Laim:Zu guter Letzt

Lesezeit: 4 min

Am Donnerstag wird nun auch in Laim eine Flüchtlingsunterkunft eröffnet. An der Zschokkestraße ist Platz für 282 Menschen, die bisher in der Bayernkaserne und an der Hansastraße untergebracht waren

Von Andrea Schlaier, Laim

Laim gehört zu den wenigen Vierteln der Stadt, in denen bislang noch keine einzige Unterkunft für Flüchtlinge steht. Umso bemerkenswerter, dass im 25. Bezirk polizeibekannte Rechtsradikale Stimmung gegen Flüchtlingshäuser machten wie sonst nirgends. Dies war ein Grund, weshalb sich die Stadtverantwortlichen in München entschieden hatten, die Bürgerversammlung in Laim Ende November 2015 unter Polizeischutz abhalten zu lassen. So etwas gab es hier noch nie. Am 11. August nun öffnet auf dem Gelände an der Zschokke-/Westendstraße tatsächlich das erste Heim für Geflüchtete. "Die Infoveranstaltung, die wir vorab für Anwohner gemacht haben, verlief sehr sachlich und ruhig", sagt Martin Kunschak, Sprecher des Sozialreferates. An die 100 Leute seien gekommen und hätten über Belegzahlen, Betreuungsschlüssel, Sicherheitskonzept und die Möglichkeit zur ehrenamtlichen Unterstützung sprechen wollen. Business as usual, wenn man so will.

Nicht ganz so gewöhnlich ist die Unterkunft selbst, die sich auf der Brache an der Zschokkestraße wie auf einem Serviertablett präsentiert. Der dreigliedrige Komplex in Holzständerbauweise, der sich in einem halbrund um eine grüne Mitte mit kleiner Spiellandschaft und Tischtennisplatten fügt, macht weiß getüncht und mit hellgrünen Holz-Fensterläden was her auf der ansonsten öde Fläche. Das Dauerrauschen des umgebenden Verkehrs gerät glatt in den Hintergrund. Auf dem Gelände wird einmal ein Wohn- und Geschäftsviertel aus dem Boden sprießen, bis Dezember 2020 kann die Fläche zwischengenutzt werden - unter anderem für die Flüchtlingsunterkunft, die die Stadt München betreibt.

Kleine bunte Welt: das neue Haus für Flüchtlinge, in Holzständerweise gebaut, und eine grüne Mitte mit einer Spiellandschaft und Tischtennisplatten. (Foto: Stephan Rumpf)

"Der Charakter der Anlage", sagt Martin Kunschak beim Rundgang durch das noch leere Haus, "ist besonders schön. Schöner Standort, gute Bauweise, ansonsten der übliche einfache Standard". Will sagen: sieben Quadratmeter Platz pro Person und Zimmer. "So eine Einrichtung ist vom Betrieb her günstiger als eine Leichtbauhalle, bei der - vor allem aus Brandschutzgründen - an jeder Ecke Security-Mitarbeiter erforderlich sind", argumentiert Kunschak. Außerdem sei es fürs Zusammenleben und das Klima im Haus förderlicher, wenn die Bewohner ein eigenes Zimmer und damit eine tatsächliche Rückzugsmöglichkeit hätten, statt ausschließlich in abgetrennten, aber nach oben offenen Abteilen leben zu müssen.

Für 282 Personen ist der Komplex mit der offiziellen Adresse Hans-Thonauer-Straße 3 d ausgelegt, einziehen sollen Familien und Alleinstehende. Dazu zählen auch die etwa 100 Männer, die bis Ende Juni an der Tübinger Straße gewohnt haben und vorübergehend in die Bayernkaserne umgesiedelt wurden. Aus der Nachbarschaft kommen auch diejenigen, die bisher in der Leichtbauhalle an der Hansastraße ein Dach über dem Kopf hatten. Dass beide Gruppen den Kontakt zu bereits vertrauten Ehrenamtlichen und Einrichtungen halten können, dafür haben sich die Helferkreise sowohl der Tübinger- und Hansa-Straße als auch des katholischen Pfarrverbands Laims stark gemacht. Kunschak legt aber auch Wert auf die Feststellung, "dass wir als Stadt generell schauen, dass die Menschen ortsnah aus Leichtbauhallen und umgebauten ehemaligen Büroräumen heraus in Unterkünfte mit besserem Standard verlegt werden." Voraussichtlich größtenteils aus Syrien, Afghanistan, Pakistan und dem Iran stammen die Bewohner an der Hans-Thonauer-Straße. "Die endgültige Belegung steht aber derzeit noch nicht fest", erläutert Kunschak, "und ihre Aufenthaltsdauer hängt von der Dauer ihres Asylverfahrens ab."

