Laim:Quartier auf dem Reißbrett

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Wohnungen für circa 2500 Menschen sollen auf dem 8,6 Hektar großen Areal zwischen Zschokke- und Westendstraße entstehen. (Foto: Landeshauptstadt München/oh)

Sechs Büros konkurrieren noch im Architektenwettbewerb zur Bebauung und Begrünung des ehemaligen Tramdepots an der Zschokkestraße in Laim. Die Präsentation der Entwürfe stößt auf großes Interesse

Von Berthold Neff, Laim

In der dicht bebauten Stadt ist das mittlerweile fast eine Seltenheit: Eine freie Fläche von 8,6 Hektar, direkt an der U-Bahn gelegen, offen für die Zukunft. Auf dem Areal zwischen Zschokke- und Westendstraße, wo die Stadtwerke einst ihre Trambahnen und Busse stationierten, soll ein neues Viertel entstehen, mit Wohnungen für etwa 2500 Menschen, einem Hotel, einer Grundschule, Kindertagesstätten, Geschäften, Lokalen und trotz alledem auch viel Grün, 20 000 Quadratmeter mindestens. Wie bringt man all das auf einen Nenner? Das war die Aufgabe, der sich 18 Architekten und Grünplaner aus Deutschland, Österreich, der Schweiz, Dänemark und den Niederlanden gestellt haben. Vor zwei Wochen wählte das Preisgericht unter Vorsitz des Architekten von Thomas Jocher, Direktor des Instituts Wohnen und Entwerfen der Universität Stuttgart, daraus sechs Arbeiten aus, die nun in einer Infoveranstaltung der Öffentlichkeit präsentiert wurden.

Dass die Laimer schon gespannt darauf sind, wie auf dem Areal südlich des U-Bahnhofs Westendstraße entsteht, wurde bei der Präsentation der sechs Entwürfe im Foyer des Ärztlichen Kreis- und Bezirksverbands an der Elsenheimerstraße deutlich, das sich für den Andrang als fast zu klein erwies. Grundsätzliche Kritik an den Entwürfen übten die etwa 100 Bürger in der anschließenden Diskussionsrunde mit Workshop-Charakter nicht. Sie gaben aber auf etwa 50 Zetteln, die an Stellwände gepinnt wurden, viele Hinweise, was sie sich auf dem Areal besonders wünschen: Mehrgenerationenwohnen etwa oder aber Studentenbuden, einen Bolzplatz für Jugendliche, von Wind und Wetter geschützte Fahrradstellplätze und genügend E-Tankstellen für die Elektromobilität der Zukunft.

Zu Beginn der Veranstaltung umriss der Architekt Moritz Auer, der als Fachpreisrichter bei der Auswahl mitgewirkt hat, die Aufgabe: Es sollte ein "stabiles, tragfähiges Grundgerüst" geliefert werden, auf dem ein neues Quartier so entstehen kann, dass es "Vielfalt in der Einheit" repräsentiert und trotz des starken Verkehrs auf den Straßen ringsum im Inneren eine hohe Wohnqualität garantiert.

Welche Büros diese Aufgabe am besten gemeistert haben, wird sich noch zeigen. In die zweite Stufe des Wettbewerbs gehen die sechs Büros (darunter drei aus Berlin, je eines aus Dachau, Starnberg und München) mit leicht veränderten Modellen. Sie haben bis zur nächsten Jury-Sitzung Anfang 2017 die Chance, die Anregungen der Preisrichter und der Bürger aufzugreifen.

In einem sind sich die sechs Wettbewerber einig: Alle haben das gewünschte Hotel-Hochhaus mit seinen etwa 20 Etagen an die nordöstliche Ecke des Areals postiert, direkt an der Kreuzung zwischen Zschokke-, Westend- und Tübinger Straße. Die einen rücken diesen Eckpunkt direkt an die Straßen, um dahinter Raum für eine geschützte Plaza zu schaffen, andere setzen diesen Stadtplatz stärker dem Verkehr aus und lassen das Hotel rückwärts davon in die Höhe wachsen. Erfindungsreich zeigen sich die Architekten auch bei der Platzierung der fünfzügigen Grundschule mit Sportplatz und Dreifach-Turnhalle.

Die einen setzen sie an den südöstlichen Rand, was die Anbindung an das Stadtteilkulturzentrum erleichtert, das die Stadt an der Friedrichshafener Straße plant - größere kulturelle Veranstaltungen können dann in der Turnhalle stattfinden. Die Kommentare der Preisrichter lassen im Übrigen den Schluss zu, dass sie es ganz gut finden, wenn die Schule und die Kitas im Süden des Quartiers positioniert werden. Beträchtliche Unterschiede treten auch in der Art und Weise zutage, wie die Grünplaner die Freiflächen verteilen. Die einen konzentrieren sie zu einer großen Fläche im Inneren, andere teilen sie auf oder versuchen, mit ihr den Anschluss zu den Kleingärten im Süden des Areals zu finden.

Auch nach dieser Präsentation lässt sich kaum sagen, welcher Entwurf das Rennen machen wird. Ein paar Schlüsse lassen sich allenfalls aus den Bewertungen der Arbeiten ziehen. Die Tarnzahl 1005 zum Beispiel, ein Entwurf des Münchner Büros Laux Architekten in Zusammenarbeit dem Studio Vulkan Landschaftsarchitektur aus Zürich, überzeugte die Jury "insbesondere im Zusammenspiel zwischen Bebauung und Freiraum" und zeige insgesamt einen "fein komponierten städtebaulichen Entwurf" mit einer "ganz eigenständigen Identität". Auffallend an diesem Entwurf ist der Freiraum, der sich in Z-Form zwischen die Baukörper schmiegt.

Interessant fand die Jury auch die Pläne des Büros Deffner Voitländer Architekten aus Dachau zusammen mit dem Münchner Büro Burger Landschaftsarchitekten. Sie hätten mit dem Hotel direkt an der Westendstraße einen "räumlichen Abschluss" erreicht und so Richtung Westen einen Platz modelliert, der die räumliche Abfolge von Grün- und Freiflächen Richtung Süden einleitet, ein insgesamt "attraktives und abwechslungsreiches Angebot". Die Arbeit der Berliner Crew von Teleinternetcafê GbR mit Treibhaus Landschaftsarchitektur Hamburg fällt schon rein optisch aus dem Rahmen, weil sie das Areal in "zwei sehr markante und räumlich spannende Stadträume" spaltet, in ein netzartig gegliedertes Stadtcluster im Osten und einen großzügigen Quartierspark Richtung Westen. Dieser Entwurf wurde als "erfrischender Beitrag mit spannenden räumlichen Bezügen und einem sehr hohen Identifikationspotenzial" gewürdigt. Die paar Änderungen, die dem Preisgericht zufolge auch hier nötig sind, sollten jedoch behutsam erfolgen, "ohne dass das Gesamtkonzept hierbei verunklärt wird".

Diesen Grundsatz werden wohl alle sechs Büros befolgen, um in der zweiten Runde zu siegen. Die Laimer werden sich dann in einer Ausstellung davon überzeugen können, ob die "Richtigen" gewonnen haben - und sie werden danach beim Bebauungsplan erneut mitreden können.

© SZ vom 02.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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