Ottobrunn:Ein Ort, der verbindet

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Das neue Foyer verbindet die Michaelskirche mit dem Gemeindehaus und soll auch die Menschen zueinander bringen, die sich dort treffen. (Foto: Claus Schunk)

Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler weiht am Freitag den Raum für Begegnung der evangelischen Michaelskirche ein. Möglich wurde das neue Foyer auch durch die großzügige Spende eines unbekannten Ehepaares.

Von Ulrike Schuster, Ottobrunn

Am Anfang war der "Raum für Begegnung" gar nicht Teil des Plans, erst der Aufzug machte ihn dazu. Am Dreikönigstag wird nun Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler das neue Foyer der evangelischen Michaelskirche in Ottobrunn segnen; auch die heiligen Drei-Königs-Kinder werden den Haussegen über die frisch gestrichenen Pforten schreiben. Von 17 Uhr an feiert die Gemeinde den Neubau mit einem Festgottesdienst. Die Chöre singen Teil fünf des Bach'schen Weihnachtsoratoriums, passend zur Taufe.

Es riecht noch immer nach frischer Farbe auf den zwei Stockwerken mit 180 Quadratmetern. Weiße Planen bedecken die Keramikfliesen, obendrauf liegen leere Verpackungskartons. Noch im Mai des vergangenen Jahres standen hier die Fahrräder unter einem Blechdach.

Georg Brechensbauer, Chefarchitekt des gleichnamigen Büros, sagt, das Bauwerk "verbinde ohne Geheimnisse". Blickt man durch großen Glasfronten, weiß man, was er meint: auf der rechten Seite die rote Kirchenwand, links der kleine Gemeindesaal, dazwischen das trapezförmige Foyer, die Brücke zwischen den zwei Bauten. Mittendrin ein himmelblauer Aufzug, der Anstoß für den Neubau.

Kirchlicher Neubau ist Luxus

Nach Erstskizze sollte er an die Außenwand des Gemeindehauses gebaut werden, im Freien von unten nach oben schweben. Auf der Baustelle stehend, die Idee vor Augen, urteilt Architekt Brechensbauer: "Völlig unbefriedigend, das geht besser". Alternativ schlägt er Dekan und Bauherrn Mathis Steinbauer vor, den Aufzug in die Mitte eines gläsernen Foyers zu setzen. Steinbauer ist von der Idee des Inhouse-Lifts begeistert, nicht aber von den Kosten, 800 000 Euro. Er fragte sich: "Wer soll das bezahlen?"

Dekan Mathis Steinbauer (links) und Bauleiter Martin Kappius in dem geschickt ausgeleuchteten "Raum für Begegnung". Der Name soll Programm sein. (Foto: Claus Schunk)

Kirchlicher Neubau ist Luxus, der praktisch nicht mehr stattfindet. Wofür auch? Die Menschen treten aus der Kirche aus, die Steuereinnahmen sinken, mit dem, was reinkommt, werden die bestehenden Kirchengemäuer saniert. Und manchmal werden sie gar zu ganz anderen Zwecken, beispielsweise zu einem Restaurant umgewidmet. Kirchen-Architekt Brechensbauer, seit 35 Jahren mit den Baustellen der Christen im Landkreis vertraut, hat ganze sechs Neubauten in seiner Karriere miterlebt - zuletzt, 2002, die Kreuz-Christi-Kirche in Höhenkirchen-Siegertsbrunn.

Steinbauer will schon aufgeben, da kommt ihm die zündende Idee: Wenn die Vielen der Gemeinde die Finanzierung nicht stemmen können, warum nicht einzelne Starke um Hilfe bitten? Er klingelt bei einem Ottobrunner Ehepaar, Kulturfreunde und der Gemeinde seit langem treu verbunden. Steinbauer stellt ihnen das Projekt vor, es überzeugt. Das Paar, eine "konfessionelle Mischehe", gibt rund 550 000 Euro. Seitdem werden die beiden unter dem Pseudonym "Großspender" gehandelt. Außer dem Dekan weiß niemand, wer dahinter steckt und das soll so bleiben.

"Um des Ergebnisses willen", nicht um sich hervorzuheben, hätten sie das getan - so heißt es in ihrem Schreiben, das der Dekan in ihrem Auftrag an die SZ weiterleitete. Sie seien gläubige Christen, die aus Überzeugung und Dankbarkeit ihre Kirche unterstützten. Die zunehmende Säkularisierung blende allzu gerne die enormen kulturellen und sozialen Leistungen der Kirchen aus. Diese Entwicklung versuche "die Kirchen ins Abseits zu schicken". Deshalb sei es Aufgabe der verbliebenen Gläubigen, ihre Religion zu stärken.

Mehr als 141 000 Euro sind gesammelt

Seit Bekanntwerden der großzügigen Hilfe im Herbst 2015, ist die Michaelsgemeinde motiviert und auf den Beinen. 250 000 Euro wollen sie aus eigener Kraft beschaffen. Jedes Gemeindemitglied erhielt einen Spendenbrief, 5000 wurden verschickt. Die Kinderchöre singen, die Frauengruppen tanzen, basteln und backen. Jeder Klingelbeutel bei Taufe und Hochzeit ist für den Neubau bestimmt. Mehr als 141 000 Euro sind gesammelt, das ist mehr als die halbe Strecke. Gebaut ist trotzdem schon fertig, weil die Kosten in Raten bezahlt werden. Sollte am Schluss noch Geld fehlen, wird die Kirchengemeinde einen Kredit aufnehmen müssen. "Alles was im Raum für Begegnung geschieht, soll segensreich, produktiv und lebensdienlich sein", sagt Regionalbischöfin Breit-Keßler.

Die Jungen sollen sich mit den Alten treffen, die Christen mit den Muslimen, die Wissenschaftler mit den Machern. "Wir kommunizieren so viel und reden doch so oft aneinander vorbei", sagt Dekan Steinbauer. In einem Raum zu sitzen, könne nur helfen. Parallel wurden auch die Michaelskirche und das Gemeindehaus saniert. Die Ziegel bröckelten vom Dach, die Fenster waren undicht, die Wärmedämmung war unzureichend. Auch die alte Kirchenheizung wurde ausgetauscht, das Thermometer zeigt jetzt 15 Grad. Zusätzlich wärmen elektrische Sitzkissen. Unterm Strich kostete das doppelte Auffrischen 900 000 Euro, 200 000 Euro für die Kirche, 700 000 Euro für das Gemeindehaus - das Geld hat Dekan Steinbauer von Landeskirche und Prodekanat München-Südost bekommen. Standard-Maßnahmen, nichts Neues.

© SZ vom 05.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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