Coronavirus:Jetzt ist Schluss

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Landrat und Bürgermeister appellieren eindringlich, die Ausgehbeschränkungen einzuhalten. Die Polizei intensiviert ihre Streifen und ist bereit, hart durchzugreifen. Die Zahl der Covid-19-Fälle steigt auf mehr als 200

Von Bernhard Lohr, Martin Mühlfenzl und Sabine Wejsada, Landkreis

Kaum hat Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) eine Ausgangssperre angekündigt, da herrscht am Freitagnachmittag reger Andrang in den Super- und Getränkemärkten in Ismaning und Unterföhring. An den Tankstellen stehen lange Schlangen. Relative Ruhe herrscht dagegen in den Parks und Erholungsgebieten: Anders als an den Vortagen treffen sich kaum Kinder und Jugendlichen zum Spielen, Spaziergänger sind nur allein oder zu zweit unterwegs, Tische in Cafés bleiben unbesetzt, in Restaurants halten Essensgäste Abstand. Um 15 Uhr kommen die Kellner zum Kassieren, Sitzkissen werden weggeräumt, Stühle ins Lokal gebracht. Die Appelle von Söder und Merkel scheinen endlich zu wirken.

Appelle, denen sich auch Bürgermeister anschließen. Ismanings Bürgermeister Alexander Greulich (SPD) etwa wendet sich in einem Video auf der Facebookseite der Gemeinde an die Bürger und ruft dazu auf, die Maßnahmen der Staatsregierung zu befolgen, damit nicht noch mehr Menschen angesteckt würden. Unterschleißheims Bürgermeister Christoph Böck (SPD), in dessen Stadt bis Freitag 14 Infektionsfälle bestätigt sind, bittet die Bürger, soweit möglich zu Hause zu bleiben und Abstand zu halten. Einkäufe und Arztbesuche seien weiter möglich, auch Apotheken, Drogerien, Banken, Tankstellen, Post und Kfz-Werkstätten blieben geöffnet. Erlaubt seien auch weiterhin Sport und Bewegung an der frischen Luft, allerdings ausschließlich alleine oder mit Angehörigen des eigenen Haushalts. "Wir alle sind gefordert dafür zu sorgen, dass sich das Virus nicht weiter ausbreitet", so Böck. Die Stadt werde niemanden allein lassen. Von Montag an wird es in Unterschleißheim eine Hotline für Menschen geben, die dringend Hilfe benötigen.

Achten auf die Einhaltung der Vorschriften: die Streifenbeamten Markus Niedermayer und Felix Kretschmann im Hachinger Landschaftspark. (Foto: Claus Schunk)

Auch Landrat Christoph Göbel (CSU) appelliert am Freitag an die Menschen im Landkreis, sich an die Ausgehbeschränkungen zu halten. "Bitte nehmen Sie die Regelungen ernst", sagt der Landrat. "Gehen Sie nur in Ausnahmefällen vor die Türe. Gehen Sie möglichst alleine zum Einkaufen, sodass sich in den Läden nicht zu viele Personen zeitgleich aufhalten. Laden Sie nicht die Nachbarskinder zum Spielen ein. Gehen Sie für Ihre Eltern und Großeltern einkaufen und übergeben Sie die Einkäufe kontaktlos."

Die Polizei verschärft seit Freitagnachmittag ihre Präsenz auf den Straße. Am Rodelberg in Unterhaching haben am Freitagnachmittag Ordnungskräfte eine Gruppe Jugendlicher, die dort Fußball spielte, heim geschickt. Bei Verstößen gegen die Ausgangssperre werde kein Auge mehr zugedrückt, sagt Ottobrunns Polizeichef Armin Ganserer. Es drohen Strafen bis zu 25 000 Euro. Ganserer spricht von einer großen Herausforderung für Einsatzkräfte und Behörden. "Die Telefone stehen nicht mehr still." Im Haarer Rathaus setzt man darauf, dass die Zahl der Unvernünftigen, wie es Bürgermeisterin Gabriele Müller (SPD) ausdrückt, durch die Ausgangssperre zurückgeht. Das Ordnungsamt im Rathaus habe einen Blick auf abgesperrte Spiel- und Sportplätze, wo zuletzt Absperrbänder abgerissen wurden. An der mobilen Teststation in der Tiefgarage des Poststadels wurden bis Freitagmittag mehr als 70 Abstriche genommen. Dank vieler Freiwilliger soll am Wochenende über durchgetestet werden - wenn das Testmaterial reicht. Bei den Röhrchen gibt es Engpässe.

Größtenteils lahmgelegt ist seit Mittwochabend das Ottobrunner Rathaus. Vier Mitarbeiter haben sich nachweislich mit dem Coronavirus infiziert, alle Kontaktpersonen wurden nach Hause geschickt, wie Bürgermeister Thomas Loderer (CSU) sagt, der ebenfalls für 14 Tage in Quarantäne ist, eigenen Angaben zufolge aber keine Symptome zeigt. Angesteckt hat sich unter anderem der Leiter des Wahlteams. Laut Loderer gibt den begründeten Verdacht, dass sich das Virus bei der Kommunalwahl unter den Mitarbeitern verbreitet hat. Loderer übt daher Kritik am Plan der Staatsregierung, die Stichwahlen durchzuziehen. "Das ist mir absolut unverständlich. Von Tag zu Tag gibt es härtere Maßnahmen und trotzdem soll das alles stattfinden."

Bei Brunnthals Bürgermeister Stefan Kern (CSU) hat sich der Verdacht einer Erkrankung an Covid-19 nicht bestätigt. Ein Test fiel negativ aus, die selbst auferlegte Quarantäne wird Kern noch bis Ablauf der 14-Tages-Frist am Samstag einhalten. Kern war in Tirol beim Skifahren und hatte sich nach der Einstufung als Risikogebiet in Quarantäne begeben. Die Gemeinde richtet unterdessen mit Unterstützung des örtlichen Sozialen Hilfsdienstes eine Hotline ein, um Hilfsdienste zu vermitteln. Brunnthal ist die einzige Kommune im Landkreis, in der bisher noch kein Fall von Covid-19 nachgewiesen wurde, was aber auch daran liegen dürfte, dass es dort keine Testeinrichtung gibt. In Pullach nahm Bürgermeisterin Susanna Tausendfreund (Grüne) am Freitagnachmittag zusammen mit dem früheren Chefapotheker der ehemaligen Kreiskliniken Perlach und Pasing, Werner Kittler, ein Zelt für Tests in Betrieb. Mittlerweile stieg die Zahl der positiv getesteten im Landkreis laut Landratsamt auf mehr als 200.

Im Rahmen der Amtshilfe für das Gesundheitsamt hat Ismaning ein Call-Center eingerichtet, das Infizierte und Kontaktpersonen der Kategorie 1 verständigt und in Quarantäne schickt. Da erfahrungsgemäß in Ausnahmesituationen das Konfliktpotenzial steigt, bleibt die Interventionsstelle Landkreis München erreichbar - zwar nicht persönlich, aber telefonisch und per E-Mail: Montag bis Freitag von 8 bis 12 Uhr unter 089/62 21 12 21, außerhalb dieser Zeiten per E-Mail an interventionsstelle@lra-m.bayern.de oder unter der bundesweiten Hotline 08000/116 016.

© SZ vom 21.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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