"Lederhose?" Malafi hat die Augenbrauen hochgezogen, er mustert eine Zeichnung, die neben den Buchstaben klebt. Eine kurze Notiz im Vokabelheft, dann übersetzt er für seine Sitznachbarn, warum da Bilder von seltsamen Gewändern und riesigen Zelten am Flipchart hängen. Eine herbstliche Eigenart der Bayern sei das, habe die Lehrerin erklärt. Und dass man in einem Bierzelt nicht schläft, zumindest nicht mit Absicht. Ein breites Grinsen, dann widmet sich Malafi wieder seinem Vokabelheft.
Nachmittagskurs in der Asylbewerberunterkunft in Dornach bei Aschheim: 16 Männer sitzen Schulter an Schulter mit Block und Kugelschreiber in einem Container, zum Deutschunterricht von Barbara Kleber sind alle Stühle besetzt. Einmal in der Woche kommt die Mittelschullehrerin und übt mit Asylbewerbern zwei Stunden lang Aussprache und Bedeutung deutscher Begriffe. "Es geht vor allem darum, dass sie sich später bei uns im Alltag zurechtfinden", sagt Kleber. Dafür bespricht sie Begriffe, die man braucht, um eine Fahrkarte zu kaufen oder um zum Arzt gehen zu können. Manchmal, sagt Kleber, könne das ganz schön kompliziert sein.
Kleber erklärt in einem Mix aus Englisch, Deutsch und Französisch, warum die Theresienwiese demnächst besser zu meiden sei. Malafi, 21, Geebi 20, und Mayib, 32, sitzen in der ersten Reihe, heben immer wieder die Hand. Wegen der Taschendiebe, Betrunkener und Aggressionen, sagen sie. Die Männer in der zweiten Reihe hören zu, verstehen aber nur die Worte, die ihnen Malafi übersetzt. Sie sind erst vor Kurzem in Aschheim angekommen, sprechen weder englisch noch französisch. Jetzt soll Kleber ihnen Deutsch beibringen.
Die Ausgangslage für die Unterrichtsstunden ist alles andere als einfach: Außer Senegalesen kommen in Dornach Flüchtlinge aus Eritrea und Somalia, Mali, Nigeria und Albanien zu den Kursen - sie alle sind mit verschiedensten Sprachen und Dialekten aufgewachsen, manche sprechen weder französisch noch englisch. Die größten Schwierigkeiten mache aber der unterschiedliche Stand der Deutschkenntnisse, sagt Kleber. Neuankömmlinge hätten einen uneinholbaren Rückstand gegenüber Männern wie Malafi, die seit Längerem Deutsch lernen. "Das ist, wie wenn man Schüler aus der ersten und vierten Klasse zusammen unterrichtet", sagt Kleber.
Dass Asylbewerber nicht wie Kinder an Bayerns staatlichen Schulen in einem professionell organisierten Kurssystem unterrichtet werden, liegt daran, dass die Landratsämter meist keine staatlichen Mittel für Deutschkurse bereitstellen. Bayernweit werden Deutschkurse für Flüchtlinge fast durchweg von Freiwilligen gestemmt. Von den Tausenden Helfern, die in ihrer Freizeit Kurse geben, sind die wenigsten wie Kleber ausgebildete Lehrer. In Dornach unterrichten eine ehemalige Apothekerin, eine frühere Patentanwaltsfachangestellte und eine Lehramtsstudentin. Unterrichten dürfe jeder, heißt es vom Helferkreis, einen Crashkurs habe von ihnen keiner besuchen müssen.
Doch auch wenn sie größtenteils von Laien unterrichtet werden, sind die Männer in dem engen Container dankbar. "Dass wir hier etwas lernen dürfen, ist für mich was Besonderes", sagt Malafi. In seiner Heimat im Senegal habe er nie eine Schule besucht. Deshalb versuche er, von Montag bis Freitag stets zu den Kursen zu kommen. Mittlerweile sind es jede Woche sieben Doppelstunden. Die deutsche Sprache empfinde er als "sehr kompliziert", sagt Malafi: "Ich hätte gerne noch mehr Unterricht."
Dass sich sein Wunsch erfüllt, ist eher unwahrscheinlich - im Gegenteil: Das Landratsamt München stellt in Kürze einen VHS-Sprachkurs ein, der bisher von Fördergeldern bezahlt wurde. Künftig sollen demnach auch jene knapp 20 Flüchtlinge in den Containern unterrichtet werden, die bereits seit etwa einem Jahr Deutsch an der Volkshochschule lernen. Vom 20. Oktober an kommen auf Kleber und ihre Kollegen 40 statt wie bisher 20 Asylbewerber zu, die Deutsch lernen wollen.
Das Landratsamt begründete den Schritt damit, dass "derzeit kaum finanzielle Mittel für Deutschkurse zur Verfügung stehen" würden. Es handle sich um eine "schwierige Situation", die "sich leider auch nicht verbessern, sondern immer mehr zuspitzen" werde, da dem Landkreis immer mehr Asylbewerber zugewiesen würden. Julia John, Bildungsbeauftragte des Aschheimer Helferkreises, will sich damit nicht abfinden. "Wie sollen sich die Menschen hier einfinden, wenn sie keine echte Chance haben, unsere Sprache zu lernen?", sagt John, die bereits in mehreren Schreiben an das Landratsamt protestiert hat. Erreicht hat sie damit bisher nichts.
Über Dornach geht die Sonne unter, im Container ist ein leichter Zug zu spüren. Die Männer haben sich in Jacken gepackt, die sie vom Helferkreis bekommen haben. In nächster Zeit wird es hier kälter werden. Und enger.