Ausstellung in Brunnthal:Ambivalente Helden aus zwei Universen

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Brunnthal: Ausstellung 'Star Wars und Marvel Comics' in der Galerie Kersten in Brunnthal, Zeichnungen von Robert Bailey, Bilder von Stan Lee und anderen. Galerist Holger Weinstock Foto: Claus Schunk (Foto: Claus Schunk)

Die Galerie Kersten zeigt Star-Wars-Zeichnungen von Robert Bailey, zu dessen Bewunderern George Lucas und Harrison Ford zählen. Ergänzt wird die sehenswerte Ausstellung um Han Solo, Luke Skywalker und Darth Vader durch Bilder aus der fantastischen Welt der Marvel-Comics.

Von Udo Watter, Brunnthal

Cineasten und andere Romantiker könnten George Lucas, dem Schöpfer der "Star Wars"-Saga und zudem Ideengeber für die "Indiana Jones"-Reihe, trotz seiner immensen popkulturellen Wirkung einiges vorwerfen: Etwa, dass er als Drehbuchautor für manch ungelenken Dialog verantwortlich zeichnet, dass er es mit dem Star-Wars-Merchandising übertrieben hat oder dass er es nicht bei den ersten drei Filmen der Saga belassen hat. Aber was man dem 1944 im kalifornischen Modesto geborenen Regisseur, Produzent und Unternehmer definitiv nicht absprechen kann, ist eine überragende visuelle Fantasie, sein Gespür, märchenhafte Welten zu erschaffen - selbst die viel kritisierte zweite Trilogie (Episode I bis III) fasziniert in dieser Hinsicht.

Wenn ein Mann mit einem derart versierten Blick auf einen bildenden Künstler aufmerksam wird, dann ist das durchaus ein (Jedi)-Ritterschlag. Robert Baileys Arbeiten für Luftfahrtkunst, Flieger-Szenen aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg gefielen Lucas, der sie beim Surfen im Netz entdeckt hatte, ausnehmend gut und nach einem Treffen auf der Skywalker Ranch bat er den 1947 in England geborenen Zeichner und Fotografen, an seinem Prachtband "Star Wars Visionen" mit zu arbeiten. Seit er die Figuren und Welten aus dem "Krieg der Sterne"-Kosmos künstlerisch umgesetzt hat, ist Bailey, der schon lange in Kanada lebt, Star Wars-Fans ein Begriff. Seine Bleistiftzeichnungen, die unter anderem von Harrison Ford, John Travolta, Carrie Fisher und Tom Cruise gesammelt wurden, waren aber bisher vornehmlich nordamerikanischen Fans zugänglich.

In diesem Jahr werden Baileys Werke indes erstmals in Deutschland präsentiert und Holger und Barbara Weinstock von der Galerie Kersten haben die Chance ergriffen, sie in Brunnthal zu zeigen, an diesem Samstag ist die Eröffnung: "Wir sind erst die zweite Galerie in Deutschland, die das macht", sagt Holger Weinstock. Es sind ausnahmslos Unikate, Bleistiftzeichnungen auf Papier - mit wenigen, gezielt eingesetzten Farbakzenten als Eyecatcher. "Von der zeichnerischen Qualität her sind die sensationell gut", schwärmt Weinstock.

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Raumschiffe, Sturmtruppen, Darth Vader ...

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und ein nachhaltiger Han Solo.

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Holger Weinstock präsentiert die Vielfalt der Weltraumsaga.

In der Tat sind die Arbeiten, die in Brunnthal mit einer Auswahl knallfarbiger Porträts von Marvel-Superhelden ergänzt werden, nicht nur für Fans echte Hingucker. Zum einen zeichnet sie eine Dynamik und Lebendigkeit aus, die durch die feine zeichnerische Virtuosität erreicht wird. Zum anderen schafft es Bailey, auch großdimensionierte Szenerien wie im Bild "Grand Inspection", welche die totalitärästhetische umrahmte Ankunft Darth Vaders im Todesstern zeigt (aus "Rückkehr der Jedi-Ritter"), durch versierte künstlerische Komposition ein geradezu filmisches Breitwandgefühl beim Betrachter zu erzeugen. Nicht zuletzt überzeugt die Detailliebe, jeder einzelne imperiale Stormtrooper hat hier gleichsam Plastizität.

