AfD:Auf der Überholspur in die Politik

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Der Erfolg bei der Bundestagswahl ermuntert die AfD und ihren Kreisvorsitzenden Gerold Otten, die Parteistrukturen im Landkreis auszubauen

Von Bernhard Lohr, Landkreis

Gerold Otten sitzt Montagmittag am Steuer seines Wagens. Der 61-Jährige ist auf dem Weg nach Berlin. 8,4 Prozent der Erststimmen hat er tags zuvor für die AfD im Wahlkreis München-Land, 9,4 Prozent sind es hier für die AfD an Zweitstimmen - fast doppelt so viel wie vor vier Jahren, als die Partei auch im Landkreis München unter der Fünf-Prozent-Marke blieb. Damit ist für den früheren Kampfflieger der Luftwaffe und Oberst der Reserve, der auf Platz acht der AfD-Landesliste angetreten war, der Einzug in den Bundestag perfekt. Nun geht es Schlag auf Schlag. Die erste Sitzung der 14-köpfigen AfD-Landesgruppe aus Bayern stand bereits am Montagnachmittag an. Nur aus Nordrhein-Westfalen kommen mehr AfDler. "Das freut uns ausgesprochen", sagt Otten und meint damit vor allem das schlechte Abschneiden der CSU in Bayern.

Gerade der wiedergewählte CSU-Wahlkreisabgeordnete Florian Hahn dürfte solche Sätze mit Schmerzen aufnehmen. Denn in Otten und Hahn treffen in Berlin zwei Verteidigungspolitiker aus Putzbrunn aufeinander. Otten zieht es in den Verteidigungsausschuss, in dem Hahn seit Jahren tätig ist. Den Vorsitz will die AfD nicht reklamieren. Otten kann sich sogar vorstellen, dass die CSU zum Zug kommt: vielleicht sogar sein Neukollege Hahn, der am Wahlabend im Landratsamt wie alle Vertreter der anderen Parteien den Kontakt zu Otten mied. Der versteht das. Es habe eben keiner Lust auf "Bilder von Handshakes" mit ihm, dem Mann von der AfD.

Der setzt freilich darauf, dass an ihm bald keiner mehr vorbeikommt. Anders als manch verbaler Scharfmacher in seiner Partei gibt er sich stets konziliant. Doch Otten hat auch keine Berührungsängste mit Hardlinern wie der stellvertretenden Bundesvorsitzenden Beatrix von Storch, die er als "warmherzig und offen" im Umgang beschreibt. Auch von einer Begegnung mit dem FPÖ-Vorsitzenden Heinz-Christian Strache ist ein gemeinsames Foto geblieben, das Ottens Facebook-Seite ziert. Die FPÖ sei ein Vorbild, sagt der Putzbrunner, weil sie gezeigt habe, wie man eine schlagkräftige Parteistruktur aufbaut.

Eine solche strebt der frisch gebackene Abgeordnete und Kreisvorsitzende auch an. Aktuell zählt die AfD im Landkreis um die 125 Mitglieder, denen sich Otten zufolge nun im Sog des Wahlsiegs einige hinzugesellen dürften. Die Rechten sehen sich im Münchner Umland im Aufwind und wollen sich mit Blick auf kommende Wahlen mit Ortsverbänden breiter aufstellen. Zu dem Ortsverband in Haar, Grasbrunn und Putzbrunn könnten sich in Baierbrunn und in Ismaning weitere bilden, die auch umliegende Kommunen abdecken. Zwar hat der Landesverband um den Vorsitzenden Petr Bystron in Unterhaching seine Geschäftsstelle, die mehrfach Ziel von Sachbeschädigungen wurde, darüberhinaus reichende Strukturen und Organisationen fehlen mit Ausnahme eines Ortsverbands jedoch. Einstige Gründungsmitglieder haben die Partei in den vergangenen Jahren wegen dessen Rechtsruck verlassen.

Otten sieht Luft nach oben für die AfD, wenngleich er das Potenzial an Wählern im Landkreis München nicht mit dem ländlicher Regionen vergleichen will. Mit weniger als zehn Prozent bei Erst- wie Zweitstimmen im Wahlkreis war die Ausbeute vergleichsweise schwach. 16,5 Prozent holte die AfD in Rottal-Inn, 18,4 in Straubing. In Pullach kam man auf 6,7 Prozent, in Oberhaching, Straßlach-Dingharting und Gräfelfing war es nicht viel mehr. Otten sagt, in wohlhabenden, städtischen Gegenden sei die Zustimmung naturgemäß schwächer als auf dem Land und in Regionen mit sozial differenzierter Struktur. Flüchtlingsheime würden ja auch nicht in Villenviertel gestellt. Am besten schnitt die AfD in Brunnthal mit 11,9 Prozent ab, das freilich auch kaum Flüchtlinge aufnahm, gefolgt von Aying mit 11,6. Stark war die AfD auch in Unterschleißheim, Unterhaching, Taufkirchen und Putzbrunn.

In Berlin will sich Otten, der beruflich viel in Asien war, in der deutsch-indischen Parlamentariergruppe engagieren. Er setzt sich für Abschiebungen ausreisepflichtiger Migranten ein und sieht einen Antagonismus zu Frankreich. Eine europäische Verteidigungsgemeinschaft würde nur Frankreich dienen. Dem Land hält er vor, bei der Wehrtechnik Knowhow aus Deutschland abzuziehen. Otten will dafür eine Annäherung an Russland. Dem deutschsprachigen russischen Medium Sputnik gab er kurz vor der Wahl ein Interview, in dem er als Kampfpilot über den "Sturzflug" des SPD-Kanzlerkandidaten sinnierte. Das vom Kreml gesteuerte Portal hält Otten für unproblematisch. Westliche Medien nähmen doch auch Einfluss in Russland, sagt er.

© SZ vom 26.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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