Lärmschutz in München:Mit Flüsterasphalt gegen den Lärm

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Weil der Bund die Dezibel-Grenzwerte beim Lärmschutz verschärfen will, wird die Liste der Sanierungsfälle in München immer länger.

D. Hutter

Vom Kampf gegen den Verkehrslärm könnten in den kommenden Jahren deutlich mehr Münchner profitieren als bislang erwartet. Die im "Nationalen Verkehrslärmschutzpaket II" des Bundesverkehrsministeriums vorgeschlagene Absenkung der Dezibel-Grenzwerte würde nach Einschätzung von Umweltreferent Joachim Lorenz (Grüne) die Zahl sanierungsbedürftiger Straßenabschnitte deutlich erhöhen - der gerade erst vom Stadtrat verabschiedete Maßnahmenkatalog müsste entsprechend ergänzt werden.

Lorenz schätzt, dass sich die Kosten für Flüsterasphalt und Lärmschutzwände nahezu verdoppeln könnten. Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) will dafür aus seinem Haushalt von 2011 an bundesweit 1,5 Milliarden Euro zur Verfügung stellen.

Lärmsanierung an 24 Straßenabschnitten

In der Münchner Prioritätenliste zur Lärmsanierung, die aktuell 24 Straßenabschnitte umfasst, sind zwei Faktoren entscheidend: das Ausmaß der Lärmbelästigung und die Zahl der betroffenen Anwohner. "Schon fürs Abarbeiten dieser Liste benötigen wir fünf bis zehn Jahre", betont Lorenz. Sanierungsbedarf herrsche derzeit bei einer Lärmbelastung von mindestens 70dB (A) tagsüber und 60 dB (A) nachts.

Tiefensee will nun diese Limits um deutlich hörbare 3 dB (A) absenken - das vergrößert den Kreis sanierungsbedürftiger Straßen ganz erheblich. Im Berliner Programm geht es vor allem um Bundesstraßen, die allerdings auch im Stadtgebiet in großer Zahl vorhanden sind. Der Mittlere Ring zählt ebenso dazu wie die Leopold- oder Landsberger Straße. Für deren Unterhalt ist die Stadt mit eigenem Geld zuständig.

An drei Abschnitten aus der Prioritätenliste wird bereits gearbeitet: In der Chiemgau-, Moosacher und Fürstenrieder Straße verlegen Arbeiter während der Sommerferien Flüsterasphalt. Finanziert wird das mit Mitteln des Konjunkturprogramms. Nach derzeitigem Stand sieht die Stadt auf 150Kilometern des insgesamt 2800Kilometer langen Straßennetzes Sanierungsbedarf, also Tagesbelastungen jenseits der 70 dB (A). Auf noch einmal 184 Kilometern wurden zwischen 65 und 70 dB (A) gemessen - ein Großteil dieser Bereiche könnte von dem aktuellen Vorstoß aus Berlin profitieren.

Auch Bahnlärm ist ein Problem

Da Lärmschutzwände im Innenstadtbereich meist nicht in Frage kommen, dürfte es beim Sanieren vor allem um Flüsterasphalt oder verbesserten Schallschutz an den Gebäuden selbst gehen. Von Lärmsanierungen, auf die kein gesetzlicher Anspruch besteht, profitieren ausschließlich die Anwohner bestehender Trassen. Wird ein Verkehrsweg aus- oder neu gebaut, gelten ohnehin strengere und vor allem verbindliche Grenzwerte.

Fertiggestellt ist inzwischen auch die Lärmkartierung der Bahnstrecken, die nicht von der Stadt, sondern vom Eisenbahn-Bundesamt betreut wird. Demnach müssen fast 4500 Münchner Bahnlärm von 70 dB (A) oder mehr aushalten. In den besonders stark belasteten Bereichen jenseits der 75 dB (A) gibt es immerhin 609 Wohnungen, sechs Schulen und ein Krankenhaus. Besonders weit in die Wohnviertel hinein reicht das Schienengerattere rund um Knotenpunkte wie Laim oder Berg am Laim, von Fern- und Güterzügen befahrene Gleise sind erheblich lauter als jene mit reinem S-Bahn-Betrieb.

Im Innenstadtbereich, das können wohl die Bewohner von Gärtnerplatz- und Glockenbachviertel sowie Giesing, Thalkirchen, Schlachthofviertel oder Au nachvollziehen, fällt vor allem die Braunauer Eisenbahnbrücke auf, jene vernehmlich schwingende Stahlkonstruktion, die der gesamte Fernverkehr gen Süden und Südosten zur Querung der Isar benötigt. Diese Brücke wie auch der gesamte Südring tauchen bislang in keinem Lärmsanierungsprogramm auf.

Überhaupt ist München in den Schallschutzprogrammen für die Schiene recht schwach vertreten. In der entsprechenden Liste des Bundesverkehrsministeriums, die bis 2020 gilt, sind nur eher kurze Abschnitte im Norden und Nordosten aufgeführt. Nach Auskunft des Ministeriums wird aktuell auf 400 Metern Länge eine Schallschutzwand in Freimann gebaut, zudem habe man in den vergangenen Jahren an diversen Stellen zwischen Johanneskirchen und Daglfing Schallschutzfenster oder ähnliche Lärmschlucker eingebaut. Die Liste soll aber im kommenden Jahr ergänzt werden.

Schienenlärm soll halbiert werden

Im Schienen-Kapitel des Konjunkturprogramms taucht München dagegen überhaupt nicht auf. Von den darin enthaltenen Pilotprojekten "Brückenentdröhnung" könnte die Stadt laut Ministeriumssprecher Sven Ulbrich aber zumindest auf längere Sicht profitieren - es geht um die Erprobung innovativer Lärmschutztechniken für Stahlkonstruktionen.

Überhaupt soll sich beim Schienenlärm, den freilich die meisten Menschen weniger unangenehm empfinden als Straßengetöse, einiges tun. Im "Nationalen Verkehrslärmschutzpaket" ist das Ziel genannt, den Schienenlärm um die Hälfte zu reduzieren. Vor allem dem nächtlichen Gerattere und Gequietsche der Güterzüge soll es - durch Fördergelder für Flüsterbremsen etwa - an den Kragen gehen.

© SZ vom 07.09.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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