Der Hausherr: Dieter Lischka leitet die Flüchtlingsunterkunft in Laim. (Foto: Stephan Rumpf)

Mario Graziadei zeigt der kleinen Gruppe beim Rundgang durch den Neubau, wie die Menschen dort dann wohnen werden. Zusammen mit Kollegin Marion Möhle kümmert sich der Mitarbeiter vom Amt für Wohnen und Migration um die Baubegleitung. An einem der langen Flure öffnet er eine Tür in ein kleines Familienappartement, 42 Quadratmeter für vier Personen. Gleich am Eingang stehen zwei noch nackte Bettgerüste, um die Ecke ist die Küchenzeile startklar, das Bad in der Nische mit Dusche, WC und Waschbecken glänzt blitzeblank. In einem Nebenzimmer - "Hier könnte das Eltern- und Kinderschlafzimmer sein", sagt Graziadei - stehen auch schon zwei Bettgestelle. "Zur Ausstattung pro Zimmereinheit gehören Stuhl, Tisch, Bett, Kühlschrank." Jedes Stockwerk bietet für jeweils etwa 50 Menschen zwei Gemeinschaftsräume und eine Gemeinschaftsküche. Durch die vielen grünen Fensterläden scheint selbst das Licht von draußen grün zu schimmern. "Das Baureferat hat sich von Farbpsychologen beraten lassen, der Farbton soll beruhigend wirken," sagt Marion Möhle. An den Wänden hängen Notfallpläne in sieben Sprachen.

Außer den eigenen hallenden Schritten ist noch nicht viel zu hören in der Unterkunft, einzig im Erdgeschoss regt sich erstes Leben. Gleich beim gläsernen Eingang, auf dem in großen Lettern "Verwaltung" klebt, steht Dieter Lischka, mit ein paar Kollegen etwas verloren zwischen zwei Schreibtischen in einem künftigen Groß-Büro. In der einen Hand einen Schlüssel, in der andern den Schließplan fürs Haus. "Wir registrieren die ganzen Schlüssel, warten noch auf die Lieferungen von Betten und Stühlen und klären organisationstechnische Fragen", erklärt Dieter Lischka. Zur Vorbereitung auf den Einzug gehört auch ein zumindest ungefährer Belegungsplan: "Wir schauen, dass die Leute bei uns von der Herkunft her nicht einfach wild durcheinandergemischt werden, sondern so, dass sie sich gut verstehen." Lischka kennt sich aus, schließlich hat er zuvor die Unterkunft an der Karlstraße mit 800 Bewohnern geleitet.

Neben sein Büro ziehen die Mitarbeiter der Asylsozialberatung von Caritas-Alveni. An ein dauerhaftes Arzt-Zimmer ist ebenfalls gedacht. Für die Kinder in der Unterkunft gibt es eine eigene Betreuung, die größeren gehen in Übergangsklassen und je nach Deutsch-Kenntnissen in Sprengelschulen. Haussicherheitskräfte werden täglich auf den grünen Gängen unterwegs sein. Und den Nachtdienst, sagt Lischka, übernimmt ein Sicherheitsdienst.

Martin Kunschak vom Sozialreferat sieht dem Neubeginn gelassen entgegen. Dass zu den Einnwohnerversammlungen in der Stadt - so auch im Fall Hans-Thonauer-Straße 3 d - tendenziell weniger Leute kämen, liege vielleicht auch daran, dass die Münchner bereits Erfahrung mit Flüchtlingen in unmittelbarer Nachbarschaft hätten. Diese können jetzt auch die Laimer sammeln - und einbringen für eine zweite Unterkunft, die bald an den Start gehen soll. An der Elsenheimerstraße 48-50 soll nach einer mehrmonatigen Umbauphase ein ehemaliges Bürohaus als weiteres Domizil für 500 Geflüchtete in Laim eröffnet werden.

© SZ vom 10.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: