Corona-Krise:Göbel: Hirn einschalten!

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Der Landrat spricht angesichts der Menschenansammlungen der vergangenen Tage bei einer Pressekonferenz via Internettelefonie Klartext und schließt Ausgangssperren nicht aus. Aktuell 134 Fälle im Landkreis

Von Martin Mühlfenzl, Landkreis

Landrat Christoph Göbel (CSU) hat am Donnerstag eindringlich an die Menschen im Landkreis appelliert, soziale Kontakte auf ein Minimum zu reduzieren. Auch mit Blick auf teils volksfestähnliche Zustände und große Menschenansammlungen in den vergangenen Tagen etwa im Hachinger Landschaftspark sagte Göbel am Donnerstag in einer Pressekonferenz via Skype: "Hirn einschalten!" Es sei von enormer Bedeutung, die weitere Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen und zu verlangsamen. Vor allem die Jüngeren in der Gesellschaft müssten Rücksicht nehmen, denn es gehe darum, Ältere und Erkrankte zu schützen.

Zu diesem Zweck würden notfalls von staatlicher Seite Maßnahmen wie Ausgangssperren durchgesetzt: "Wenn sich die Bevölkerung an empfohlene Einschränkungen nicht hält, dann kann der Staat nicht anders reagieren, als entsprechende Maßnahmen zu ergreifen." Gelinge es nicht, die Kurve an Infizierten flach zu halten, werde die Sterberate stark ansteigen, warnte Göbel. Stand Donnerstagmittag hatten sich im Landkreis 134 Menschen mit dem Coronavirus infiziert. Bis auf einen Erkrankten, der beatmet werden musste, verliefen die Infektionen bisher "in aller Regel milde", sagte Gerhard Schmid, der Leiter des Gesundheitsamtes im Landratsamt.

Der rasante Anstieg der Fallzahlen liegt dem Amtsarzt zufolge insbesondere daran, dass in den Städten und Gemeinden des Landkreises immer mehr dezentrale Teststationen aufgebaut würden. In Hohenbrunn, Haar, Ismaning, Oberhaching, Unterhaching, Unterschleißheim, Garching, Grünwald, Kirchheim, Sauerlach und Unterföhring gibt es mittlerweile Teststationen oder es sind entsprechende Strukturen im Aufbau. Klares Ziel ist laut Landrat Göbel, in allen 29 Städten und Gemeinden Teststationen in Betrieb zu nehmen. Alle Kommunen hätten ihre Bereitschaft hierfür erklärt.

Große Hoffnungen setzt Göbel in die Maßnahmen des Bundes und des Freistaats, das öffentliche Leben deutlich zu verlangsamen, indem so wenig Kontakt wie möglich gehalten wird. Zudem zeigt er sich dankbar für die Unterstützung etwa der Freiwilligen Feuerwehren, der Rettungs- und Ambulanzdienste in den Testzentren; dadurch würden in den Arztpraxen wieder dringend benötigte Kapazitäten frei. Es sei von enormer Bedeutung, dass die Praxen am Laufen gehalten werden. Auch dann, wenn sich ein Arzt oder eine medizinische Angestellte selbst infiziere oder als Kontaktperson identifiziert werde. Das Landrats- und das Gesundheitsamt stünden in ständigem Austausch mit dem Landesgesundheitsamt und dem Gesundheitsministerium. Selbiges gelte für Kommunalverwaltungen - auch mit Blick auf die Stichwahlen in etwas mehr als einer Woche.

Das Landratsamt hat zudem seine Kapazitäten etwa beim Bürgertelefon (Telefonnummer 089/62 21 12 34) erweitert. Die bisher 20 Mitarbeiter im Landratsamt seien der großen Nachfrage nicht mehr Herr geworden, seit Mittwoch nimmt das Landratsamt daher die Dienste eines Callcenters in Anspruch. Dessen Mitarbeiter würden extra geschult, sagte Göbel. Auch die Kapazitäten der internen Hotline, über die Mitarbeiter in den Testzentren Expertise im Gesundheitsamt einholen können, seien ausgebaut worden. Außerdem sei das Landratsamt bemüht, die Kapazitäten beim medizinischen Personal weiter aufzustocken und etwa Ärzte im Ruhestand oder Mediziner in der Familienpause zurückzuholen.

Die Kreisbehörde hat Göbel zufolge auch bei der Bundeswehr in Neubiberg um Unterstützung gebeten, etwa durch die Abstellung von Ärzten; eine Antwort stand am Donnerstag noch aus. Darüber hinaus seien Landratsamt und Bundeswehr aber im Austausch, auch mit Blick auf mögliche Szenarien, die den Einsatz von Bundeswehrsoldaten erforderlich machen könnten - etwa bei Betreuung von Kranken oder Alten, falls Betreuungspersonal ausfalle. Auch das Technische Hilfswerk könne in solchen Situationen zum Einsatz kommen. Nachdem die Staatsregierung den Katastrophenfall ausgerufen hat, ist die Voraussetzung für den Einsatz von Soldaten im Inneren gegeben.

Das Landratsamt will zudem alle Einwohner des Landkreises mit Informationen rund um das Coronavirus versorgen. Geplant ist ein vierseitiger Flyer, der Anfang kommender Woche an alle Haushalte verteilt werden soll. "Ich habe das Gefühl, manche Menschen erkennen die Gefahren nicht, vor allem nicht jene für sich selbst, sondern für andere", so der Landrat bei der Skype-Konferenz. "Es muss uns jetzt schlagartig gelingen, die Menschen dazu zu bewegen, zuhause zu bleiben." Positiv sei, dass Infizierte und ihre Kontaktpersonen dank der lokalen Testzentren neuerdings sehr schnell ermittelt werden könnten. "Wir werden das weiter ausbauen und alles dafür tun, die Verbreitung einzudämmen", versicherte Göbel.

© SZ vom 20.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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