Dorothée Kreusch-Jacob:Im Einklang mit den Tönen

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Die Konzertpianistin und Musikpädagogin hat gerade wieder eine Auszeichnung für eine ihrer CDs für Kinder bekommen. Eltern empfiehlt die Ottobrunnerin, mit ihrem Nachwuchs ohne Scheu zu singen

Von Franziska Gerlach, Ottobrunn

Ihre Großmutter im oberschwäbischen Ravensburg, die traf praktisch keinen Ton. Das habe diese aber nicht vom Singen abgehalten, erzählt Dorothée Kreusch-Jacob, die in Ottobrunn lebende Konzertpianistin und Musikpädagogin. Die Oma sang im Treppenhaus, sie sang beim Kartoffelschälen und beim Zwiebelschneiden. Und trotz, vielleicht aber auch wegen der vielen schiefen Töne, die ihre Oma so von sich gab, sagt sie noch Jahrzehnte später: "Ich habe damals mitgenommen, dass der Mensch mit sich im Gleichgewicht ist, wenn er singt."

Kaum jemand in Deutschland hat Kindern die Welt der Musik so nahe gebracht wie die Musikpädagogin Kreusch-Jacob. Gerade wurden ihre Aufnahmen "Verzeihung, sagte die Ameise" sowie "Finger spielen - Hände tanzen" auf die Empfehlungsliste "Gute Musik für Kinder" aufgenommen. Und die CD "Sonne, Mond und Abendstern. Die schönsten Lieder zur guten Nacht (Argon Verlag)" hat den Medienpreis Leopold erhalten, den der Verband deutscher Musikschulen mit Unterstützung des Bundesfamilienministeriums alle zwei Jahre vergibt. Das Album erschien 2017 zu "Sonne, Mond und Abendstern. Das große Liederbuch zur guten Nacht (Hanser-Verlag)", für das Kreusch-Jacob zu Bildern des ebenfalls in Ottobrunn lebenden Illustrators Quint Buchholz traumhaft schöne Gedichte, Lieder und Texte, fremde wie eigene, zusammengetragen hat, die das Einschlafritual begleiten. Die preisgekrönte CD enthält Abendlieder von Kreusch-Jacob, Arrangements von Volksliedern und bekannte Einschlaflieder wie "Weißt du wie viel Sternlein stehen" und ist ein Familienprojekt: Eingespielt wurden die Lieder im Studio ihres Sohnes, des arrivierten Jazz-Pianisten Cornelius Claudio Kreusch. Sein Bruder Johannes Tonio Kreusch begleitet die Stücke an der Gitarre.

Dorothée Kreusch-Jacob lehnt Drill in der Musik mit Kindern ab. Ihre CD mit Einschlafliedern transportiert die Freude am Gesang. (Foto: Klaus-Reiner Blümel)

Und wer das Heftchen zur CD durchblättert, vorbei an den Bildern, die Buchholz in der blauen Stunde angesiedelt hat, dieser mysteriösen Phase zwischen Tag und Nacht, der kann dort nachlesen, dass Dorothée Kreusch-Jacob etliche der 24 Lieder selbst eingesungen hat. Aber auch ihre Tochter, die bildende Künstlerin Carolina Camilla Kreusch und ihre Enkelkinder haben mitgesungen. Mit Klaus Doldinger und Giora Feidmann sind außerdem zwei große Namen auf der CD vertreten, an Saxofon und Klarinette haben sie die Einspielungen begleitet. "Die haben mit Begeisterung mitgemacht", erzählt Kreusch-Jacob.

Kreusch-Jacob selbst dichtete schon in der Grundschule Lieder, die ihr nicht gefielen, einfach um. Nach dem Abitur zieht sie von Ravensburg nach Stuttgart, um Konzertpianistin zu werden. "Da bin ich als Mädchen aus der Kleinstadt gleich in die Meisterklasse gekommen", sagt sie, als könne sie das noch immer nicht fassen. Die Ottobrunnerin macht kein Bohei um ihren Erfolg, nicht um ihre Bücher und auch nicht um ihre CDs, die vor ihr auf dem Tisch liegen. Sie beginnt zu schichten, zählt, 20, nein 25 Stück, es müssten aber noch mehr sein. Ein quadratischer Stapel Kreativität: Unzählige Reime, Lieder und Gedichte stammen aus ihrer Feder, anregend für die Fantasie und ansprechend für die Sinne. Woher nimmt man so viel schöpferische Kraft? "Es fliegt mich so an", sagt sie und lacht. Die Berge inspirierten sie, die Natur. Dann wiederum sei es ein Gedicht oder auch nur ein einzelner Satz, der sie zu Tönen animiere.

Wie man Kinder erreiche, habe sie aber weniger während des Studiums an den Hochschulen in Stuttgart und München gelernt als in einer inklusiven Elterninitiative, als sie Kinder beim Spielen beobachtete. Musik, das ist für Kreusch-Jacob eine höchst emotionale Angelegenheit. Eltern sollten sich bitte nicht scheuen mit ihrem Nachwuchs zu singen. Allerdings nicht nach dem Prinzip des Richtig oder Falsch, sondern absichtslos, frei von Intentionen. "Wir bringen den Kindern ja auch nicht das Sprechen bei, indem wir ihnen Gedichte aufsagen. Wir sprechen ganz normal mit ihnen", sagt die Musikpädagogin. Die richtige Intonation ist für sie nichts, was sich per Knopfdruck abrufen lässt, erst recht nicht durch Drill. Und so kann es durchaus vorkommen, dass Kreusch-Jacob mit einer Gruppe Kindern im Tonstudio mal eben ein Päuschen zwischen den Mikrofonen einlegt statt zwischen den Aufnahmen noch zu üben.

Überhaupt ist da viel Hinwendung zu den leisen Tönen spürbar, die Erkenntnis, dass Klang aus der Stille kommt und wieder dorthin zurückkehrt. "Diesen Bogen finde ich wunderschön", sagt Kreusch-Jacob, die als Wegbereiterin der Meditationsmusik für Kinder gilt. Auch auf "Sonne, Mond und Abendstern" führt eine imaginäre Zauberhand kleine (und große!) Zuhörer vom Wachsein ins Land der Träume. Harfen und Gitarren wärmen mit klanglicher Geborgenheit, bei dem Stück "Leise Reise" setzt Doldingers Saxofon im Hintergrund Akzente feiner Melancholie. Ohne Sinnlichkeit geht es offenbar nicht bei Kreusch-Jacob, für die Kinder "absolute Ohrenmenschen" sind. Sie verfügten über einen Drang, Geräuschen und Klangquellen neugierig nachzugehen. Und genau diese Lust am Lernen sei es auch, die sie so sehr fasziniere.

Am Computer lieblos Melodien zusammenzuwürfeln, das käme ihr nie in den Sinn. "Kinder lernen Musik heute oft durch die Medien kennen und nicht durch die Menschen", sagt sie. Schade sei das. Man könnte einen Widerspruch darin sehen, dass die Ottobrunnerin Medien für Kinder macht. Ist es aber nicht. Denn Kreusch-Jacobs Aufnahmen sind mit Anspruch gestaltet. Mit guten Musikern und Liedern, die die Freude ihrer Großmutter am Gesang transportieren. Nicht nur zur guten Nacht.

© SZ vom 31.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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