Adventskonzert in Pullach:Durchs Ohr ins Herz

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Im ersten Teil des Konzerts präsentieren die Streicher des Concerto München und der Tölzer Knabenchor Auszüge aus Händels "Messias". Der mündet in ein angemessen triumphales "Halleluja". (Foto: Angelika Bardehle)

Die Sänger des Tölzer Knabenchors berühren die Zuhörer im Pullacher Bürgerhaus mit adventlicher Musik aus dem Alpenraum, aber auch mit hierzulande wenig bekannten Weihnachtsliedern aus ganz Europa

Von Udo Watter, Pullach

Die stade Zeit kann so schön klingen. Eine einschmeichelnde Melodie, die das Jesuskindlein quasi im Klangbett wiegt, helle Knabenstimmen, die einen sanften Zauber entfalten, leise perlende Klaviertöne. "Es wird scho gleich dumpa" ist ein Klassiker unter den Weihnachtsliedern des alpenländischen Raumes, und wenn ihn die Sänger des Tölzer Knabenchores vortragen, dann klingen im Idealfall die inneren Saiten des Zuhörers mit, hallt vielleicht sogar ein Echo aus Kindheitstagen wider. Die Männerstimmen singen ihren Part beim Konzert im Pullacher Bürgerhaus noch schöner als ihre jüngeren Pendants von Sopran und Alt, da sie einen Tick homogener und nuancierter agieren. Generell gelingt dem Ensemble freilich, was der Gründer und langjährige Leiter des Tölzer Knabenchores Gerhard Schmidt-Gaden in einem Interview mal zur künstlerische Maxime erklärt hat: Weniger die intellektuelle Herangehensweise pflegend, als vielmehr von Gemüt und Gehör ausgehend. "Dann kommt man gleich ans Herz."

Der zweite Teil des Weihnachtskonzerts in Pullach war diesem Ansatz schon von der Liedliteratur her verpflichtet: Unter dem Motto "Europäische Weihnacht" entführte der Chor auf eine besinnliche und fröhliche Reise durch verschiedene Länder des Kontinents. Hirtengesänge, Wiege- und Sternsingerlieder waren darunter, teilweise in den Landessprachen wiedergegeben, etwa das reizende "Fum, fum, fum" aus Katalonien. Wörtlich übersetzt bedeutet der Titel "Rauch" und symbolisiert wohl das Lagerfeuer im Stall oder der Hirten. Auf einfache Weise bezaubernd war auch das polnische Lied "Schlaf mein Jesulein" (Lulajze Jeżuniu), weil sich hier nicht nur die beeindruckende charakteristische Klangkraft zeigte - bei den Tölzern wird traditionell besonders Wert gelegt auf eine solistische Ausbildung -, sondern auch die kantable Geschmeidigkeit der jungen Sänger. Das Pianissimo, das hauchzart durch den Raum schwebt, ist dagegen nicht unbedingt das Markenzeichen des renommierten Vokalensembles, das in seiner 60-jährigen Geschichte unter anderem den Deutschen Schallplattenpreis und einen Echo-Klassik gewonnen hat - da wäre noch Luft nach oben. Christian Fliegner, der nach der Pause hauptsächlich dirigiert, hat seine Sänger freilich generell gut im Griff, lässt sie angemessene klangliche Strahlkraft und Dynamik entwickeln, ohne dass diese überdrehen - abgesehen vielleicht von Momenten kurzer stimmgewaltiger Soloexkursionen im Sopran.

Der erste Teil des Pullacher Konzerts ist weniger ein Tribut an den volksmusikalisch-besinnlichen Zauber von Weihnachten, sondern eine Episode dramaturgisch packender, effektsicherer Vertonungen von Geburt und Triumph Christi: Hier unter Leitung von Dirigent Clemens Haudum, der im zweiten Teil ans Klavier wechselt, und begleitet vom Streichquintett des Concerto München sowie Johannes Berger an der Orgel, zeigen sich die 17 Knaben- und 13 Männerstimmen auf der Höhe. Der Auftakt-Choral "And he shall purify" lässt einen mitreißend eintauchen in Händels Kosmos, und auch fortan präsentiert sich der Chor sicher in Koloraturen und Artikulation. Der Solobassist ist überzeugend, besonders in "Why do the nations so furiously rage together?". Streicher-Ensemble und Chor finden eine schöne Balance, wiewohl mit zunehmender Dauer die Stimmung der Barockviolinen nachlässt und die Folgen, suboptimale Intonation, ein wenig auf die Sänger abfärbt. Gleichwohl war es ein fesselnder Auftritt, der in ein angemessen triumphales "Halleluja" mündete.

Ein wenig schade war allerdings, dass die Programm-Informationen für das Publikum dünn blieben. Gerade im zweiten Teil, wo der Chor neben "Es wird scho glei dumpa", "Fröhliche Weihnacht" oder einer schönen Version von "Maria durch ein Dornwald ging" für deutsche Ohren doch weitgehend unbekannte Lieder sang - unter anderem aus Rumänien, Italien oder Frankreich - hätte das nicht geschadet. Die zweite Zugabe dürfte den meisten Zuhören freilich wieder vertraut gewesen sein: Der Andachtsjodler entließ einen tief berührt in die stille Nacht um Pullach.

© SZ vom 07.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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