Aying:Demütig und wirkungsvoll

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Seit 1996 ist Johann Eichler Bürgermeister aller 19 Ayinger Ortsteile. (Foto: Claus Schunk)

Rathauschef Johann Eichler feiert seinen 60. Geburtstag

Von Michael Morosow, Aying

Seine erste politische Aussage liegt 50 Jahre zurück. Als der Pfarrer am Vortag der ersten Kommunion den Buben einen besonderen Wunsch für den feierlichen Tag offen ließ, sagte der Hansi: "I woaß jetzt scho, wos i ma wünsch, dass der Flughafen net kimmt." Der Münchner Flughafen landete bekanntlich im Erdinger Moos und verschandelte nicht seine Heimat. Am heutigen Freitag, 24. Februar, feiert Johann Eichler seinen 60. Geburtstag. Aus dem Buben ist ein stattlicher Bürgermeister geworden, mit 21 Dienstjahren der am längsten amtierende im Landkreis.

Wenn Johann Eichler heute über seine Heimat spricht, dann schwingt immer noch beinahe kindliches Schwärmen mit. Das unverbaute Ursprungstal der Mangfall, die sanften Moränenhügel, der herrliche Blick auf die Alpenkette im Süden - Johann Eichler strahlt Demut aus, wenn er zu einer Liebeserklärung an seine Heimat ansetzt. Seit 1. Mai 1996, da er als Kandidat der Parteiunabhängigen Wählergemeinschaft Helfendorf (PWH) in der Stichwahl gegen Amtsinhaber Bernhard Katzmair (CSU) gewann, leitet er die Geschicke des Ortes und seiner inzwischen 5100 Einwohner, die er als "gradaus, selbstbewusst, humorig" charakterisiert. Dass er Rathauschef geworden ist, war nicht nur die Entscheidung der Wähler. "1995 tagte der Familienrat", erinnert sich der Jubilar. Soll der Ingenieur für Fahrzeugtechnik mit 39 Jahren seinen Job hinwerfen für ein unsicheres politisches Amt? Er sollte, sagten seine Frau Rita, mit der er seit 1982 verheiratet ist, seine beiden kleinen Töchter sowie Sohn Johann, der 2013 bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen ist. Nach dieser Tragödie habe er zum ersten und bislang einzigen Mal darüber nachgedacht, das Amt aufzugeben, das ihm bis heute noch große Freude bereite, "auch wenn ich mir das leichter vorgestellt habe". Nun gut, die Herausforderung, der er sich vor 21 Jahren stellte, hatte es in sich. 19 Ortsteile zählt Aying seit der Gemeindegebietsreform 1978, da die bis dahin selbstständigen Gemeinden Peiß und Helfendorf Aying zugeschlagen wurden, was die traditionelle Rivalität zwischen den Ortschaften eher befeuerte - und anfänglich auch der Familie Eichler nicht gut tat. "Probleme meiner Kinder im Wahlkampf waren der Grund dafür, dass wir sie auf eine Münchner Realschule schickten", sagt Eichler. Dennoch: Er habe noch keinen Tag bereut, Bürgermeister von Aying zu sein, "im politischen Bereich ist das der schönste Beruf". Der PWH-Mann beherrschte die Kunst, die vielen Ortsteile mit oftmals ganz unterschiedlichem Gepräge zu einem bunten Puzzle zusammenzufügen, in dem jeder Ortsteil seinen Platz hat und sich als Teil von Aying versteht. Als Kleinkarolinenfelder sei man aber auch nicht so in den dörflichen Befindlichkeiten verstrickt und werde als neutrale Person eher anerkannt, sagt Eichler. Heute flammen alte Rivalitäten kaum noch auf. "Eine Spielergemeinschaft zwischen dem SV Aying und dem SV Helfendorf wäre früher absolut tabu gewesen", weiß Eichler.

Nicht alles gelang, was er anpackte. Als größte politische Niederlage nennt er das Scheitern der Dorferneuerung. Dass die Mehrheit der Ayinger mit ihrem Bürgermeister zufrieden ist, haben sie in drei Wahlen kundgetan, "aber alle lieben mich nicht", weiß der 60-Jährige und kennt den Grund: "Je länger man im Amt ist, desto mehr Menschen muss man auf die Füße treten, man tut nicht nur Gutes. Und man wird selbst auch misstrauischer."

Das Positive freilich überwiegt. Dazu zählt der Bürgermeister vor allem "die ganz besonderen Bedingungen, die meine Arbeit leichter machen". Im Gemeinderat gibt es Parteivertreter, aber keine Fraktionen. Mehrheitsentscheidungen werden akzeptiert, Nachtarrock ist nicht gewollt. So schluckten zum Beispiel die Ayinger die Entscheidung, die neue Grundschule in Großhelfendorf zu bauen. "Wenig Blindleistung, viel Wirkleistung" sagte der studierte Ingenieur über das Ergebnis der sachorientierten Arbeit. Seine Milchwirtschaft hatte der langjährige Nebenerwerbslandwirt im Vorjahr an Tochter Veronika und Schwiegersohn Markus übergeben. Aber weiterhin steht er frühmorgens im Stall. "Da habe ich meine besten Ideen", sagt er. 2020 wird er dennoch nicht mehr kandidieren. Seine Familie habe ihm lange genug Verständnis entgegengebracht. "Es reicht", sagt er.

© SZ vom 24.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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