Baierbrunn:Im Wald mit dem Pilz-Paar

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Die Grünerts lieben Schwammerl - dabei essen sie fast keine

Von Christina Hertel, Baierbrunn

Gebratene Pfifferlinge mit Semmelknödeln. So etwas stellt man sich vor, wenn man auf eine Pilzwanderung geht. Da läuft einem das Wasser im Mund zusammen, das spornt einen an, mit einem Körbchen durch den Wald zu stampfen. Und dann kommt alles anders. "Ohne Pilze gäbe es keine Menschen, keine Tiere, keine Wälder", sagt Helmut Grünert gleich zu Beginn der Pilzwanderung durch den Forstenrieder Park bei Baierbrunn. Vor ihm 17 Menschen, die mit Pilzen vor allem eines verbinden: eine leckere Mahlzeit. Aber dass man Pilze auch essen kann, ist für Grünert schon seit einigen Jahren zur Nebensache geworden. Er ist Vorsitzender des Vereins für Pilzkunde München und beschäftigt sich mit Pilzen vor allem aus wissenschaftlicher Sicht. Gemeinsam mit seiner Frau Renate geht er so oft wie nur möglich in den Wald. Dann suchen sie Pilze, die sie noch nicht kennen, mikroskopieren sie, wälzen Fachliteratur - so lange, bis sie herausgefunden haben, um welchen Pilz es sich handelt. Ein Detektivspiel.

Renate Grünert ist auch mitgekommen auf die Pilzwanderung durch den Forstenrieder Park. Sie macht die Pilzberatung im Münchner Rathaus. "Ohne sie", sagt ihr Mann, "wäre ich hier verloren. Wir ergänzen uns völlig." Die beiden sind seit mehr als 40 Jahren verheiratet. Und sie sagen, dass sie eines von "vielleicht fünf oder acht Pilz-Paaren" in ganz Deutschland sind. Helmut Grünert hat schon viele Ehen daran kaputtgehen sehen, dass einer zu viel im Wald war. Ihnen kann das nicht passieren.

"5000 bis 7000 Pilzarten gibt es in Mitteleuropa. Manche davon sind nur so groß wie ein Kieselstein", erzählt Helmut Grünert in dem Buchenwald. Einer blonden Frau dauert diese Ausführung zu lange, sie sieht sich auf eigene Faust um, den Blick immer auf den Boden. Aber dieses Jahr ist es für Pilzsammler schwer. Der Sommer war trocken. "Es ist eines der schlechtesten Pilzjahre seit Jahrzehnten", sagt Grünert.

Er und seine Frau essen kaum Pilze, weil sie gar nicht nachkämen, würden sie jeden Pilz aufheben, den sie sehen. Außerdem sind sie wählerisch. "Bei Renate kommt nicht alles auf den Tisch," sagt Grünert. Und nicht jeden Pilz mitzunehmen, rät er auch den Teilnehmern seiner Führung. Ist der Pilz braun, angefressen oder voll Schneckenschleim, bleibt er stehen. Das heißt für die 17 Pilzfreunde bei seiner Führung: Es gibt noch weniger fürs Körbchen. Wenn Grünert einen Pilz mitnimmt, wickelt er ihn normalerweise in Alufolie ein und legt ein Blatt dazwischen. "Die Pilze bleiben so frisch und die Feuchtigkeit geht nicht verloren. Wenn man einfach alles in der Korb schmeißt, ist am Ende alles Mus."

Dass Pilze so wichtig für Renate und Helmut Grünert werden könnten, hätten sie lange Zeit selbst nicht gedacht. Aber weil beide schon als Kinder mit den Eltern Pilze sammeln gingen, sind die zwei eben auch öfter mal losgezogen. Und dann irgendwann fanden sie einen Pilz, den sie nicht zuordnen konnten. Ihr Ehrgeiz war geweckt.

Die Ausbeute ist am Ende karg. Hallimasche und ein paar Parasolpilze. Den Hut kann man panieren, der Rest ist ungenießbar. Enttäuscht? "Irgendwie haben wir uns das vorher schon gedacht", sagt Felix Elster. "Bei dem Sommer." Renate Grünert ist auf jeden Fall zufrieden. Sie hat einen Täubling gefunden. Den kann man zwar nicht essen, aber um die genaue Gattung festzustellen, müssen die Grünerts erst einmal das tun, was ihnen am meisten Spaß macht: forschen.

© SZ vom 27.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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