Blick in die Geschichte:Als Taufkirchen noch ein Bauerndorf war

Lesezeit: 3 min

Helmut Rösch ist Vorsitzender des Fördervereins "Freunde des Wolfschneiderhofs in Taufkirchen". (Foto: Angelika Bardehle)

Das Heimatmuseum im historischen Wolfschneiderhof beherbergt eine reichhaltige ortskundliche Sammlung. Am Sonntag ist es zum letzten Mal in diesem Jahr für Besucher geöffnet

Von Patrik Stäbler, Taufkirchen

Zum Beispiel die unscheinbare Radfahrkarte, die hat es Helmut Rösch besonders angetan. Inmitten zahlloser imposanter Ausstellungsstücke, wie etwa einem mehr als 300 Jahre alten Damengürtel, muss man in der Vitrine zwar etwas suchen, um den kaum postkartengroßen Zettel zu entdecken. "Aber schauen Sie sich das mal genau an", sagt Rösch und zeigt auf den Ausweis, der 1909 von der Ortspolizeibehörde Taufkirchen ausgestellt wurde - für den "Gemeindediener Johann Seidl". "Das war wie heute ein Fahrzeugschein", erzählt Rösch und lächelt. "Damals durfte nicht jeder einfach so radfahren."

Es seien genau diese Einblicke in die Vergangenheit, die all die Exponate hier im Wolfschneiderhof so wertvoll machten, sagt Rösch. Und natürlich das Gebäude selbst, ein zweigeschossiger Einfirsthof, 1720 erstmals in Kirchenbüchern erwähnt und damit eines der wenigen verbliebenen historischen Bauernhofanwesen in Taufkirchen. Dieses liebevoll restaurierte Denkmal ist seit gut 30 Jahren im Besitz der Gemeinde und beherbergt inzwischen das Heimatmuseum. Dieses wiederum wird betreut vom Verein "Freunde des Wolfschneiderhofs in Taufkirchen", dessen Vorsitzender Helmut Rösch ist.

"Uns geht es darum, Erinnerungen, Traditionen und die Geschichte von Taufkirchen zu bewahren", hat der Vereinschef zuvor gesagt, unten in der Stube. Von dort führt Rösch den Besucher vorbei an Sesselofen und Bügeleisen in die Austragskammer, wo unter anderem eine mächtige Hochzeitstruhe steht. "Die ist 250 Jahre alt", sagt er im Vorbeigehen. Auch die Küche ist bis obenhin zugestellt mit allerlei historischen Utensilien, ganz zu schweigen vom Stall, wo Dreschflegel neben Sichel, Schnitzbank neben Wetzsteinbehälter sowie einige ausgestopfte Hühner stehen. Und im ersten Stock geht es nahtlos weiter: Hinter Vitrinen finden sich Grabkreuze, Unterwäsche, Nähmaschinen, Totenbilder - "allein davon haben wir 6000 Stück aus Taufkirchen", sagt Rösch - außerdem unter anderem Schreibgeräte, ein Fliegenglas und Tongeschirr.

Der Großteil der Exponate stammt aus dem Fundus des 2015 verstorbenen Heimatpflegers Ernst Kistler. Er habe Zeit seines Lebens Einrichtungsgegenstände und Gerätschaften aus landwirtschaftlichen Anwesen gesammelt - vom Pflug bis zur Kaffeemühle, sagt Rösch. An die 2700 Gegenstände habe Kistlers Sammlung umfasst. Der frühere Heimatpfleger war es auch, der sich zusammen mit dem damaligen Bürgermeister Walter Riedle Anfang der Achtzigerjahre dafür starkmachte, dass die Gemeinde den Wolfschneiderhof erwirbt. Als letzte Bewohnerin des alten Bauernhofs hatte dort Anna Seidl gelebt - die Nichte des Gemeindedieners Johann Seidl. Die beiden sind heute gewissermaßen das Aushängeschild des Heimatmuseums, stehen sie doch seit 2015 als überlebensgroße Schnitzfiguren weithin sichtbar in der hintersten Ecke des Gartens, unmittelbar an der Ortsdurchfahrt.

Anna Seidl jedenfalls starb 1982 an den Folgen eines Verkehrsunfalls. Ein Jahr später erwarb die Kommune ihr reichlich heruntergekommenes Anwesen - nach kontroverser Debatte im Gemeinderat. "Der Kauf hat etwa eine Million Mark gekostet", sagt Helmut Rösch. "Und noch mal eine Million hat man für die Renovierung gebraucht." 1985 wurde schließlich das Heimatmuseum im Wolfschneiderhof eröffnet, der aus dem einstigen Bauernhaus, der Scheune und einem Stadel besteht, wo einst Getreide und Heu lagerten und heute Veranstaltungen stattfinden. Etliche davon organisiert der 1986 gegründete Förderverein - vom Lampionfest bis zur Johannidult, dazu Lesungen und Volksmusikabende. "Die Veranstaltungen sind für unseren Verein und das Museum entscheidend", ist Helmut Rösch überzeugt. "Darüber kriegen wir die Leute, die dann auch mal ins Museum kommen oder Mitglied bei uns werden."

Immerhin 240 Familienmitgliedschaften zählt der Verein, der das Heimatmuseum an jedem zweiten Sonntag im Monat öffnet. Dann führen Ehrenamtliche durch das Haus und erklären das Leben der Landbevölkerung im 18. Jahrhundert. Rund 700 Besucher verzeichne man im Jahr, sagt Rösch stolz. Darunter seien sowohl alteingesessene Taufkirchner als auch Neubürger, dazu immer wieder Ausflügler und nicht zuletzt Schüler und Kindergartenkinder. Letztere sind zwar nur bedingt interessiert an einer Fahrradkarte hinter Glas. Jedoch gebe es andere Exponate, von denen die Kinder begeistert seien, sagt Rösch. "Zum Beispiel unsere ausgestopften Tiere im Stadel. Da sehen die Kinder mal, wie ein Fuchs, ein Dachs oder ein Fasan aussehen."

An diesem Sonntag öffnet das Heimatmuseum im Wolfschneiderhof letztmals in diesem Jahr seine Türen. Von 13 bis 17 Uhr stehen Mitglieder des Fördervereins bereit, um Fragen zu beantworten und Besucher durch die Ausstellung zu führen. Der Eintritt zum Museum ist wie immer kostenfrei.

© SZ vom 07.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: