Landgericht München I:Aus Wut auf Frauen

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Aus Langeweile habe er die Frauen verfolgt: Am Landgericht hat der Prozess gegen einen Serien-Sextäter begonnen, der fünf Jahre lang Frauen überfallen hat. Dabei wird deutlich, dass sich der Angeklagte vor allem selbst bedauert.

Christian Rost

Der Mann, der in München fünf Jahre lang nachts Frauen überfiel und bis August 2010 von einem Großaufgebot der Polizei gejagt wurde, bedauert sich. Zum Auftakt des Prozesses gegen Serien-Sextäter Pavo P. am Montag am Landgericht München I spricht der 41-jährige Angeklagte mehr als eine Stunde lang über seine schwierige Kindheit, seine gescheiterten Ehen, den Stress als Lieferwagenfahrer und die ersten Tage in der Untersuchungshaft, in der er Zahnbürste und Fernseher vermisste. Schließlich unterbricht der Vorsitzende der dritten Strafkammer, Anton Winkler, das Klagelied: "Gab es nur Furchtbares in Ihrem Leben?" Nein, sagt Pavo P., die Kroatienurlaube und die Oktoberfestbesuche mit den Eltern, das sei schon schön gewesen.

Man darf gespannt sein, was der psychiatrische Sachverständige Norbert Nedopil im Laufe des Verfahrens zu diesem Fall sagen wird: Ist P. psychisch krank oder ist er eine Art Stalker, dessen Taten Ventile in Drucksituationen waren? Nach der ersten Aussage des Angeklagten scheint es so, als ob er zumindest schwer traumatisiert ist seit seiner Kindheit mit tyrannischer Mutter und schwachem Vater. Jedenfalls ist P. vor allem mit sich selbst beschäftigt.

Abgesehen von ein paar Floskeln, mit denen er seine Taten bedauert, findet er vor Gericht keine vernünftigen Worte für seine 17 Opfer. Verteidiger, Raimund Förschner, muss für Pavo P. eine Erklärung abgegeben, die das Gericht womöglich von dem Angeklagten selbst erwartet hätte: Dass er es zutiefst bedauert, 13 Frauen sexuell genötigt und vier vergewaltigt zu haben. Dass es kaum Schlimmeres gebe für Frauen, als nachts von einem Mann überfallen zu werden.

P. ist schwer zu greifen. Sein Erscheinungsbild - kahlgeschorener Kopf, athletische Figur - steht in krassem Widerspruch zu seiner offenkundigen Hilflosigkeit in Konfliktsituationen. Widersprüchlich ist auch, dass er einerseits seine Eltern als Horrorpaar beschreibt, das sich permanent gedemütigt und geprügelt hat. Und dass der Sohn doch erst im Alter von 20 Jahren zu Hause auszieht; andere nehmen früher Reißaus in solchen Situationen. Sollte sich zeigen, dass P. ein schizophrenes Verhältnis zur Mutter hat, wäre dies eine Erklärung. Dem Gericht fällt aber auf, dass er nicht nur mit der Übermutter Probleme hatte, sondern auch mit anderen Frauen. Zwei gescheiterte Ehen hat er hinter sich. "Hassen Sie diese Frauen?", fragt der Vorsitzende Winkler. "Ich hab' schon eine Wut", sagt P.

Wie in den Vernehmungen bei der Polizei beharrt er auch in seinem Geständnis vor Gericht darauf, dass seine nächtlichen Übergriffe auf die zierlichen und langhaarigen Frauen in München nicht sexuell motiviert gewesen seien. Er habe sie nur "erschrecken" wollen. "In Stresssituationen oder aus Langeweile" heraus habe er sich nachts ins Auto gesetzt, sei von seinem Wohnort im Landkreis Ebersberg in die Stadt gefahren und habe sich dort "auf die Pirsch" gemacht. Er ging Frauen hinterher, packte sie, hielt ihnen den Mund zu - und griff ihnen in den Intimbereich. Eine Studentin fügte sich dem Vergewaltiger in Todesangst. Die anderen 16 Opfer konnten ihn mit Schreien und heftiger Gegenwehr vertreiben. Der Prozess wird fortgesetzt.

© SZ vom 09.08.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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