Landgericht München:Wohl doch keine Scheinehe

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Ein Deutscher und eine Weißrussin ließen sich trauen und standen prompt unter dem Verdacht, eine Scheinehe zu führen. Jetzt hat das Landgericht das Verfahren gegen das Paar eingestellt - die Polizei hatte offenbar einseitig ermittelt.

Von Christian Rost

Es gibt schmale, unscheinbare Eheringe, die Ringe von Alisa F. und Stefan K. aber sind noch in einigen Metern Entfernung deutlich zu erkennen. Echte Schmuckstücke sind das, und man könnte meinen, sie tragen sie an diesem Mittwoch in der Berufungsverhandlung am Landgericht München I. demonstrativ offen, um zu zeigen: Wir gehören zusammen. Die Staatsanwaltschaft will dem Deutschen und der Weißrussin das Gegenteil beweisen und hat sie wegen eines Vergehens gegen das Aufenthaltsgesetz angeklagt. Der Nachweis, dass die beiden nur eine Scheinehe führen, gelingt der Anklage aber nicht. Auch weil die Polizei einseitig ermittelte.

Der 35-jährige Selbständige und die 30-jährige Geschäftsführerin lernten sich in einer Münchner Disco kennen. 2008 ließen sie sich trauen. "Es war am 31. August", sagt Stefan K., und genau an diesem Tag begannen auch die Schwierigkeiten für das Paar. Die im Kreisverwaltungsreferat (KVR) für ausländerrechtliche Fragen zuständige Abteilung habe sie noch vor dem Trauungstermin angezeigt, sagt Alisa F. Die Behörde witterte offenbar allein aufgrund der Tatsache, dass ein Deutscher einen Frau aus einem Nicht-EU-Land heiraten wollte, einen Schwindel. Wie in solchen Fällen üblich, trat die Polizei in Aktion.

Entwürdigende Hausdurchsuchung

Im Dezember 2009 klingelten drei Beamte mit einem Durchsuchungsbeschluss in der Tasche an der Wohnungstür des Paares in Giesing. Es folgte eine entwürdigende Kontrolle bei Alisa F., die alleine zu Hause war, was die Ermittler als erstes Indiz für eine Scheinehe werteten. Tatsächlich war der Ehemann an diesem Tag auf Geschäftsreise, was er belegen konnte. Doch die Tatsache, dass er in der 50-Quadratmeter-Wohnung nicht angetroffen wurde, war schon in den Akten vermerkt.

Es blieb natürlich nicht bei dieser einen Notiz, die Beamten glaubten, noch weitere Beweise für eine Scheinehe gefunden zu haben, die nur das Bleiberecht für die Frau zum Zwecke hat. Dass die beiden eine Liebesheirat vorgegaukelt hätten, machten die Polizisten zum Beispiel an den in der Wohnung aufgefundenen Männerschuhen fest. Angeblich befanden sich mehrere nicht zusammenpassende Schuhpaare in der Wohnung, was die Ermittler auch fotografierten. Dann wurden den Angaben zufolge auch keine Herrenhemden vorgefunden. Die Kleiderschränke wurden ebenfalls abgelichtet. Und schließlich meinten die Beamten noch, die Schlafcouch sei zu klein für zwei Personen.

Polizei konstruierte belastende Beweise

Die Ermittlungsakte ging an die Staatsanwaltschaft und Alisa F. und Stefan K. bekamen Strafbefehle zugeschickt, die nicht nur eine Geldstrafe für die beiden bedeutet hätten, sondern letztlich die Abschiebung der Ehefrau. Das Paar legte am Amtsgericht Einspruch ein. Der zuständige Richter beurteilte den Fall aber ebenso wie die Polizei - und verurteilte die Angeklagten. Am Berufungsgericht stellte sich nun heraus, dass die Polizei gezielt nach Belastendem gesucht und die Beweise entsprechend ausgelegt hatte.

Wie die Verteidiger Sylvia Klass-Jofer und Stephan Lehmair nachweisen konnten, war etwa die Sache mit den Schuhen konstruiert worden. Die Anwälte belegten mit Fotos, dass bewusst Schuhe so fotografiert wurden, dass nebeneinanderstehende Paare gar nicht zu erkennen waren. Die Bilder der Polizei zeigten jeweils einen Schuh des einen Paares und daneben den eines anderen. So musste der Eindruck entstehen, die Schuhe passten nicht zusammen. Ähnliches passierte bei den Kleidungsstücken. Ob sich wirklich keine Männerhemden in den Schränken befunden hatten, konnten die Beamten gar nicht wissen: Sie hatten die geschlossenen Schränke von außen fotografiert, was keinen Beweiswert hat. Hinsichtlich der Schlafcouch stellte sich heraus, dass sie ausziehbar ist und somit nicht zu klein für zwei Personen.

Die Anklage fiel nach und nach in sich zusammen, was die Staatsanwaltschaft immerhin dazu brachte, einer Einstellung des Verfahrens gegen eine Geldauflage zuzustimmen: 3000 Euro muss Stefan K. zahlen, 2500 Euro Alisa F. Die beiden stimmten nur "mit Bauchschmerzen" zu. Sie wollten aber die jahrelange seelische Belastung beendet wissen. Ihre Anwältin Klass-Jofer wirft der Polizei "eine vorgefertigte Meinung" in solchen Fällen vor: "Die Ermittlungen waren nicht fair."

© SZ vom 27.11.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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