Blick in die Vergangenheit:Zwischen Schandpfahl und sozialer Stadt

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Dietrich Grund bei der Präsentation seiner Ortschronik. (Foto: Angelika Bardehle)

Autor Dietrich Grund hat die fast 4500 Jahre andauernde Geschichte Taufkirchens in einer Chronik niedergeschrieben. Darin zeigt er auf, wie sich die Menschen im Lauf der Geschichte gegen äußere und innere Bedrohungen zu wehren hatten, und wirft einen Blick auf die aktuelle Situation

Von Christina Jackson, Taufkirchen

Pest, Krieg und Bestrafungen prägten das Leben der Menschen in Taufkirchen im Lauf des 17. Jahrhunderts. Es gab die Leibeigenschaft und harte Arbeit auf den Feldern. Einen Einblick in den Alltag der Menschen damals und heute legt Autor Dietrich Grund jetzt mit seiner "Kleinen Chronik von Taufkirchen" vor. Die Publikation reicherte er mit Anekdoten aus den Jahrhunderten vom Beginn der Siedlungstätigkeit im Jahr 2400 vor Christus bis heute an. Dabei sparte er die Details aus düsteren Zeiten nicht aus.

Im Jahr 1632 etwa spürten die Taufkirchner die Auswirkungen des Dreißigjährigen Kriegs auf ihrem Gemeindegebiet. Schwedische Truppen wüteten auf dem Grund der Bauern. Von 80 Höfen blieb lediglich ein Dutzend unangetastet. Nur zwei Jahre später kam die Pest in den Ort. Zu allem Übel plünderten fremde und auch "befreundete" Truppen Mitte des 17. Jahrhunderts abermals die Höfe. Es dauerte Jahrzehnte, bis sich die Dörfer von diesen Übergriffen erholten. Dabei hatte Ort, dessen Siedlungsbeginn um 2400 vor Christus datiert wird, durchaus gute Zeiten erlebt: Kurz vor Christi Geburt legten die Römer Bauernhöfe und Siedlungen an, die sich wie Perlen an einer Kette reihten. Auf einer Hofanlage, die sich im Bereich des heutigen Taufkirchner Sportparks befand, entdeckten Archäologen später Terra-Sigillata-Gefäße - römisches Tafelgeschirr aus Keramik: Hinweise auf Weindepot und Zechstube, die im Keller des Hauptgebäudes untergebracht waren.

Um 1500 sorgten harte Gesetze und Sanktionen in Taufkirchen für außergewöhnliche Maßnahmen. Der Staat bestrafte nicht nur Raub, Betrug und Mord. Hinzu kamen auch Ehebruch, Gotteslästerung, Trunksucht sowie "Leichtfertigkeit". Mit letzterem Strafbestand war vorehelicher Geschlechtsverkehr gemeint. Zur öffentlichen Maßregelung dienten damals örtliche Schandsäulen. Dietrich Grund berichtet von Johann Huber, der wegen Gotteslästerung eine Stunde in winterlicher Kälte am Schandpfahl stehen musste. Noch härter traf es Georg Frimmer. Er musste zehn Gulden wegen Leichtfertigkeit zahlen. "Das entspricht für unsere Zeit umgerechnet rund 2000 Euro", so Grund.

Nach einer kurfürstlichen Verordnung wurde im Jahr 1802 die Schulpflicht für Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren eingeführt. In Taufkirchen übernahm Johann Kister die Lehraufgabe. In zwei Prüfungen musste der angehende Pädagoge beantworten, wie man eine Schule organisiert und welche Bücher man für den Unterricht benötigt. Trotz mangelnder Kenntnis zur Frage "Wie geht man beim Schreiben fort?" erhielt Kister die Zulassung. Später übernahm der Mesner und Lehrer Alois Bahdradt den Lehrauftrag und empfing zwölf Buben und acht Mädchen zum Unterricht in seinem Haus. Erst 1864 gab es ein Schulhaus mit einem Klassenzimmer südlich der Kirche am Bach.

In der Zeit des Nationalsozialismus war Johann Bücherl Bürgermeister in Taufkirchen. In den Akten zur Entnazifizierung heißt es, Bücherl sei zunächst überzeugter Nazi gewesen. Später habe er jedoch eine jüdische Familie aufgenommen und vor der Verfolgung geschützt. Ein Umstand, der dazu beitrug, dass Bücherl in den Fünfzigerjahren erneut das Bürgermeisteramt innehatte. Mut bewies während des Zweiten Weltkriegs die Gastwirtin Johanna Forster aus Bergham. Angesichts von Krieg und Zerstörung meinte sie über die Herrschaft Adolf Hitlers: "Ist denn da gar keiner da, der diesen Bazi umbringt?" Der Verhaftung entging sie, indem sie bei Verwandten untertauchte.

Nach Kriegsende wuchs die Gemeinde deutlich. Flüchtlinge aus dem Sudetenland und Schlesien zogen in den Ort, wo an der Egerländer- und Bahnhofstraße neue Häuser entstanden. In den Sechzigerjahren führte der Wohnungsmangel zum Baubeginn des Ortsteils "Am Wald". Dort wurde eine Fläche von rund 100 Hektar Land mit Einkaufszentren, Schule, Friedhof und Grünflächen erschlossen. Rund 50 Jahre später sorgt die Siedlung wieder für Gesprächsstoff. Ein Hochschulteam unter der Leitung von Professor Theo Klöck soll einen Masterplan erstellen, mit dessen Hilfe soziale Brennpunkte entschärft werden können. Taufkirchen nimmt dazu auch am Förderprogramm Soziale Stadt teil.

Sein Buch versteht Dietrich Grund auch als einen Beitrag dazu, dass der Gegensatz zwischen dem dörflichen Charakter des alten Gemeindekerns und der Neubausiedlungen in ein gemeinsames Geschichtsbewusstsein mündet. "Nur so finden wir eine Grundlage für unser Miteinander."

© SZ vom 10.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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