhin die größte Fraktion, gefolgt von der CSU und den Freien Wählern mit je sechs Sitzen. Ismaning ist also rot geblieben - mit dem Bürgermeister und seiner starken Fraktion.

Greulich aber braucht für die Fortsetzung seiner Arbeit weiterhin die Zustimmung aus den anderen Fraktionen. Wie schon in der vergangenen Amtszeit, die meist von Konsens und Kollegialität geprägt gewesen ist. Im ersten Jahr der neuen Sitzungsperiode hat das nach übereinstimmender Meinung der Protagonisten ganz gut geklappt, obwohl sich nach der Wahl die Verhältnisse durch den großen Erfolg der Grünen verändert haben. Die Partei hat die Sitze um hundert Prozent steigern können und ist seit Mai 2020 mit vier Mitgliedern vertreten; auch FDP-Mann Raphael Karlisch hat den Einzug in das Gremium geschafft. Er hat sich mit der CSU zu einer Fraktionsgemeinschaf zusammengetan und dies nach eigenen Worten nicht bereut. Die SPD und die Freien Wähler haben in Ismaning derzeit die größte Schnittmenge, was sich bereits mehrere Male in gemeinsamen Anträgen ergossen hat. Und die Grünen? Sie sind nicht wirklich festgelegt, stimmen mal da mit, dann dort und machen ihr Ding, wenn es denn sein muss.

Im Großen und Ganzen geht es im Ismaninger Gemeinderat nach der Neuverteilung der Sitze jedoch weiterhin kollegial zu und freundlich. Zu groß sind die Herausforderungen der Pandemie: sinkende Gewerbesteuereinnahmen, Mehrausgaben durch eine Verteuerung der Bauleistungen, Übernahme von Staatsaufgaben wie Digitalisierung und Gesundheitsschutz. Und die Agenda in Ismaning ist lang: dritte Grundschule, Erweiterung des Gymnasiums, Neubau von seniorengerechten Wohnungen, Anstrengungen in Sachen Klimaschutz und Nachhaltigkeit.

Corona hat sich allerdings nicht nur auf die inhaltliche Arbeit im Lokalparlament ausgewirkt. Auch das übliche Zusammenkommen über die offiziellen Termine hinaus ist bislang nicht möglich gewesen. "Früher konnte man nach der Sitzung noch auf ein Bier gehen, das war manchmal sehr hilfreich", erinnert sich der Rathauschef. Auch Ortsbesichtigungen oder Fahrten seien immer eine Gelegenheit zum persönlichen Austausch gewesen - "auch mit jenen, mit denen man vielleicht zu Beginn ein bisschen gefremdelt hat", so Greulich.

Dass genau solche zwanglosen Treffen fehlen, bestätigt Johanna Hagn, Fraktionsvorsitzende der SPD im Gemeinderat. Auch ein Jahr nach der ersten Sitzung empfinde sie den Gemeinderat als "nicht so homogen" wie früher. Einen Eindruck aber teilt sie mit dem Bürgermeister: Die Grünen hätten durch ihren Wahlerfolg "dicke Muskeln" bekommen - und wollten diese so manches Mal auch spielen lassen. "Das Erstarken merkt man schon", sagt Hagn. Dennoch sieht die SPD-Fraktionssprecherin "keine richtigen Blöcke". Das sei gut so, denn so etwas passe nicht zur Kommunalpolitik, und schon gleich gar nicht zu Ismaning. "Die Bürger erwarteten eine "gescheite Politik".

Dass eine solche ganz oben auf der Agenda aller Protagonisten steht, darin ist sich CSU-Fraktionsvorsitzender Peter Aurnhammer sicher. Auch er beklagt, dass durch Corona vieles verloren gegangen sei, was den Austausch zwischen den Parteien angehe, aber auch unter den eigenen Leuten. Die CSU hat sich mit einer Whatsapp-Gruppe beholfen, in der bei Beratungen schnell Nachrichten hin- und hergeschickt werden können, wenn es Fragen gibt.

Grünen-Fraktionssprecherin Irene Holler nennt findet die Stimmungslage im Gemeinderat "traditionell ganz in Ordnung". Es gebe keine Feindschaften unter den Hauptdarstellern, "es ist immer einer Kommunikation da", sagt sie. Auch ihr ist aber aufgefallen, dass die Grünen "zu viert anders wahrgenommen werden". Ihre Fraktion habe sich etwas vorgenommen, sagt Holler: "Wir gehen stramm noch vorne, stellen Anträge." Dass dies nicht von allen mit "so viel Wohlwollen" wahrgenommen werde, könne man nicht ändern. "Wir kuscheln mit keiner Partei", gibt Holler als Motto der vergangenen zwölf Monate aus, "aber wir arbeiten gerne mit allen Fraktionen zusammen".

Wie sehr die Arbeit durch Corona geprägt war, zeigte sich schon in konstituierende Sitzung am 7. Mai 2020: Einlass nur mit Maske, weit auseinander stehende Tische und eine Vereidigung der neuen Mitglieder auf Abstand. Dennoch fällt das Fazit des neuen Zweiten Bürgermeisters Max Kraus positiv aus: "Ein sehr schöner Job ist das", sagt er, auch wenn durch die Krise vieles gar nicht möglich gewesen sei. Keine Vereinsveranstaltungen, keine Feste, keine Weihnachtsfeiern - und wenn, dann nur digital. Genau wie alle anderen hofft Kraus auf bessere Zeiten.

Bis dahin haben der Rathauschef, seine Verwaltung und der Gemeinderat viel zu tun. Im besten Fall gelingt das im Einvernehmen und "ohne Farbenlehre", wie Greulich sagt. Auch wenn man beim Ringen um die beste Lösung für die Ismaninger unterschiedlicher Meinung sein kann.

© SZ vom 28.05.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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