KZ-Wächter Demjanjuk:Endstation München

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Anklage wegen Beihilfe zum Mord in 29.000 Fällen: Am Montag soll der frühere KZ-Wächter Demjanjuk aus den USA abgeschoben werden.

S. Handel und A. Krug

Der ehemalige KZ-Aufseher John (Iwan) Demjanjuk soll angeblich schon am kommenden Montag in München eintreffen. Nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" sind die Modalitäten der Überstellung aus den USA geklärt. Demjanjuk erwartet eine Anklage wegen Beihilfe zum Mord in 29.000 Fällen.

Soll am Montag in München eintreffen: Der ehemalige KZ-Aufseher Iwan Demjanjuk. (Foto: Foto: AP)

Der Haftbefehl gegen Demjanjuk datiert vom 11. März. Seitdem verhandelten Bundes- und US-Regierung über die Regularien der Überstellung. Dass das nun offensichtlich relativ schnell geklärt wurde, liegt daran, dass es sich nicht um ein Auslieferungsverfahren handelte, sondern um eine Abschiebung: Schon 2004 hatten die Vereinigten Staaten Demjanjuk die US-Staatsbürgerschaft entzogen und ihn ausgewiesen. Diese Ausweisung wurde jedoch nicht vollzogen, weil kein Land den nun Staatenlosen aufnehmen wollte.

Leukämie und Nierenkolik

Über seinen Sohn und seinen Anwalt hatte Demjanjuk in den letzten Wochen erklären lassen, dass er zu krank sei für eine Reise: Er leide unter Leukämie, außerdem habe er vor kurzem eine Nierenkolik erlitten.

Nun hat der 88-jährige Demjanjuk von den USA wohl vorläufige Ausweispapiere erhalten, die es erlauben, ihn in ein Flugzeug nach Deutschland zu setzen. Wie die SZ aus Justizkreisen erfuhr, geht die Staatsanwaltschaft davon aus, dass er in der Nacht zum Montag direkt nach München geflogen wird - das würde darauf hindeuten, dass er mit einer Linienmaschine reist und nicht mit einer US-Militärmaschine, denn die würde wohl zuerst einen Flughafen der US Air Force in Deutschland ansteuern.

Sofort nach der Landung soll ihm - voraussichtlich sogar noch im Flugzeug - der Haftbefehl eröffnet werden. Danach würde er wohl vorerst nach Stadelheim gebracht werden.

Die Staatsanwaltschaft wirft Demjanjuk Beihilfe zum Mord in rund 29.000 Fällen vor. 1943 soll er im Vernichtungslager Sobibor im Südosten Polens als Aufseher an der systematischen Ermordung von Juden, Sinti und Roma mitgewirkt haben. In Sobibor wurden nach Schätzungen bis zu 250.000 Juden ermordet. Zuständig für die Ermittlungen ist eine auf NS-Verbrechen spezialisierte Abteilung der Staatsanwaltschaft München I. Der Prozess soll am Landgericht München II verhandelt werden.

Dienstausweis als Hauptbeweisstück

Ob gegen Demjanjuk überhaupt in München verhandelt werden kann, war zunächst strittig: Die Fahndungsstelle für NS-Verbrechen in Ludwigsburg hatte die Ergebnisse ihrer Ermittlungen an die hiesige Staatsanwaltschaft übersandt, weil Demjanjuk nach dem Krieg einige Zeit in Feldafing in einem Lager gelebt hatte.

Die Münchner Ankläger hatten aber Zweifel an ihrer Zuständigkeit, denn nach Feldafing war Demjanjuk auch noch in Baden-Württemberg und in Bremerhaven untergekommen, bevor er 1951 in die USA auswanderte. Um möglichen prozessualen Schwierigkeiten aus dem Weg zu gehen, legten die Münchner Ankläger den Fall dem Bundesgerichtshof vor. Mit einem raschen Beschluss vom 9. Dezember vorigen Jahres übertrugen die Karlsruher Richter den Fall schließlich dem Landgericht München II. Die nun zuständige Kammer hat erst kürzlich ihren Vorsitzenden gewechselt.

Für den Prozess hat John Demjanjuk bereits einen Pflichtverteidiger zugeordnet bekommen. Die Ermittler erwarten ein "aufwendiges und schwieriges" Verfahren. Als Hauptbeweisstück gilt ein Dienstausweis des 88-Jährigen. In diesem ist vermerkt, dass Demjanjuk am 27. März 1943 ins Lager Sobibor abkommandiert wurde.

Zuvor soll er in einem SS-Ausbildungslager als sogenannter Hilfswilliger ausgebildet worden sein. Spezialisten des Bayerischen Landeskriminalamts schätzen den Ausweis als echt ein.

© SZ vom 02.04.2009/sonn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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