Die Auswahl, die in der Galerie Kersten gezeigt wird - und von Lucasfilm und Disney autorisiert ist - behandelt großteils Figuren und Szenen aus den ersten drei Filmen (Episode IV bis VI), den Klassikern der Reihe. Natürlich ist auch Luke Skywalker zu sehen, aber Darth Vader - sein Darsteller David Prowse ist vor einigen Tagen gestorben - und Han Solo sind häufiger die Sujets von Baileys Arbeiten. Eindrucksvoll ist "Hesitant Hero" (Zögernder Held), ein Bild, das den von Harrison Ford verkörperten Han Solo in einem nachdenklichen Moment vor einem X-Flügler festhält, der den sonst so cool-sarkastischen Weltraum-Cowboy fast philosophisch erscheinen lässt. Schön auch das Bild, bei dem im Hintergrund der Söldner Boba Fett seine Waffe auf Han Solo ansetzt ("Awaiting a Fate"). Zu sehen sind auch dynamisch collagierte Kampfszenen im Weltraum oder auf dem Eisplaneten Hoth oder ein Bild mit einem Lichtschwert schwingenden Yoda und Senator Palpatine alias Imperator. Bailey schafft es mitunter, Spontanität und Bewegung von einer geradezu soghaften Wirkung in seinen präzise ausgearbeiteten Bildszenen einzufangen - soghaft quasi wie der Traktorstrahl des Todessterns.

Meist sind es keine konkret festgehaltenen Szenen aus den Filmen, sondern mehrschichtig und tiefenscharf komponierte Improvisationen, die gleichwohl den ästhetischen Bezug zum Ursprung immer herstellen. Die Idee, diese Szenen mit Bleistift und wenigen Farbakzenten zu gestalten, zeitigt das Ergebnis, dass der illustrative Charakter sublimiert wird, ohne sich dem Kitschverdacht auszusetzen - eine Gefahr, die schon durch die Form des technischen Zeichnens gebannt wird.

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Stan Lee gilt als das Mastermind hinter den Erfolgen der Marvel Comics. Seine wohl bekannteste Figur ist Spiderman und auch in Brunnthal wird er gewürdigt.

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Dabei auch eine Star-Wars-Szene mit Sternzerstörer und Darth Vaders Abfangjäger.

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(Foto: Claus Schunk)

Wer sich mit Muskelprotz Hulk anlegt, läuft selbst Gefahr, grün und blau geschlagen zu werden.

"Es sind Bilder mit Kunstwertcharakter", sagt Weinstock, der die ersten Filme kennt, aber kein ausgewiesener Fan ist. Dennoch ließ sich der gut vernetzte Galerist nicht die Gelegenheit entgehen, diese Werkschau zu präsentieren - als einzige Galerie im Münchner Raum. "Es ist schon eine Besonderheit."

Was die Welt der Marvel Superhelden angeht, sind seine Frau Barbara und er auch nicht gerade Experten, aber die bunte und Pop-Art-mäßige Explosivität der porträtierten Figuren, Kämpfe und Titelblätter kontrastiert schön mit den Zeichnungen Baileys. Die Protagonisten des Marvel Universums, die mit ihren übermenschlichen Kräften die Welt vor dem Untergang retten, werden vor allem im ersten Stock der Galerie gewürdigt: Spider-Man, Captain America, Dr. Strange, Wolverine, Thor oder der grüne Muskelprotz Hulk werden unterschiedlich in Szene gesetzt, aber immer hoch dynamisch, mit comicartiger Wucht und manchmal mit versteckter Liebe zur (Selbst-) Ironie. Etliche Unikate sind darunter, auch vom bekannten Comic-Zeichner Randy Martinez. Eine kleine Hommage gibt es dort zudem für Stan Lee (1922 bis 2018), der "Godfather von Marvel" wie Holger Weinstock ihn nennt. Zusammen mit Zeichnern wie Jack Kirby und Steve Ditko schuf er als Comic-Autor und Redakteur eine Reihe berühmter Superhelden wie Spider-Man, die nicht zuletzt durch ihre menschliche Schwächen und Ambivalenzen beim Publikum so erfolgreich waren. Lees Lieblingszeichner soll allerdings Robert Bailey gewesen sein.

Die Ausstellung "Star Wars und Marvel Comics" in der Galerie Kersten, Otterloher Straße 6, Brunnthal, dauert von 5. Dezember, bis 16. Januar 2021. An diesem Samstag können Besucher zwischen 10 und 16 Uhr in die Galerie kommen. Sie werden unter Einhaltung der geltenden Abstands- und Hygieneregeln durch die Ausstellung geführt. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.

© SZ vom 05.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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