Aschheim:Spendable Stammgäste

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Emmeran Haller, seine Mutter Gerti und seine Schwester Clarissa spenden die Miete, die sie für die Schrankfächer einnehmen und doppeln den Betrag auf. (Foto: Claus Schunk)

Der Bierkrug-Tresor im Schäfflerwirt dient einem guten Zweck

Von Anna-Maria Salmen, Aschheim

Ordentlich aufgereiht stehen die Bierkrüge in einem Regal an der Wand, ein jeder in seinem eigenen Fach - von Gläsern mit aufgedruckten Bildern der Schäfflerzunft über filigran verzierte Zinnkrüge bis hin zum klassischen Steingefäß. Jedes Fach ist gesichert mit einem kleinen Vorhängeschloss, ein Schild zeigt den Namen des jeweiligen Besitzers an. Rund 60 Stammgäste des Aschheimer Schäfflerwirts bewahren seit dem Sommer ihre persönlichen Bierkrüge in diesem Tresor auf. Zwanzig Euro zahlen sie dafür jährlich, die Wirtsfamilie Haller verdoppelt den so entstandenen Betrag und spendet das Geld für wohltätige Zwecke. Jedes Jahr soll es an eine Einrichtung in der Region gehen. Heuer kommen 2360 Euro der Initiative krebskranke Kinder München zugute.

Früher standen die individuellen Trinkgefäße der Stammgäste in der Theke, irgendwann jedoch sei der Platz zu eng geworden, erzählt Emmeran Haller von der Wirtsfamilie. Bei den Überlegungen, wie man die Krüge in Zukunft besser aufbewahren könne, habe man sich vom Münchner Hofbräuhaus inspirieren lassen. Dort gibt es einen ähnlichen Tresor mit mehr als 600 Fächern. Während des Betriebsurlaubs im August baute die Familie den Schrank ein. Die Umsetzung brachte einen großen organisatorischen Aufwand mit sich: Jeden einzelnen Krug fotografierte die Wirtsfamilie, notierte sich den Besitzer und den Zahlencode für das Schloss. Schließlich müssen die Bedienungen beim Aufräumen wissen, welches Glas in welches Fach gehört.

Gelohnt hat sich die Anschaffung des Bierkrug-Tresors allemal, davon sind die Wirtsleute überzeugt. Die Stammtisch-Tradition lebt laut Hallers Schwester Clarissa gerade in letzter Zeit wieder auf. Momentan gebe es im Schäfflerwirt jeden Tag mindestens einen Stammtisch. Dabei seien die Gäste nicht nur Alteingesessene, sondern auch junge Burschen. "Es ist für sie eine Ehre, wenn sie ihren Krug in den Tresor stellen dürfen", erzählt Emmeran Haller. Ein weiterer Vorteil: "Die Krüge gehen nicht so leicht kaputt wie im Schrank", sagt seine Schwester. Die Plätze im Tresor sind so begehrt, dass es mittlerweile eine Warteliste gibt. Ein Fach nimmt jedoch eine Sonderstellung ein: Im oberen linken Eck steht ein gläserner Krug, davor hängt ein Schild mit der Aufschrift "Johann Weiß, 1911". Das Gefäß gehörte dem Urgroßvater der Geschwister Haller, der den Gasthof einst eröffnete.

© SZ vom 19.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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