Akustischer Adventskalender:Kerzerl, Engerl und Christbaamkugln

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Als Kulturreferentin war es Katharina Rufs Aufgabe, andere Künstler vorzustellen. Nun steht sie selbst im Mittelpunkt. (Foto: oh)

Kirchheims Kulturreferentin Katharina Ruf spricht auf einer CD 24 ihrer Mundart-Gedichte zum Advent

Von Udo Watter, Kirchheim

Sich mit dem Auto im Stop-and-go-Verfahren durch die verstopften Straßen der Stauhauptstadt München zu kämpfen, steigert dieser Tage nicht gerade die Besinnlichkeit. Fast noch nervenzehrender als die Vorweihnachtszeit auf dem Mittleren Ring ist das adventliche Flair in der Fußgängerzone. Die Massenhatz auf Geschenke fördert nicht immer das Gute zutage im Menschen.

Aber dann passieren kleine Alltagswunder: Der entgegenkommende Autofahrer, der einen mit zwangloser Handbewegung links abbiegen lässt, die Frau, die einen unvermutet an der Kasse vorlässt, weil man deutlich weniger Waren im Korb hat. Kleine Gesten nur, aber vielleicht versöhnen sie einen kurz mit dem Alltag. Oder in den Worten von Katharina Ruf: "Des merk dir guat, es ist so leicht: Die kloanste Geste oft scho reicht!" Die Kirchheimer Kulturreferentin spricht diesen Schlussreim ihres Mundartgedichts "Schenken is schee" mit der ihr eigenen schönen bairischen Klangfärbung. Zu hören ist das Gedicht auf einer gerade erschienenen CD - und unter "Schenken" versteht Katharina Ruf in diesem Fall natürlich weniger eine materielle Gabe als vielmehr einen Ausdruck von Herzlichkeit: Zeit schenken, ein Lächeln schenken, eine Umarmung.

Der Bayerische Landesverein für Heimatpflege hat jetzt einen Adventskalender mit Rufs Gedichten in bairischer Mundart herausgebracht. Es ist ein hübsch gestaltetes Heftlein inklusive besagter CD, denn es sind "Gedichte zum Hören, Lesen und Nachdenken". Katharina Ruf, geboren in der Oberpfalz, großteils aufgewachsen in Oberbayern, spricht darauf selbst 24 ihrer lyrischen Gedanken zum Advent und neben klassischen Weihnachtsthemen wie "Der Christkindlmarkt", "Der Nikolaus", "Maria & Josef", "A Kerzerl im Advent" oder "D' Christbaamkugel" gibt es auch zeitlosere Gedichte über die "D'Herzlichkeit", "Engerl des Alltags oder "A Lächeln".

Als Adventskalender-Türchen werden sie vom 1. Dezember an auch auf BR Heimat geöffnet, die Hörer des digitalen Radiosenders dürfen dann täglich Rufs Stimme lauschen. Dass ihre poetischen Anwandlungen, die sie ursprünglich für Freunde und Familie zum Advent als Geschenk zusammengeschrieben hatte, nun einer größeren Öffentlichkeit zugänglich werden - damit hat Ruf, die unter anderem in Eichstätt angewandte Musikwissenschaften studierte und seit 2014 Kulturreferentin in Kirchheim ist, erst mal nicht gerechnet.

Über Elmar Walter, den Leiter der Abteilung Volksmusik im Bayerischen Landesverein für Heimatpflege, dem sie die Mundartgedichte vorgestellt hatte, kam der Kontakt zu Stefan Frühbeis zu BR Heimat zustande und auch der zeigte sich angetan. "Wir haben ihm gleich gesprochene Versionen geschickt, das hat ihm gefallen", erklärt Ruf. Dass die 30-Jährige, die während eines Aufbaustudiums in Paderborn auch beim dortigen Uni-Radio schon entsprechende Erfahrungen gemacht hatte, die Gedichte selbst sprechen durfte, freute sie wiederum besonders. "Dass war mir schon ein Anliegen", sagt sie.

Ruf, die als aktive Chorsängerin (Sopran) ohnehin über eine angenehme, volle Stimme verfügt und bei Veranstaltungen immer wieder mal als Moderatorin auftritt, macht das denn auch gut - schon, wie sie das erste Wort "Platzerlbåcha" mit herzigen oberbayerischem Timbre artikuliert, umschmeichelt die der Mundart geneigten Ohren, und ihre Vorträge sind auch gut rhythmisiert.

Thema eines literaturwissenschaftlichen Seminars dürften die Gedichte freilich nicht werden. Inhaltlich und stilistisch ist das mitunter eher schlicht, da reimt sich schee oft auf Schnee, Tag auf mag und Zeit auf Freud (bairisch ausgesprochen: Freid). Die Besinnlichkeit, Idylle, Freude an der Natur, Kinderlachen und die stade Zeit werden beschworen, weihnachtlicher Stress, Unruhe und Kommerz kritisiert sowie klar gestellt, dass der Nikolaus kein Weihnachtsmann ist ("Er tuat aa g'wiß ko Cola trinka, oder was durchn Schornstein bringa"). Unter-unserem-Himmel-Lyrik, Reim gewordene Zitherklänge, sanfte Geborgenheit atmend - und man darf hier sogar ungestraft "der wo" sagen.

Gesellschaftskritische, eventuell politisch gefärbte Töne schlägt Ruf mitunter auch an, in "Maria & Josef" fragt sie sich: "Dadn sie überhaupt an Stadl findn, um des Kindl zu entbindn?") und kritisiert menschliche Kälte und gleichsam mangelnde Empathie für Flüchtlinge: "Es geht uns so guat wia nie zuvor, nur d' Menschlichkeit bleibt draußd vorm Tor." Ähnlich in "Denka & Redn", wo das lyrische Ich richtig ins Schimpfen angesichts der kleinherzigen First-World-Jammerer kommt: "Da muaß ma sich oft zammareißn, net auszumflipppen und zuruck zum beißen, ma sollt gelassen bleibn, weil d'Leut, redn gern vui Schmarrn, besonders heut." Was die Verschriftlichung des Dialekts angeht, haben sich die Macher um nicht-bayerischer Leser willen für manch umstrittene Form entschieden: Denka (statt denga) oder guat (guad), auch das skandinavisch inspirierte Verdumpfungszeichen ist gewöhnungsbedürftig (wås). Aber das Lesen ist hier vielleicht ohnehin nachrangig. Am besten ist es, man lauscht Katharina Ruf selbst.

"Gedanken. Adventskalender". 24 Gedichte zum Advent von Katharina Ruf zum Hören, Lesen, Nachdenken. München 2018. Alle Gedichte sind mit Musik unterlegt. Er kostet 12,95 Euro im Online-Shop des Bayerischen Landesvereins für Heimatgeschichte, dem der Erlös zugute kommt. Den Adventskalender gibt es zudem in den Buchhandlungen in Kirchheim und Heimstetten.

© SZ vom 30.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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