Brunnthal:Strom aus Biogas

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Ulrich Niefnecker, Chef der Bioabfallvergärungsanlage, (links) erklärt beim Tag der offenen Tür Interessenten, wie hier kompostiert und vergoren wird. (Foto: Claus Schunk)

Mit einem Kilogramm Gemüseabfall kann man eine Energiesparlampe 50 Stunden lang leuchten lassen - ein Rundgang durch die Bioabfallvergärungsanlage bei Brunnthal

Von Claudia Engmann, Brunnthal

Einmal hat eine Frau angerufen, weil sie ihren Diamantring im Biomüll verloren hatte. Bei den Mengen, die in Kirchstockach auf der Verwertungsanlage angeliefert werden, mittlerweile 30 500 Tonnen pro Jahr, hat man normalerweise keine Chance so etwas wiederzufinden. Aber bei der nächsten Schauflerladung fiel plötzlich etwas vom Bagger runter und machte pling: das war der Diamantring. Ein Familienerbstück. Das war großes Glück, erzählt Ingenieur Ulrich Niefnecker beim Tag der offenen Tür in der Bioabfall-vergärungsanlage bei Brunnthal. Seit 18 Jahren arbeitet er dort und ist inzwischen Geschäftsführer.

Der Landkreis München hat die Anlage 1997 errichten lassen. Ausgangspunkt waren Überlegungen in den Achtzigerjahren, wie man Abfall sinnvoll nutzen könne und zwar sowohl als Wertstoff, als auch als Energiepotenzial. In Kirchstockach fährt man deshalb zweigleisig: insbesondere der Baum- und Strauchschnitt, das sogenannte Grüngut, wird kompostiert, der weichere Biomüll wird vergoren. Die Anlage kostete damals 33,5 Millionen Mark und verarbeitete am Anfang 20 000 Megagramm (Tonnen) Bioabfälle pro Jahr aus dem Landkreis und der Stadt München. Mittlerweile sind es 10 000 Tonnen mehr. 24 000 Tonnen kommen aus dem Landkreis, 6000 aus der Stadt München. Die Bürger machen gut mit: Sie liefern 60 Kilogramm Grüngut und 70 Kilogramm Bioabfall pro Kopf im Jahr, lobt Niefnecker, das Potenzial werde gut ausgeschöpft. Der Landkreis steht damit bayernweit an führender Stelle.

Das Grüngut wird zerhäckselt, dann in Mieten aufgestellt und alle vier Wochen umgesetzt. Zweimal täglich wird die Temperatur kontrolliert. Wenn die Bakterien die Zersetzung übernehmen, werden dabei Temperaturen von bis zu 70 Grad erreicht. Dabei entstehen natürlich auch teilweise weniger angenehme Gerüche. Nach einigen Wochen oder auch Monaten sinkt die Temperatur wieder, der Kompost muss dann noch weiter reifen bis er nach etwa einem halben Jahr wieder in den Garten eingebracht werden kann. Wesentlich geruchsärmer ist die Nassvergärung des Biomülls nach einem patentierten System in abgeschlossenen "Reaktoren": Sie braucht 50 Prozent weniger Fläche und die Geruchsbildung beträgt nur 20 Prozent der Kompostierung.

Das dabei gewonnene Biogas wird in Strom umgewandelt und fließt ins öffentliche Netz. Die entstandene Wärme wird zu 20 Prozent für die Aufheizung der Reaktoren genutzt. Weitere 50 Prozent werden für die Trocknung von Holzhackschnitzeln verwendet. Das könnte noch weiter ausgebaut werden, sagt Niefnecker. Derzeit wird auch über eine Fernwärmeleitung nach Ottobrunn nachgedacht.

Beim Bau wurden sehr hohe Umweltschutzstandards eingehalten, sie machten ein Drittel der Baukosten aus. Auch deshalb findet die Anlage weltweit große Beachtung: Auf Deutsch, Englisch, Finnisch, Spanisch und Russisch liegen Informationen über die Bioabfall-Vergärungsanlage im Eingangsbereich aus. In dieser Woche kamen sogar Besucher aus Australien, erzählt der Geschäftsführer. Auch in Bezug auf die hohe Qualität der Sortierung ist die Anlage eine Vorzeigeanlage. Zuerst kommt der angelieferte Müll in eine Walzenmühle, danach in einen Magnetscheider. Die heutige Ausbeute: ein Staubsaugeraufsatz, Gabeln und Messer, vor allem Schälmesser, die häufig aus Versehen in der Biotonne landen. Diverse Schrauben und Nägel, auch Akkus und Metallkabel. "Bis zum Videorekorder finden sie alles" sagt Niefnecker, "mit Fehlwürfen muss gerechnet werden. Aber das ist eher die Ausnahme, im Allgemeinen wird wirklich gut getrennt".

Im weiteren Prozess werden die Störstoffe herausgefiltert wie Sand, Steine, Glas und Plastik, bis das übrig gebliebene Mus vergoren werden kann. Insgesamt erfolgt die Bearbeitung in der Vergärungsanlage vollautomatisch ohne händische Sortierung, die Zuständigen werden über Handy informiert wenn etwas nicht so läuft, wie es sollte. In den 18 Jahren war die Anlage nur einmal vier Wochen geschlossen wegen dringend notwendiger Modernisierungsarbeiten berichtet Niefnecker stolz. "Aber ganz klar, der angelieferte Müll muss zeitnah weiterbehandelt werden. Ausfälle in einem biologischen System kann man schwer wieder einholen. Das ist wie beim Stau auf der Autobahn: die zwei Stunden, die sie dann verlieren, kriegen sie nicht wieder rein", sagt er.

Insgesamt werden in der Anlage zwei Millionen Kubikmeter Biogas pro Jahr produziert, davon 1,3 Kubikmeter Methan. Im Blockheizkraftwerk werden damit an die vier Millionen Kilowattstunden Strom pro Jahr erzeugt, das Produkt der Vergärung, der Hydrolyserest, wird unter anderem als Torfersatz verwendet. Von den angelieferten 30 000 Tonnen Material werden 30 Tonnen Metalle im Magnetscheider aussortiert und von einer anderen Firma wiederverwertet. Etwa 6000 Tonnen Leichtstoffe wie Kunststoff, Sand und Kies werden ebenfalls aufbereitet und größtenteils verwertet, nur ein kleiner Rest landet in der Verbrennung. 11 000 Tonnen Abwasser entstehen und werden gereinigt in das öffentliche Kanalnetz eingeleitet.

Aus einem Kilogramm Bioabfall können 0,1 Kubikmeter Biogas gewonnen werden, es entstehen 0,07 Kubikmeter Methan, die für 50 Betriebsstunden einer Energiesparlampe oder ein bis zwei Kilometer Autofahrt entsprechend genutzt werden können. Zum Bioabfall gehören Obst- und Gemüseabfälle.

© SZ vom 15.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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