AOK prüft Anzeige:Dubiose Abrechnungspraktiken in der Klinik Schwabing

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Das Schwabinger Krankenhaus hat versucht, Impfkosten für Mitarbeiter auf die Krankenkasse abzuwälzen. Ein Arzt sagt: "Das wäre Abrechnungsbetrug."

Stephan Handel

Die AOK Bayern erwägt, wegen dubioser Abrechnungspraktiken in den Städtischen Kliniken die Staatsanwaltschaft einzuschalten. Die Krankenkasse erfuhr durch Recherchen der Süddeutschen Zeitung davon, dass das Klinikum versucht hat, Mitarbeiter auf Kosten der Versicherung impfen zu lassen, obwohl dies das Krankenhaus selber zahlen muss. "Es könnte hier Fehlverhalten vorliegen", teilte der Bereichsleiter Verbraucherschutz der AOK Bayern, Ralf Brum, mit. "Wir werden den Hinweis prüfen und die Staatsanwaltschaft einschalten, wenn sich der Verdacht erhärtet."

Aufgedeckt wurde der Fall durch einen aufmerksamen Mediziner: Wolfgang Dietrich wunderte sich, dass immer wieder Mitarbeiter des Klinikums Schwabing in seine Hausarzt-Praxis an der Leopoldstraße kamen, um sich gegen Mumps, Masern, Röteln, gegen Hepatitis und Keuchhusten impfen zu lassen. Auf Nachfrage sagten sie ihm, sie brauchten diese Impfung, weil sie im Klinikum zum Beispiel auf der Kinderstation eingesetzt seien.

Dietrich lehnte dies ab. Er erklärte den Klinikums-Mitarbeitern, dass für beruflich bedingte Impfungen der Arbeitgeber zuständig sei und dies nicht über die gesetzliche Krankenkasse abgerechnet werden könne. "Sonst würde ich einen Abrechnungsbetrug begehen", sagt er. Denn in der bundesweiten Schutzimpfungs-Richtlinie steht ausdrücklich, bei "beruflicher Indikation" bestehe "kein Leistungsanspruch gegenüber der gesetzlichen Krankenversicherung".

Informationen unter der Hand

Krankenhaus-Mitarbeiter sind nicht gezwungen, sich impfen zu lassen. Jedoch muss das Krankenhaus die Impfungen anbieten, und es muss die Impfungen auch bezahlen, wenn der Mitarbeiter das Angebot annimmt. Ein Betriebsarzt des Städtischen Klinikums erzählte Dietrich jedoch unter der Hand, sie würden diese Impfungen aus Kostengründen nicht mehr machen.

Der Mediziner schrieb daraufhin einen Brief an Bruno Wirnitzer, den mittlerweile gekündigten Personalgeschäftsführer der städtischen Klinikum-GmbH. Auch die Kassenärztliche Vereinigung schloss sich der Rechtsauffassung ihres Mitglieds Dietrich an und wies das Klinikum Schwabing in einem Schreiben auf die geltende Schutzimpfungs-Richtlinie hin. Wirnitzer antwortete am 9. Februar und erklärte das Vorgehen des Klinikums für rechtens.

Die verpflichtende Impfung der gesamten Bevölkerung gegen Keuchhusten sei bereits empfohlen, nur noch nicht in der Richtlinie festgeschrieben. Und dafür seien dann selbstverständlich die gesetzlichen Krankenversicherungen heranzuziehen.

Für die Impfung gegen Mumps, Masern und Röteln erhält ein Arzt von der Versicherung 15,34 Euro und die Kosten für den Impfstoff, die für eine Dosis bei 51,06 Euro liegen. Die Kosten für die Keuchhusten-Impfung liegen etwas niedriger, und wenn der Arzt den Impfstoff in Zehner-Packungen bestellt, sinkt der Preis noch einmal.

Dietrich schrieb später einen weiteren Brief an Wirnitzer: Er werde, wenn erneut Klinikums-Mitarbeiter zu ihm kämen, um sich impfen zu lassen, diese Impfungen vornehmen, sie dann aber dem Klinikum "als Auftragsleistung in Rechnung stellen". Eine Antwort darauf hat der Arzt nicht erhalten, allerdings kam in seiner Praxis seitdem auch kein solcher Fall mehr vor.Vom Städtischen Klinikum war eine aktuelle Stellungnahme nicht zu erhalten.

© SZ vom 26.07.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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