Die neuen Bungalows:Pop-Art im Olympiadorf

Studentenwohnheim mit künstlerischem Anstrich: Ein Besuch bei den neuen Bungalows an der Connollystraße.

Ulrike Steinbacher

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(Foto: Stephan Rumpf)

Mitten in der eintönigen grauen Häuserzeile glitzert das blaue Meer. Ein Leuchtturm ragt neben der Eingangstür empor, eine Möwe stakst über dem Fenster dahin. Unten am Fuß der Fassade tummeln sich Schäfchen, oben drüber - in Balkonhöhe - schweben Schäfchenwolken. Liesa Marie Jakobsche, Studentin der Sonderpädagogik, hat ihren Traum von der Nordsee an ihrem Bungalow im Studentendorf verwirklicht. Die 20-Jährige stammt aus Sachsen-Anhalt und war als Kind oft am Meer. Die Sehnsucht ist geblieben, auch wenn sie schon seit zehn Jahren in München lebt.

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(Foto: Stephan Rumpf)

Vergangenen November zog Liesa in den Bungalow L25 im neu aufgebauten Studentendorf an der Connollystraße im Olympiadorf. Damit gehörte sie zu den ersten Mietern nach der Renovierung, besser gesagt nach dem Abriss der 800Häuschen aus dem Jahr 1971 und dem Neubau von 1052 etwas kleineren Bungalows an ihrer Stelle. Eine Sanierung des Dorfs, das unter Ensembleschutz steht, sei "nicht mehr wirtschaftlich darstellbar" gewesen, heißt es dazu in einer Broschüre des Studentenwerks.

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(Foto: Stephan Rumpf)

Im Klartext: Die Dächer und Fenster vieler Bungalows waren undicht, an den Wänden hing der Schimmel, die Dämmung reichte nicht, aus maroden Leitungen sickerte Wasser in den Boden, die Fernwärme heizte nicht nur die Häuser, sondern auch die Fußwege. Der Neubau mit geschätzten 58 Millionen Euro kam nach Berechnungen der Architekten genauso teuer wie eine Sanierung. Dem Abriss stimmte sogar der Denkmalschutz zu. "Das muss man sich mal vorstellen", sagt Anke van Kempen von der Pressestelle des Studentenwerks.

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(Foto: Stephan Rumpf)

Also wurde vor drei Jahren alles platt gemacht - bis auf eine Zeile mit zwölf Häuschen, die als Beispieldenkmäler stehengeblieben sind. Kurz vor dem Abriss war noch eine Abschiedsparty eskaliert, 255 Bungalows wurden dabei verwüstet. Der Wiederaufbau des Dorfs im Dorf begann im Oktober 2007, mittlerweile ist bis auf Restarbeiten an den Außenanlagen alles fertig. Äußerlich sehen die neuen Bungalows fast so aus wie die alten. Mit 19 statt 23 Quadratmetern Wohnfläche sind sie noch etwas kleiner, im Inneren aber besser aufgeteilt, so dass den Bewohnern in ihren Maisonette-Wohnungen kein Platz verloren geht.

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(Foto: Stephan Rumpf)

Völlig neu allerdings ist die Energieversorgung. Anfang der 1970er Jahre hatte man sich übers Energiesparen ja noch keine großen Gedanken gemacht, was die lecken Leitungen erklärt, die unter den Bungalows verlegt und damit für Reparaturen gar nicht zugänglich waren. Die neuen Häuser dagegen sind in fünf Zonen mit jeweils eigener Fernwärme-Übergabestation in einem zentral gelegenen Keller gruppiert. Von dort führen kleine begehbare Wartungsschächte unter jede Hauszeile. Die Fachleute glauben, dass man 40 Prozent Energie sparen kann - und da sind die Leitungsverluste noch gar nicht mitgerechnet.

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(Foto: Stephan Rumpf)

Aber das neue Dorf ist nicht nur energieeffizient, sondern trifft offenbar auch den Geschmack der Studenten, genau wie die alten Bungalows vor 35 Jahren. "Es ist total schön, eine richtige Gemeinschaft", schwärmt Liesa, die an diesem sonnigen Morgen mit drei Freunden mitten in der L-Gasse einen Frühstückstisch aufgebaut hat. Mit den ersten Sonnenstrahlen des Jahres seien die Dorfbewohner auf ihren Balkons aufgetaucht. "Man kennt eigentlich alle." (Im Bild: Studentin Angela Grahle, die mit ihren 2 Kindern auf 34 Quadratmetern in einem der Bungalows wohnt.)

