Doppelkonzert:Musik zum Atmen

Lesezeit: 3 min

Cornelius Claudio Kreusch (links) tritt gemeinsam mit seinem Bruder Johannes Tonio Kreusch und dessen Frau Doris Orsan auf. (Foto: Veranstalter)

Die Kreusch-Brüder aus Ottobrunn haben zwei Alben eingespielt, die sich großen Romanen widmen. Für Cornelius Claudio Kreusch hat Thomas Manns Zauberberg einen sehr persönlichen Bezug

Von Franziska Gerlach, Ottobrunn

Doch, natürlich, er möge Hermann Hesse, sagt Johannes Tonio Kreusch. Als Lieblingsautor möchte der Klassikgitarrist den Literaturnobelpreisträger von 1946 dennoch nicht ausweisen. Es ist vielmehr die Suche nach Erkenntnis, die letztlich im Zusammenhang steht mit der Suche nach sich selbst, die ihn an Hesses Entwicklungsroman "Siddhartha" fasziniert. So sehr, dass er dem Werk nun ein Album mit dem Titel "Siddhartha. A musical homage to Hermann Hesse. Solo Guitar" gewidmet hat. Und sein Bruder, der Jazzpianist Cornelius Claudio Kreusch, hat sich Thomas Manns "Der Zauberberg" musikalisch angenähert.

"Die Idee hatten wir unabhängig voneinander", sagt Cornelius Claudio Kreusch. Die Brüder sitzen im Studio von Cornelius Claudio Kreusch in München. Es gibt Kaffee und Butterbrezen. Das hätten sie so von ihrer Mutter übernommen, "erst mal eine g'scheite Brezn", sagt der Jazzpianist.

Die Kreuschs also: Die bekannten Söhne der nicht minder bekannten Ottobrunner Musikpädagogin Dorothée Kreusch-Jacob geben Konzerte auf der ganzen Welt. Als Veranstalter der Ottobrunner Konzerte holen sie seit zwölf Jahren Musiker von internationalem Rang und Namen in die Gemeinde. Dann wiederum stehen Cornelius Claudio Kreusch und Johannes Tonio Kreusch selbst auf der Bühne: An diesem Donnerstag, 30. Januar, stellen sie im Gasteig in München ihre musikalischen Hommagen an Hesse und Mann vor. Gitarrist Johannes Tonio Kreusch wird im Duo mit der Geigerin Doris Orsan, seiner Frau, außerdem Tango und spanische Musik präsentieren.

Wie viel mehr die Einspielungen zu "Siddhartha" und "Der Zauberberg" allerdings preisgeben über die Brüder aus Ottobrunn, als Tonträger es für gewöhnlich über Musiker tun, nun, das wird erst klar, als Cornelius Claudio Kreusch plötzlich sagt: "Ich bin mit Asthma groß geworden." Als Jugendlicher verbrachte er mehrmals die Sommerferien in Davos, in einer Hochgebirgsklinik, wie sie auch Mann zum Handlungsort seines 1924 erschienen Romans machte. Das Gefühl, wenn einem die Luft wegbleibt, der Anblick hechelnder Patienten, wie Mann sie im Zauberberg beschreibt, aber auch die Faszination der Schweizer Alpen - Cornelius Claudio Kreusch kennt das also. Sein Ventil zu mehr Luft soll der Jazz werden, die Improvisation gibt ihm Raum zum Ausdruck. "Das ist die Musik, in der ich atmen kann." Der Zauberberg sei ein großartiger Roman, schwärmt er, die Figuren, die Sprache. 16 Titel beinhaltet sein Doppel-Album. Sonderlich jazzig sind seine Interpretationen jedoch nicht. Die ätherische Leichtigkeit der Bergwelt aber, die bedächtige Schwere des jahrtausendealten Gerölls, das Gefühl von Freiheit, das sich nur in der Natur einzustellen vermag - all das kann man im Spiel des Pianisten erahnen. Die Musik sei für den Hintergrund gedacht, sagt er.

Wächst man wie die Kreusch-Brüder in einem Haus auf, in dem Literaten, Musiker und bildende Künstler ganz selbstverständlich ein- und ausgehen, dann weiß man offenbar intuitiv, wann künstlerische Zurückhaltung geboten ist. Und dass es gar nicht nötig ist, die unterschiedlichen Ausdrucksformen gegeneinander auszuspielen. Die Hommagen an Hesse und Mann jedenfalls sind nicht zu solchen geraten, bei denen sich der ehrerbietende Künstler letztlich nur selbst feiert. Den Kreusch-Brüdern nimmt man ihre Achtung für diese bedeutenden Erzähler des 20. Jahrhunderts tatsächlich ab. Es sind virtuos eingespielte Stücke von Musikern, die es verstehen, sich hinzugeben an die Kunst. Immer wieder Neues ausprobieren, nicht stehen bleiben - das ist Johannes Tonio Kreusch wichtig.

Bei seiner Annäherung an "Siddhartha" ging es dem Klassikgitarristen nicht darum, die im sechsten Jahrhundert vor Christus in Indien angesiedelte Geschichte, von Hesse in zwei Anläufen zwischen 1919 und 1922 geschrieben, nachzuerzählen. "Es soll weder indische Musik sein, noch ein musikalisches Hörbuch." Vielmehr verbindet er komponierte Abschnitte mit Improvisationen zu einem Klanggebilde mystischer Schönheit. Die Suche nach sich selbst: Möglich, dass auch Johannes Tonio Kreusch diesen Weg gegangen ist. Nach dem Abitur studierte er zunächst Philosophie. Die Entscheidung für ein Musikstudium, für den Beruf des Gitarristen, die sollte erst später kommen.

Doppelkonzert von Cornelius Claudio Kreusch (Piano) und Johannes Tonio Kreusch (Gitarre) an diesem Donnerstag, 20 Uhr, im Gasteig in München.

© SZ vom 30.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: