Ehrenamtliches Engagement:Der Unterhachinger Radldoktor

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1000 Fahrräder schon repariert: Die runde Zahl und das kleine Jubiläum nahm Grünen-Politikerin Katharina Schulze (vorne) zum Anlass, bei Gottfried Kowalewski vorbeizuschauen. So gehe "nachhaltige Mobilität", sagte sie. (Foto: Claus Schunk)

Gottfried Kowalewski steht in seiner Fahrrad-Ambulanz bereit, sobald die Kette reißt oder die Reifen Luft verlieren. Der gelernte Werkzeugmacher und studierte Ingenieur ist vom Fach. Mit seiner Arbeit hilft er vielen und leistet aktiven Klimaschutz

Von Iris Hilberth, Unterhaching

Vor dem Unterhachinger Rathaus steht seit einiger Zeit ein weißer Kasten. Es ist eine Do-it-yourself-Station, falls das Radl Probleme bereitet. Es gibt eine Luftpumpe für drei Ventiltypen, verschiedene Werkzeuge und einen Montageständer. Hilfreiche Tipps erhält man per Video über den QR-Code auf der Säule. Doch ist nicht jeder, der Rad fährt, auch so firm, dass er sein Fahrzeug mit ein paar Handgriffen selbst wieder fahrtüchtig macht. Selbst wenn er sich vorher einen Film dazu anschaut. Hilfe gibt es einmal in der Woche hundert Meter entfernt. Vor dem "Treffpunkt" der lokalen Agenda im Hofmarkweg übernimmt Fahrrad-Experte Gottfried Kowalewski kostenlos kleine Reparaturen. Seine Radl-Ambulanz gibt es seit fünf Jahren, kürzlich hat er dort das tausendste Rad wieder flott gemacht.

Auch an diesem Donnerstagvormittag stehen einige Räder bereit, die Kowalewski noch auf den Reparaturständer hieven muss. Hier eine kaputte Kette, dort schleifende Bremsen, ein quietschendes Tretlager oder ein platter Reifen. Für den Unterhachinger Radldoktor alles kein Problem. "Die meisten Reparaturen dauern höchstens zehn Minuten", sagt er. Der Mann ist ein ausgewiesener Spezialist, was solche Dinge angebelangt. Er hat einst den Beruf des Werkzeugmachers gelernt, dann studiert und als Diplom-Ingenieur gearbeitet. Eine defekte Fahrradschaltung oder ein kaputter Bremshebel sind für ihn Kleinigkeiten.

Kowalewski will mit seinem Engagement dem Wegwerf-Trend entgegenwirken. "Mit ein paar Stunden Arbeit sind alte Räder oft wieder in einen sehr guten Zustand zu bringen. Warum also immer gleich - an sich gute Qualität - entsorgen und etwas Neues kaufen?", hat er sich gefragt. Katharina Schulze, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Landtag, die Kowalewski anlässlich dieses kleinen Jubiläums einen Besuch abstattet, ist beeindruckt: "So geht nachhaltige Beschaffung, nachhaltiges Handeln und nachhaltige Mobilität vor Ort", lobt sie. Der Radldoktor hat ausgerechnet: "Wenn diese 1000 Räder noch weitere 100 Kilometer gefahren werden, also 100 000 Kilometer insgesamt, dann sind auch das wieder 15 Tonnen CO₂-Ersparnis."

Angefangen mit der ehrenamtlichen Rad-Reparatur hat Kowalewski vor fünf Jahren. Damals war er zunächst für die gespendeten Räder für Asylbewerber zuständig. Der Landkreis hatte den Service damals gefördert. Doch immer wieder baten ihn auch andere Radfahrer aus Unterhaching um Hilfe, "insbesondere ältere Damen, die niemanden haben, der ihnen das Rad repariert", sagt Kowalewski. Er weiß auch, dass Radhändler ungern Reparaturen an alten Rädern durchführen. Sie sind zeitintensiv und bringen wenig Umsatz. Für die Kunden wird das oft zu teuer.

So hat er begonnen, seinen Service jeden Donnerstag zwischen zehn und zwölf im Ortszentrum anzubieten. Zunächst war er jedes Mal mit seinem Werkzeugkoffer angereist, inzwischen hat er einen Kellerraum im Treffpunkt, in demer seine Sachen lagern kann. Mittlerweile hat er durch Spenden sogar einen professionellen Kompressor anschaffen können, um die Räder aufzupumpen. Das spart Kraft und Zeit. Kowalewski pumpt oft und viel. Manchmal ist Luft sogar das Einzige, was einem alten Seniorenrad fehlt, damit es viele weitere Kilometer rollen kann.

Zahlen müssen seine Kunden nur die Ersatzteile, sollte etwas gekauft werden müssen. Manchmal bekommt er Spenden, um Material zu kaufen, auch mal einen selbst gebackenen Kuchen als Dankeschön. Viele Ersatzteile besorgt er sich zweimal im Jahr bei der Stadt München. Die verschrottet alte Räder, die an den Bahnhöfen vor sich hingammeln, weil keiner sie mehr abholt. Ist deren Aufbewahrungsfrist abgelaufen, können ehrenamtliche Organisationen abschrauben, was sie noch brauchen können. Kowalewski hat dort schon viele Ersatzteile gefunden, die es so gar nicht mehr zu kaufen gibt. "Dadurch konnte ich mir ein Ersatzteillager aufbauen, was für meine Ambulanz sehr wertvoll ist", sagt er.

Sein eigenes Fahrrad habe er übrigens noch nie reparieren müssen, sagt er. Dabei fährt Kowalewski wirklich viel und weit. 60 000 Kilometer hat er mit seinem "Weltradl" schon zurückgelegt, seine weiteste Tour führte ihn bis ans Nordkap.

Unterhachinger Radlambulanz am Treffpunkt, Hofmarkweg 12, donnerstags 10-12 Uhr.

© SZ vom 21.08.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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