Laim:Ausflug in die Vergangenheit

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Die Initiative Inlaim bietet neuerdings Spaziergänge durch den Stadtbezirk an. Zum Auftakt führte Norbert Winkler vom Historischen Archiv noch vor der großen Corona-Pause durch ein Viertel, das früher einmal von Bauernhöfen und Wiesen geprägt war

Von Christina Seipel, Laim

Kleine Bauernhöfe, schmucke Villen und weite Grünflächen: Eine idyllische Vorstadtlandschaft prägte Laim einst. Das ist beim Spaziergang entlang der stark befahrenen Fürstenrieder Straße und damit im heutigen Zentrum des Viertels nur noch schwer vorstellbar. Ein flüchtiger Blick reicht schlichtweg nicht aus, um zu erkennen, welche Relikte der Laimer Vergangenheit sich zwischen den Straßenschluchten verbergen. Beim Spaziergang durch Laims Mitte, den die Initiative Inlaim zum ersten Mal organisiert hat, zeigte Norbert Winkler vom Historischen Archiv Stellen, wo es sich lohnt, genauer hinzuschauen.

"Teilnehmer unseres kostenlosen Kulturangebots sollen die Gelegenheit erhalten, sich ohne Konsumzwang auszutauschen und zu vernetzen", erläuterte Petra Stockdreher von der Initiative. Auch künftig wolle Inlaim Stadtteilspaziergänge anbieten, wegen der Corona-Pandemie setzt der Verbund jedoch alle Veranstaltungen zunächst bis auf Weiteres aus.

Rund ein Dutzend Interessierte waren zum ersten und zugleich vorerst letzten Spaziergang gekommen, um gemeinsam mit den Inlaim-Mitgliedern Petra Stockdreher, Erika Sturm und Annette Meyer zum Felde mehr über die Vergangenheit ihres Stadtviertels zu erfahren. Anders als sonst, startete Norbert Winkler, der auch historische Rundgänge für die Münchner Volkshochschule anbietet, vor dem neuen Inlaim-Laden im Block der Baugenossenschaft des Verkehrspersonals 1898 e. G., Laims ältester Genossenschaft, an der Guido-Schneble-Straße 24.

Norbert Winkler (rechts) mit seinen Zuhörern und Zuhörerinnen bei der Führung. (Foto: Robert Haas)

Wie sich durch die Fenster und die geöffnete Tür unschwer erkennen ließ, fehlt dort weiterhin das Mobiliar. Seit der Eröffnung im Juli 2019 hatte die Initiative ihren Stadtteil- und Kulturladen aus Kostengründen nur provisorisch einrichten können. In der jüngsten Sitzung des Laimer Bezirksausschusses einigten sich die Kommunalpolitiker nun darauf, einen Zuschuss für die Erstausstattung zu gewähren.

Für rund zwei Stunden tauchten die Spaziergänger ein in die vielfältige Geschichte Laims und erfuhren dabei auch Kurioses, etwa, dass einmal ein Elefant vor dem kleinen Haus in der Handwerkersiedlung an der Gunzenlehstraße 11 a für Werbeaufnahmen posiert hat. Nicht weit entfernt unterhielt der Pferderennbahnverein Ende des 19. Jahrhunderts entlang der Flotowstraße eine Rennbahn mit mehreren Tribünen. Später zogen Rösser, Reiter und Zuschauer nach Riem um. Überbleibsel gibt es davon nicht mehr. Auch nicht von dem Lebensmittelgeschäft, das Margot und Ludwig Linsert einst an der Fürstenrieder Straße 46 betrieben haben. Von dort aus plante der Internationale Sozialistische Kampfbund (ISK) im Zweiten Weltkrieg Flugblattaktionen gegen die Nationalsozialisten. Wer von der Strafdivision 999 der deutschen Wehrmacht zwangsrekrutiert werden sollte, konnte sich mit einem Codewort im Laden melden. Noch in derselben Nacht habe Ludwig Linsert denjenigen dann auf seinem Motorrad in die Schweiz in Sicherheit gebracht, erzählt Winkler.

Wohnhaus mit Fassadengemälde an der Fürstenrieder Straße in München Laim. (Foto: Robert Haas)

Mit Verwunderung nahmen die Spaziergänger zur Kenntnis, dass Laim, das heute hauptsächlich aus Wohnvierteln besteht, einmal sechs Kinos hatte. Das Gloria mit mehr als 700 Plätzen befand sich im Gebäude des heutigen Basic-Biomarktes. Auf das Metropol an der Fürstenrieder Straße 51 folgten verschiedene Kaufhausketten. "Früher hatte man hier noch alles bekommen, ohne in die Innenstadt fahren zu müssen", erinnert sich eine ältere Teilnehmerin mit einem Hauch von Wehmut.

Auch Straßenzüge in der Handwerkersiedlung werden mit Inlaim besucht. (Foto: Robert Haas)

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts ragte noch der großflächige Vorgarten der Mittel- und Grundschule bis zur Mitte der heutigen Fürstenrieder Straße. "Das bauen wir zurück", forderte ein Teilnehmer halb im Scherz. Denn die einst ländliche Idylle findet man auch im historischen Zentrum Laims schon lange nicht mehr. Die vielen kleinen Höfe entlang der Agnes-Bernauer-Straße auf Höhe des Laimer Angers mussten einer Verbreiterung der Straße weichen. Übrig geblieben ist noch das kleine Backhäusl vom Braunschen Hof, dem Bauernhof des letzten Laimer Bürgermeisters.

© SZ vom 18.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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