Laim:Weihwasser aus dem Schampus-Kühler

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Eine etwas eigenwillige Segnung zwischen Registrierkassen: Im ehemaligen Kaufhaus Beck öffnet nun ein schicker Supermarkt, bald zieht auch ein Online-Reisebüro ein. 28 Jahre Leerstand und Verfall sind beendet - manch einer im Viertel hat schon nicht mehr daran geglaubt

Von Andrea Schlaier, Laim

Beim Kaufhaus Beck am Rathauseck werden sie aufatmen. 28 Jahre ist es her, dass sie ihre Filiale an der Fürstenrieder Straße 21 geschlossen haben, weil die sich nicht zum Bummel-Boulevard entwickelt hatte, die Kasse daher nicht, wie erwartet, klingelte. Zwei Jahre nach Becks Auszug machte auch Tengelmann an der Adresse dicht; seither stand der mächtige Klinker-Bau leer und verfiel. Der Ruch eines städtebaulichen Schandflecks klebte ebenso unlösbar an dem Gebäude wie der Name des seit Jahrzehnten Nicht-mehr-Betreibers. Das wird sich mit diesem Donnerstag ändern: Die trutzige Backstein-Burg ist äußerlich innerhalb eines knappen Jahres bis zur Unkenntlichkeit geglättet worden. Einzig der Bauch des Komplexes erinnert mit seinem aufpolierten industriellen Charme an seine Vergangenheit. Davon können sich die Laimer bei der Eröffnung des weitläufigen Edeka-Vollsortimenters nun selbst überzeugen.

Da reiben sich viele Laimer die Augen: Der rote Klinker-Koloss an der Fürstenrieder Straße ist nicht mehr wiederzuerkennen. (Foto: Stephan Rumpf)

Um welch außergewöhnliche Supermarkt-Eröffnung es sich hier handelt, lässt sich bereits am Dienstagabend studieren, als Familie Grosjean, ab sofort Betreiber des Standorts, hier zum Vorab-Opening lädt: Vertreterinnen des Münchner Stadtrates sind da, auch einige vom Laimer Bezirksausschuss, darunter dessen Chef Josef Mögele (SPD). Sie tummeln sich mit einem Glas perlenden Schaumweins in der Hand unter den Gästen, schlendern zwischen sichtbar gebliebenen schwarzen Stahlträgern und unter Rohr-Labyrinthen der offenen Decken neugierig durch das weitläufige Regal-Reich, Ausschau haltend nach architektonischen Relikten "des alten Beck". Mögele und Kollegin Alexandra Gaßmann (CSU) haben hier vor Jahrzehnten selbst noch eingekauft. Ein junger Priester ist aus der nahen St.-Ulrich-Pfarrei gekommen, um zwischen Registrierkassen das neu erwachte Leben in der alten Immobilie zu segnen, den Weihwasserwedel in einem güldenen Schampus-Kühler versenkt. "Wir ham nix Passendes gefunden!" Spricht's und grinst.

Im ehemaligen Kaufhaus Beck eröffnet nach dem aufwendigen Umbau als erstes ein Supermarkt. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Michael Ehret vom Starnberger Investor Ehret + Klein ist es, der ganz offiziell daran erinnert, dass die Stimmung an der Fürstenrieder Straße 21 nicht immer ganz so prickelnd war. "Als wir 2015 begonnen haben, uns mit dem Haus zu beschäftigen, hielten uns alle für verrückt." Von einem asbestverseuchten Gebäude sei die Rede gewesen und illegalen Bewohnern, die Nachbarn seien auch zerstritten, habe es geheißen. Nachdem 1992 das stattliche Anwesen verwaist war, türmten sich hier schnell wilde Müllhaufen, Tauben und Ungeziefer richteten sich ein. Die Projektentwickler haben ein in vielerlei Hinsicht herausforderndes Erbe angenommen.

Die Verkaufsflächen erstrecken sich über das Erdgeschoss und den ersten Stock. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Obgleich die Immobilie rege den Eigentümer wechselte, schaffte es über Jahrzehnte keiner auch nur ansatzweise, seine Visionen hier zu realisieren: Von einem Elektro-Kaufhaus war die Rede, Sport Scheck interessierte sich, Siemens wollte ein Show-Center etablieren. Daraus wurde ebenso nichts wie aus Fitness-Tempel und Ökokaufhaus. Erheblich geschadet hat dem rotbraunen Riesen zudem ein Fehlgutachten aus dem Jahr 1991. Das attestierte dem Haus, zu Unrecht, wie sich später herausstellte, asbestverseucht zu sein. Der Makel klebte. Als 1999 eine Unternehmerin vom Tegernsee das Haus kaufte und an der Stelle ein gläsernes Wohn- und Geschäftshaus versprach, schlugen die Wellen im Viertel hoch. Denn die Eigentümerin beabsichtigte, hier, in unmittelbarer Nähe etlicher Schulen, auch an Spielhallen-Betreiber zu vermieten. Die Laimer demonstrierten dagegen zu Hunderten auf der dafür gesperrten Fürstenrieder Straße.

Geleitet wird der Supermarkt von Robin und Katharina Grosjean. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Dennoch legte die Unternehmerin los, blieb aber mit ihrem Umbau auf halben Weg stecken. Der Beck-Torso wurde 2014 zwangsversteigert. Die Stadt trat dabei selbst als Bieterin auf, hielt den Kaufpreis von letztlich 6,1 Millionen Euro aber für zu hoch. Bezirk und rot-grüne Stadtrats-Koalition hatten sich für den Erwerb eingesetzt, weil dann an der Stelle Raum für soziale und kulturelle Nutzung im Viertel geschaffen werden könne. Die Wünsche sollten sich nicht erfüllen.

Ein Bistro ist mit dabei. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Als Ehret + Klein ins Spiel kommen, sind die Illusionen im Viertel längst begraben. Letztlich haben sich die Starnberger Projektentwickler von Anfang an mit Lokalpolitikern und Stadtverwaltung zusammengesetzt, Bedarf abgefragt und das Haus tatsächlich wachgeküsst: Links und rechts schlossen sie die Lücken zu den Nachbarhäusern, der Komplex ist von ursprünglich drei um zwei weitere Stockwerke erhöht worden, so dass eine ruhige Fassade entsteht, mit lang gestreckten Fenstern statt der einstigen sogenannten Schießscharten. Edeka eröffnet nun auf 2000 Quadratmetern Fläche. In die darüber liegenden Etagen zieht das Online-Reisebüro Expedia auf mehr als 5000 Quadratmetern ein. Diese Flächen, sagt Ehret, sollen im Frühjahr 2019 übergeben werden. "F21" nennen sie ihr Projekt. Vielleicht verabschieden sich nun auch die Laimer sprachlich vom "Kaufhaus Beck".

© SZ vom 29.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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