Autorin:Erzähltalent ohne Schere im Kopf

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Bestsellerautorin Inge Löhnig aus Hohenbrunn verfasst neben ihren Krimis auch spannende Familienromane - dann unter dem Pseudonym Ellen Sandberg. Ihr neues Werk "Der Verrat" stellt sie nun in Höhenkirchen-Siegertsbrunn vor

Interview von Christina Hertel, Hohenbrunn

Die Angst vor dem leeren, weißen Blatt Papier, die Furcht, an den Worten zu scheitern - all das kenne sie nicht, sagt Inge Löhnig. Und wenn man sich ansieht, wie viel die Autorin in den vergangenen Jahren geschrieben hat, möchte man ihr gerne glauben, dass sie nicht an Schreibblockaden leidet: Seit 2008 ihr erstes Buch im Ullstein Verlag erschienen ist, brachte sie zehn Krimis heraus. Hinzu kommen zwei Familienromane, die sie unter dem Pseudonym Ellen Sandberg im Penguin Verlag veröffentlichte. Feuilletons ignorieren ihre Werke. Doch das störe sie nicht, sagt die 62-Jährige. Denn immer häufiger kleben auf den Einbänden orangefarbene Sticker: es sind Spiegel-Besteller. Bis zu 60 Stunden die Woche, schätzt Löhnig, sitze sie an ihrem Schreibtisch in ihrem Haus in Hohenbrunn - nicht nur um Romane zu verfassen, sondern auch um zu recherchieren und Lesungen vorzubereiten. Bei der nächsten diesen Donnerstag liest sie in Höhenkirchen aus ihrem neuen Ellen-Sandberg-Roman "Der Verrat" - eine Geschichte über drei Schwestern, über Schuld, Lebenslügen - und einen Mord.

SZ: Unter Ihrem echten Namen bringen Sie Krimis heraus und unter dem Pseudonym Ellen Sandberg Familienromane. Warum diese Verwirrung?

Inge Löhnig: Ich finde das eigentlich konsequent: zwei verschiedene Genres, zwei verschiedene Verlage, also zwei verschiedene Namen. Hinzu kommt: Ich habe ein einziges Mal als Inge Löhnig einen Krimi herausgebracht, in dem mein Kommissar Dühnfort nicht vorkam, und habe einige verärgerte Mails gekriegt - dabei stand sein Name nicht mal auf dem Klappentext. Offensichtlich habe ich Leser, die blind nach meinen Büchern greifen. Das ist ein großes Kompliment, aber auch ein Grund für mich, die Dinge sauber zu trennen.

Das Verbrechen lässt Sie aber nicht los.

Ich will ja nicht irgendetwas schreiben, sondern etwas Spannendes. In "Der Verrat" kommt Nane nach 20 Jahren aus dem Gefängnis frei und kehrt zu ihrer Familie zurück. Sie lebt in dem Glauben, einen Mord begangen zu haben. Im Laufe des Romans treibe ich sie deshalb an den Rand des Selbstmords. Mich interessiert, wie Menschen mit Schuld zurecht kommen und was sie dazu bringt, jemanden umzubringen. Es geht um Psychologie. Ich schildere nie ein Verbrechen im Detail. Das Blutigste, was ich je geschrieben habe, war der Mord an einer Katze.

Wie schaffen Sie es, dass Ihnen nach zwölf Romanen noch nicht die Ideen ausgehen?

Meistens kommen sie zufällig - durch ein Gedicht oder einen Zeitungsartikel. Die Idee zu "Der Verrat" entstand, als ich etwas über transgenerationale Weitergabe gelesen habe. Das ist ein psychologisches Phänomen, bei dem sich Verletzungen wie ein Fluch über Generationen hinweg durch Familien ziehen. Bei meinen Mädels ist das die Liebe zu dem falschen Mann.

Für Ihren ersten Ellen-Sandberg-Roman, der sich mit dem sogenannten Euthanasieprogramm der Nazis in Haar beschäftigt, haben Sie zehn Jahre recherchiert. War die Recherche für "Der Verrat" auch so aufwendig?

Der erste Roman "Die Vergessenen" ist eine Ausnahme. Dafür habe ich ein ganzes Regal voller Bücher, Akten und Unterlagen über die Psychiatrie in Haar gesammelt. Ich recherchierte so viel, weil ich bei dem Thema auf keinen Fall einen Fehler machen wollte. "Der Verrat" war viel weniger komplex. Nachdem ich die Idee mit der transgenerationalen Weitergabe hatte, brauchte ich nur noch ein Setting. Zuerst dachte ich an eine Künstlerfamilie am Lago Maggiore. Aber mit ihr wurde ich nicht so richtig warm. Und dann las ich eine Reportage über Winzer an der Saar. Die fand ich faszinierend.

Klingt, als hätten Sie eine besondere Beziehung zu Ihren Figuren.

Es ist schon passiert, dass eine Nebenfigur es zur zweiten Hauptrolle schaffte, weil sie plötzlich vor mir stand, aufstampfte und mich empört fragte, was das soll, dass sie nur so einen kleinen Part hat. Ich habe wirklich eine überbordende Fantasie.

Wird man so Bestseller-Autorin?

Ich denke, man braucht ein Erzähltalent, viel Leidenschaft und Disziplin. Wenn ich meine Schreibphasen habe, stehe ich morgens um 6 Uhr auf und schreibe jeden Tag drei, vier Seiten. Natürlich muss ich mich da manchmal durchkämpfen. Wahrscheinlich hat mir außerdem geholfen, dass ich nie Bestsellerautorin werden wollte. Wenn man unbedingt erfolgreich sein will, hat man zu viele Scheren im Kopf.

Was wollten Sie dann?

Ich war von Beruf Grafikerin und eine leidenschaftliche Leserin. Ich wollte sehen, ob ich es schaffe, einen Roman zu schreiben, den ich selbst gerne lesen würde. Ich hatte eine Idee im Kopf und habe einfachangefangen. Nach 200 Seiten merkte ich plötzlich, dass die Handlungsstränge wie ein Wollknäuel in einander verheddert waren und dass ich sie nie mehr würde entwirren können. Dann begann ich, Fachbücher zu lesen und Workshops zu besuchen.

Wie gut können Sie inzwischen von Ihren Büchern leben?

Bis vor einem Jahr habe ich immer gesagt: Es reicht für die Margarine, ich arbeite an der Butter. Damals habe ich innerhalb von zwei Jahren drei Romane geschrieben, um vom Schreiben leben zu können. Mit "Die Vergessenen" war ich 13 Wochen auf der Bestellerliste. Jetzt reicht es für ziemlich dicke Butter. Vor kurzem habe ich mit Hilfe einer Architektin meinen Garten umgestaltet, über den ich die vergangenen 20 Jahre gemeckert habe. Das fühlt sich gut an.

Wie hat Sie der Erfolg verändert?

Ehrlich gesagt, bin ich froh, dass ich erst relativ spät erfolgreich geworden bin. Das Alter gibt einem eine andere Sicherheit. Als ich meinen Beruf für das Schreiben aufgab, war der Buchmarkt rückläufig. Mit 30 hätte ich mich das nicht getraut.

Die Lesung findet diesen Donnerstag im Pfarrsaal an der Schulstraße 11 in Höhenkirchen statt. Beginn: 19.30 Uhr. Der Eintritt kostet zehn Euro. Am Mittwoch, 23. Januar, liest Löhnig an der Grundschule Neubiberg aus "Die Vergessenen".

© SZ vom 10.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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