Aschheim:Eine spätberufene Feuerwehrfrau macht Karriere

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Vor drei Jahren hatte Birgit Kreuzig ihren ersten Einsatz. (Foto: Catherina Hess)

Birgit Kreuzig trat erst 2011 der Aschheimer Feuerwehr bei. Inzwischen versäumt die 44 Jahre alte Physiotherapeutin kaum einen Einsatz und ist Zweite Vorsitzende des Vereins.

Von Cathrin Schmiegel, Aschheim

Ein Donnerstag im März vor nunmehr drei Jahren: Ein langer Lkw am Standstreifen der A 99 in Fahrtrichtung Lindau brennt lichterloh, die Flammen züngeln das Holz auf der Ladefläche entlang. Schon von Weitem sieht man die grauschwarze Rauchsäule in den Himmel steigen. Birgit Kreuzig erinnert sich noch sehr genau an diesen Anblick, mit 15 anderen Aktiven der Freiwilligen Feuerwehr Aschheim löschte sie den Brand. "Zuerst die Reifen", sagt Kreuzig. Den Anhänger konnten sie so vor den Flammen retten, die Ladefläche brannte aus. Der Einsatz war ihr erster, nur ein Jahr zuvor, 2011, war sie der Feuerwehr beigetreten. In der jüngsten Jahreshauptversammlung wurde die 44-Jährige zur Zweiten Vorsitzenden gewählt.

Der Frauenanteil bei den Feuerwehren liegt bei elf Prozent

Eine Frau bei der Feuerwehr - auch wenn das in der heutigen Zeit nichts mehr Außergewöhnliches sein dürfte, belegen Zahlen etwas anderes: Nur elf Prozent beträgt der Frauenanteil bei der Feuerwehr im Landkreis München, das weiß Gerhard Bauer von der Kreisbranddirektion. Bei der Jugend sieht es besser aus: 89 von den 469 Feuerwehrleuten im Landkreis sind weiblich, 19 Prozent also. In Aschheim ist Birgit Kreuzig nicht alleine, 21 Frauen zählt die Mannschaft, die insgesamt 123 Aktive umfasst. Kritisch beäugt oder gar diskriminiert fühlt sich die 44-Jährige nicht in ihrem Umfeld, im Gegenteil. "Der Teamgeist ist sehr ausgeprägt", sagt Kreuzig.

Der ist ihr in allen Lebenslagen wichtig, auch in ihrem sozialen Umfeld. "Man bekommt viel von einer Gemeinschaft, deswegen sollte man auch etwas zurückgeben." Die 44-Jährige liebt es, viel zu tun. Dass das Ergebnis bei der Vorstandswahl in diesem März so klar ausfiel, dürfte auch damit zu tun haben. Von 86 der stimmberechtigten aktiven und passiven Mannschaftsmitgliedern in Aschheim wählten sie 78. "Ein Politiker könnte von einer solchen Mehrheit nur träumen", sagt sie und lacht.

Kreuzig ist entspannt, trotz der vielen Aufgaben, die jetzt auf sie zukommen werden: die Organisation von Vereinsfeierlichkeiten oder das Aufstellen des Maibaumes in drei Jahren. Einsätze wird es immer noch viele für sie geben. Oft rückt sie als First-Responder-Kraft aus, die Ausbildung hat sie neben der obligatorischen Grundausbildung absolviert. Über die medizinischen Kenntnisse dafür verfügte sie bereits - dank ihrer Arbeit als freiberufliche Physiotherapeutin. Die Selbstständigkeit gibt ihr auch die Flexibilität, die es für das Ehrenamt braucht.

An dem Tag beispielsweise, als sie um 5.55 Uhr morgens alarmiert wurde, weil die Aschheimer Volleyballhalle im Aschheimer "Roberto-Beach" brannte, zögerte sie keine Sekunde. Sie schlüpfte - wie immer - in ihre "Haus-und-Hof-Jogginghose in schwarz" und fuhr los. Unterwegs warf sie sich einen Kaugummi ein. "Ich habe immer welche dabei. Und Tic Tac - für die anderen." Kreuzig lächelt, zimperlich ist man bei der Feuerwehr nicht.

Fünf Minuten vom Bett ins Feuerwehrhaus

Weniger als fünf Minuten braucht sie von ihrem Bett ins Feuerwehrhaus. Ihre Patienten hätten Verständnis dafür, wenn sie einen Termin wegen eines Einsatzes kurzfristig canceln muss. Auch die Tochter stört sich nicht daran. Die ist selbst bei der Feuerwehr, wie eigentlich die meisten in Kreuzigs Familie und im Freundeskreis. Mit der Tochter des ehemaligen Kommandanten Helmut Meier ist sie seit Jahren befreundet. Sie war es auch, die Kreuzig zur Feuerwehr brachte.

Dass es 2011 wurde, ehe die Physiotherapeutin mit "Helfersyndrom" - wie sie augenzwinkernd selbst bekennt - zur Feuerwehr fand, lag an ihrer Rolle als alleinerziehende Mutter. Auch wenn der Vater immer zur Verfügung gestanden habe, die Einsätze in der Feuerwehr seien nun einmal nicht planbar. Daran hat sich bis heute nichts geändert, die Tochter ist jedoch mittlerweile 15 Jahre alt. Kreuzig kann ohne schlechtes Gewissen ausrücken. "Ich versuche, so oft wie möglich bei einem Einsatz dabei zu sein", sagt sie. Könne sie bei einer Alarmierung mal nicht, jucke es sie in den Fingern.

Doch auch wenn es anders klingen mag, entspannen kann Kreuzig sehr gut: am liebsten vor dem Fernseher, wenn Sport läuft - über Eishockey kann sie ausufernd fachsimpeln. Wie sie alles unter einen Hut bekommt? "Wer gut organisiert, hat auch Freizeit", sagt Kreuzig bestimmt. Diese Fähigkeit dürfte ihr in den kommenden drei Jahren gute Dienste erweisen.

© SZ vom 08.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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