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(Foto: Stephan Rumpf)

Nur den Kollegen vom Eckbungalow in ihrer Gasse, den kennen sie nicht, zumindest nicht persönlich. "Wir nennen ihn den Trommler", erzählen sie zwischen Müsli und Marmeladebrot. Wahrscheinlich sei er Sportstudent, jedenfalls habe er einen ausgeprägten Hang zu lauten Partys. Vielleicht ist er aber auch Künstler, denn die Front seines Bungalows hat der Trommler mit einer Parade der Münchner Stadttürme geschmückt - Frauenkirche, Alter Peter, Rathaus, Olympiaturm prangen in Knallrot vor quietschgelben Sonnenstrahlen auf der Fassade. An der Seitenwand entsteht gerade ein Pop-Art-Frauenkopf à la Roy Lichtenstein.

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(Foto: Stephan Rumpf)

Malen ist übrigens ausdrücklich erlaubt, ja erwünscht im Studentendorf. Schließlich sollen die neuen Bungalows irgendwann einmal genauso bunt und lustig und mediterran aussehen wie die alten. Dafür stiftet das Studentenwerk die Farbe; neuerdings ist sogar im Gespräch, einen Malworkshop mit einer Künstlerin anzubieten. Trotzdem wird das neue Dorf wohl noch eine Weile betongrau sein. "Das mit der Bemalung hat auch bei den ursprünglichen Bungalows ein paar Jahre gedauert", sagt Studentenwerksprecherin van Kempen.

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(Foto: Stephan Rumpf)

Aber schon jetzt sind im grauen Einerlei Farbinseln zu entdecken: Das grün bemalte irische Pub O'Connolly's auf U7 zum Beispiel, dessen Besitzerin sogar Gäste bewirtet, allerdings nur mit Voranmeldung, der beengten Verhältnisse wegen. Die roten chinesischen Schriftzeichen auf einem Häuschen in der N-Gasse - ein Lehrgedicht über die Werte des Konfuzianismus. Die weißen Strichmännchen auf schwarz-rotem Untergrund, die sich auf E11 vom Balkon zum Boden hangeln (eines springt sogar mit dem Fallschirm ab). Die "Casa de Moustacho" auf O22 ("Lap-Tanz 5 $") oder auch Green Castle auf L01, eine grüne Burg mit Zinnen und bunten Luftballons auf der Seitenwand.

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(Foto: Stephan Rumpf)

Und dann sind da die Simpsons auf N10. Gemalt hat sie Stefan Grützinger, der sechs Semester im Hochhaus nebenan gewohnt hat. "Da kann man mit Deko überhaupt nichts machen", erzählt er. Auch im Chemie-Gebäude auf dem Garchinger TU-Campus, wo der 23-Jährige Biochemie studiert, ist grauer Sichtbeton das vorherrschende Gestaltungselement. "Deswegen wollte ich unbedingt Farbe." Also klebte er seinen Bungalow mit 50Metern Klebeband ab und warf eines Nachts um ein Uhr ein Bild der Zeichentrick-Kultfamilie Simpson mit dem Overheadprojektor an seinen Balkon. Mit Bleistift zeichnete er zwei Stunden lang die Umrisse nach. Danach strichen Stefan und Freundin Malvina ein Wochenende lang mit knallblauer Farbe den Bungalow und grundierten die Fläche für die gelbhäutigen Simpsons weiß. Anschließend trugen sie die Farben auf, jeden Tag eine, damit nichts verwischte. Und am Schluss verewigten sie sich an der Hauswand mit ihren Handabdrücken.

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(Foto: Stephan Rumpf)

"Es ist super, wenn Familien vorbeigehen und die Kinder dann das Bild entdecken", erzählt der Simpsons-Fan der ersten Stunde. Mal sehen ob die neuen Studenten-Bungalows länger halten als die alten und ob Homer, Marge, Bart, Lisa und Maggie auch in 35 Jahren noch die Passanten entzücken.

© SZ vom 28.7.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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