E-Mobilität:Gut geplante Aufladestopps und bloß kein Gasfuß

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70 Teams haben in strombetriebenen Gefährten beim E-Cannonball die 550 Kilometer lange Strecke von Berlin nach Unterschleißheim bewältigt. Um zeitig und umweltschonend ins Ziel zu kommen, ist Balance gefragt: Zügig fahren und das eigene Auto kennen

Von Anna-Maria Salmen, Unterschleißheim

Nicht erst seit einige Autohersteller verkünden, in nicht allzu ferner Zukunft keine Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor mehr herstellen zu wollen, wird die Elektromobilität immer beliebter. Doch noch immer sind viele skeptisch: Sind E-Autos alltagstauglich, kann man mit ihnen auch größere Strecken ohne Verzögerung durch das nötige Aufladen zurücklegen? Dass das funktioniert, haben 70 Teams beim E-Cannonball am Wochenende bewiesen. Die gut 550 Kilometer lange Fahrt von Berlin nach Unterschleißheim bewältigten sie ohne Probleme, egal ob im Tesla oder im elektrischen Opel.

Zeigen, dass E-Mobilität praktikabel ist - das ist das Ziel der Rallye, die heuer bereits zum vierten Mal stattfand. Was vor drei Jahren als Herausforderung zwischen zwei E-Auto-Freunden begann, ist mit der Zeit zu einem Treffpunkt für Enthusiasten geworden, wie Oliver Krüger vom Veranstalterteam erzählt. Er selbst fährt eigener Aussage nach bereits seit sechs Jahren elektrisch und konnte einen Wandel beobachten - nicht nur mit Blick auf das Interesse in der Bevölkerung, sondern auch in Bezug auf die Technik. "E-Auto-Fahren war früher mal ein Abenteuer, heute ist es das nicht mehr." Das Vorurteil, E-Autos seien nur für Kurzstrecken geeignet, ist laut Krüger unberechtigt. "Man sieht hier, dass es geht. Die Autos sind so weit, das Problem ist die Ladeinfrastruktur." Immer wieder seien Ladesäulen kaputt, würden langsamer laden als möglich oder seien schlichtweg besetzt. Das hat auch einige Teilnehmer des E-Cannonball ausgebremst.

Ein klassisches Rennen ist die Veranstaltung nicht, wie Krüger betont, denn es geht nicht um Zeit. Vielmehr benötigen die Teilnehmer eine gute Strategie, um den Sieg zu holen. Ein Punktesystem bestimmt den Gewinner, in die Wertung fließen etwa die gefahrenen Kilometer, der Verbrauch und die Zahl der Ladestopps mit ein. Sieger ist, wer die wenigsten Punkte auf dem Konto hat, also am effizientesten gefahren ist. Laut Krüger gilt es, einen Mittelweg zu finden. Zügig fahren und dabei wenig Energie verbrauchen - nur, wer sein Auto gut kenne, finde die richtige Balance. Vollgas auf der Autobahn sei aufgrund des hohen Verbrauchs wenig zielführend, mit 70 Stundenkilometern dahin zu schleichen, das sei aber auch nicht praktikabel. "Die meisten fahren ganz normal mit 120, 130 Stundenkilometern auf der Autobahn. Die sind also kein Verkehrshindernis", so Krüger.

Beinahe lautlos rollt der erste Wagen begleitet vom Jubel der Zuschauer durch die Zieleinfahrt vor dem Unterschleißheimer Infinity Hotel. Aus dem grünen Opel steigen Jan Gleitsmann und Fabian Mechtel. Für beide war es eigenen Angaben zufolge die erste Teilnahme am E-Cannonball. Auf den Sieg machen sie sich trotz der frühen Ankunft jedoch keine Hoffnungen. In den Siebzigerjahren führten die namensgebenden Cannonball-Rennen quer durch die USA, "da wurde viel getrickst", sagt Mechtel. Daran haben er und sein Teamkollege sich wohl ein Beispiel genommen: Um Zeit zu sparen, übersprangen sie einen der vorgesehenen Zwischenstopps und fuhren direkt nach Unterschleißheim, wohlwissend, dass die dafür kassierten Strafpunkte sie in der Wertung nach hinten fallen lassen. "Aber es geht ja auch um die Show, wenn man hier als Erster einfährt."

Nicht nur Autos von bekannten Marken wie Tesla, Mercedes oder Hyundai waren beim E-Cannonball am Start, auch das ein oder andere auf den ersten Blick skurril wirkende Gefährt war auf dem Parkplatz zu entdecken - etwa ein Solarauto. Das extrem flache Fahrzeug ist in den Farben gelb, blau und weiß lackiert, auf dem Dach sind Solarzellen angebracht. Bei optimalen Bedingungen kann sich das Auto durch die gewonnene Sonnenenergie selbst aufladen, wie Fahrer Matthias Drossel erzählt. Er war Teil eines Teams von Studenten, die das Solarauto vor mehr als zehn Jahren an der Hochschule Bochum entwickelten. Seitdem hat das Gefährt laut Drossel sogar die Welt umrundet, ohne ein einziges Mal an einer Steckdose aufgeladen zu werden. Ist ein rein solarbetriebenes Auto also die Zukunft der Mobilität? "Nein", sagt Drossel ohne Nachdenken und lacht. Alltagstauglich sei das Fahrzeug nicht - dafür sei der Einfluss von Regentagen zu groß. Die lange Fahrt von Berlin nach Unterschleißheim in der winzigen, niedrigen Fahrerkabine sei zudem alles andere als komfortabel gewesen, "das war harte Arbeit".

© SZ vom 27.09.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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