Armut:Ein eigener Tisch für Sauerlach

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In der ländlichen Gemeinde sind 200 Menschen auf Grundsicherung angewiesen. Deshalb will die Agenda eine Lebensmittelausgabe einrichten

Von Patrik Stäbler, Sauerlach

Nicht nur Einheimische sind überzeugt, dass Sauerlach zu jenen Landstrichen Bayerns gehört, mit denen es der Herrgott gut gemeint hat. Ringsum ist Natur, München ist ebenso nur einen Katzensprung entfernt wie die Berge, und in den Ortschaften stehen schmucke Häuser entlang blitzeblanker Straßen. Armut? Nein, die will man mit der 8200-Einwohner-Gemeinde nicht in Zusammenhang bringen. Zu Unrecht, findet Christine Kensy: "In Sauerlach leben arme Menschen neben mir und neben Ihnen, sie sind mitten unter uns", sagt die Sprecherin der Arbeitsgruppe Soziales der Agenda 21. Und dann nennt Kensy jene Zahl, die zuvor auch viele Gemeinderäte erschreckt hat: 200 Sauerlacher sind dem Sozialamt zufolge aktuell auf die Grundsicherung angewiesen. Und die Tendenz ist steigend.

Diese Menschen wollen Christine Kensy und ihre Mitstreiter mit einem neuen Angebot unterstützen: Von Juli an soll es einen Sauerlacher Tisch geben, bei dem Bedürftige für einen symbolischen Euro Lebensmittel erhalten, die zuvor von Supermärkten und Geschäften gespendet wurden. Derlei Einrichtungen gibt es viele im Landkreis, noch nicht aber in Sauerlach.

Vielmehr ist die Gemeinde derzeit der Holzkirchner Tafel zugeordnet. Etwa 40 Sauerlacher nehmen deren Dienste in Anspruch. Viele Berechtigte schrecke jedoch die beschwerliche Anfahrt ab, sagt Kensy. "Die Holzkirchner Tafel ist samstags. Wer dorthin will, muss sich am Freitag eine S-Bahnkarte im Sozialamt holen und sie am Montag zurückbringen. Außerdem ist die Tafel in Holzkirchen mehr als einen Kilometer vom S-Bahnhof entfernt. Gerade für ältere Menschen ist das nicht zu bewältigen."

Daher plant die Agenda 21 schon seit Längerem einen eigenen Sauerlacher Tisch. Circa 20 Ehrenamtliche hätten ihre Unterstützung zugesagt, sagt Kensy. Wo die Einrichtung eine Heimat finden soll, ist laut Bürgermeisterin Barbara Bogner (Unabhängige Bürgervereinigung, UBV) noch nicht fix, es gebe aber einen "geeigneten Ort". Laut Kensy müsse dieser einigermaßen zentral liegen, dürfe aber aus Gründen der Diskretion nicht offen einsehbar sein. Denn: "Viele Menschen schämen sich, wenn sie zur Tafel gehen."

Wo der Sauerlacher Tisch eingerichtet wird, soll auf Anregung von Markus Hoffmann (CSU) noch vom Gemeinderat festgelegt werden; bereits jetzt hat das Gremium einmütig beschlossen, das Projekt zu unterstützen und 20 000 Euro für die Erstausstattung bereitzustellen. Die Ausweise für die Bedürftigen soll das Sozialamt ausstellen; für Organisation und Schulungen will die Gemeinde mit der Caritas kooperieren. Die Kosten hierfür sowie jene fürs Abholen der Lebensmittel, für Fortbildungen und für die sozialpädagogische Betreuung der Helfer soll sich im laufenden Betrieb über Spenden finanzieren. "Wir wissen aus der Erfahrung von anderen Orten, dass solche Tafeln sich vielleicht nicht von Anfang an, aber mittelfristig ziemlich finanzneutral gegenüber den Gemeinde verhalten", sagt Bogner.

Im nächsten Schritt soll laut Kensy der Kooperationsvertrag mit der Caritas geschlossen werden. Danach werden sich die Helfer noch einmal treffen, und man wolle erste Kontakte zu Supermärkten im Ort knüpfen. Nach Vorstellung der Agenda 21 soll der Sauerlacher Tisch einmal die Woche öffnen - "voraussichtlich Mittwoch oder Freitag", sagt Kensy. Anfangs werde man die Zahl der Bedürftigen, die Lebensmittel erhalten, wohl beschränken müssen. "Das Angebot soll dann immer weiter ausgebaut werden", so Kensy.

Die Sprecherin der Agenda-Gruppe betont, dass die Zunahme der Bedürftigen im Ort nicht allein auf die gestiegene Zahl von Asylbewerbern zurückzuführen sei. "Da ist auch viel Altersarmut dabei." Laut Bogner ist die vom Sozialamt ermittelte Zahl der Sauerlacher, die Grundsicherung beziehen, erstmals 2016 sprunghaft angestiegen - von "immer um die 40" auf 75. Seither ist die Zahl der Bedürftigen weiter gewachsen und liegt inzwischen bei den von Kensy genannten 200. "Ich bin immer noch schockiert von dieser Zahl", sagt Götz von Borries (UBV) am Ende der Diskussion. "Dass es so viele Menschen sind, hätte ich nicht gedacht."

© SZ vom 08.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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