Baierbrunn:Klugschwätzen über Diabetes

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Eckhart von Hirschhausen präsentiert in Baierbrunn medizinisches Fachwissen mit Humor. (Foto: Sebsatian Gabriel)

Beim Festakt zum 40-jährigen Bestehen eines Ratgebers aus dem Wort-und-Bild-Verlag werden Informationen über die Volkskrankheit und den Stand der Forschung unterhaltsam aufbereitet

Von Julian Carlos Betz, Baierbrunn

Nicht nur Betroffene konnten sich an diesem Abend eine Portion Zuversicht gepaart mit nützlichem Wissen abholen. Auch wer nicht von der Volkskrankheit Diabetes betroffen ist, erfuhr am Dienstag in den Räumen des Wort-und-Bild-Verlags in Baierbrunn einiges über den Zusammenhang von Ernährung, Krankheit und Vererbung. Nicht zuletzt dank Eckart von Hirschhausen geriet der Festakt, den der Verlag zum 40-jährigen Bestehen seines Diabetes-Ratgebers mit mittlerweile 1,2 Millionen Abonnenten ausrichtete, äußerst kurzweilig.

Zunächst aber sprach Martin Hrabě de Angelis, einer der Vorstände des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung. Der Genetiker, der auch als Professor an der TU München lehrt, setzte sich in seiner Rede vor allem mit dem Stand der Forschung und medizinischen Aspekten auseinander. So teilte er dem erschrockenen Publikum mit, dass in Deutschland täglich 160 Fußamputationen vorgenommen würden, als Folge von Diabetes. Der Anteil an Diabetikern in der Gesellschaft sei auf neun Prozent angestiegen, mit einer weiteren Erhöhung müsse man rechnen. Hrabě de Angelis forderte eine viel stärkere Vernetzung von Forschung und praktischer Anwendung, beispielsweise in Kliniken.

Deutlich wurde vor allem, mit welcher Komplexität die Wissenschaft es bei der Diabetesforschung nach wie vor zu tun hat: Nicht annähernd vollständig erforscht sei die Krankheit und gerade epigenetische Aspekte rückten immer mehr in den Vordergrund, sagte Hrabě de Angelis. Bei der Epigenetik wird untersucht, welchen Einfluss das Lebensverhalten des Patienten auf die genetische Struktur hat. Gleichzeitig stellt sich damit auch die Frage einer möglichen Vererbbarkeit dieser Veränderungen. Wenn jemand sehr ungesund lebe, so Hrabě de Angelis, lasse sich jedenfalls bei Experimenten mit Mäusen nachweisen, dass Auswirkungen wie Übergewicht vererbbar seien.

Während Hrabě de Angelis noch sprach, machte sich der Mediziner und Kabarettist Hirschhausen bereits warm für seinen eigenen Auftritt: Gymnastik hinter den letzten Reihen, um die Glieder zu strecken. Hirschhausens Vortrag unterschied sich nun wesentlich von dem seines Vorredners. Nachdem er spontan das Publikum im Kanon ein Geburtstagsständchen singen ließ, versuchte er anschließend, das schwierige und leicht überfordernde Thema mit viel Humor und praktischem Alltagsbezug ansprechender zu präsentieren. Gleich zu Beginn stellte Hirschhausen die Frage: "Wie kommen wir vom Klugschwätzen zum Erleben?" Damit meinte er freilich nicht, dass die Rede Hrabě de Angelis überflüssig gewesen sei, sondern stimmte vielmehr mit ihm überein, dass Praxis und Theorie stärker ineinandergreifen müssten. Für Hirschhausen zählt damit vor allem der direkte Bezug des Patienten zu sich selbst und damit seiner Gesundheit. Faustregeln statt Verbote, Genuss in Maßen statt langfristig nicht einhaltbarer Diäten. Von "Gesundheitsapps" jedenfalls hält Hirschhausen nicht viel, man könne sich nur beschränkt selbst kontrollieren.

Der erfolgreiche Autor übte auch Kritik an der medizinischen Branche als solcher. Es existiere ein "Überangebot an technologischen und operativen Methoden", dagegen werde der persönliche Kontakt immer weiter vernachlässigt. "Es hört niemand mehr zu", gab er zu bedenken. Dabei müsse man manchmal auch einfach nur die Hand des Patienten halten, damit es ihm ein wenig besser geht.

© SZ vom 21.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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