Kuratorin:Kunst wie eine Geburtstagsfeier

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Katharina Mayer will Kuratorin werden. In ihrer Wohnung zeigt sie unter anderem die Keramikskulptur "Modelle einer Beseelung" von der katalanischen Künstlerin Anna Maria Pascó Boltà. (Foto: Catherina Hess/VG Bildkunst, Bonn 2021)

Katharina Mayer macht ihre Wohnung zum Ausstellungsraum für Künstler. Das Private wird öffentlich - zumindest digital. Was will sie damit erreichen?

Interview von Julian Limmer

Katharina Mayer, 25, steht zwischen Flur, Bad und Schlafzimmer ihrer Wohnung. Sie greift in eine Plastikkiste, ihre Finger versinken langsam in einer durchsichtigen, klebrigen Masse: "Die Künstlerin spielt hier mit den Reaktionen der Betrachterinnen", sagt Mayer in leicht bayrischem Tonfall. Es gehe um die "individuelle Wirklichkeit der Menschen". Die Box mit der Masse ist eine Installation der katalanischen Künstlerin Anna Maria Pascó Boltà. Mayer stellt sie für einen Monat lang in ihrer Wohnung nahe des Münchner Schlachthofs aus - zusammen mit weiteren Installationen, Skulpturen und Gemälden. Werke von drei Künstlerinnen und Künstlern verteilt auf Flur, Wohnzimmer, Büro und Schlafzimmer. Mayers Wohnung ist geräumig - rund drei Meter hohe Decken, Fischgrätparkett, große Fenster. Mayer, die angehende Kulturmanagerin und Kuratorin, will individuelle Führungen für Besucher anbieten, falls es die Pandemie noch zulässt. Zunächst empfängt sie Besucher digital. Was ist das Ziel der Aktion?

SZ: Frau Mayer, Sie stellen Kunst in Ihrer Wohnung aus. Welcher ist der privateste Raum, in dem Sie ein Objekt zeigen?

Katharina Mayer: Definitiv das Schlafzimmer, da stehen Keramikskulpturen von Anna Maria Pascó Boltà.

Kostet Sie das Überwindung, Fremde in Ihr Schlafzimmer zu lassen?

Die Besucher müssen sich ja vorher anmelden, das macht es einfacher für mich.

Wirklich?

Ich denke mir: Wir alle haben ein Schlafzimmer, das ist menschlich. Und das macht mich als Kuratorin auch menschlicher: Wenn ich Leute hier empfange, habe ich gleich eine ganz andere Basis. Das bringt Vorteile.

Zum Beispiel?

In dem Moment, in dem Besucher alles von mir kennen, meine Wohnung, meinen Partner, dann können sie mich gleich viel besser einschätzen - und wissen, ob sie mit mir zusammenarbeiten wollen. Im beruflichen Kontext dauert das manchmal Monate, um so ein Vertrauen zu schaffen.

Ändert sich dadurch auch der Blick der Besucher auf die Kunstwerke selbst?

Die Kunst wird menschlicher und dadurch auch authentischer. Wenn man Kunst in eine Atmosphäre bringt, die eh schon lockerer ist, und im besten Fall sogar die Künstler selbst anwesend sind, um einem die Intention zu erklären, dann macht das Kunst zugänglicher und erfahrbarer.

Ist das der große Vorteil gegenüber einer Galerie?

In dem Moment, in dem eine Ausstellung nicht mehr so einen förmlichen Kontext hat, fühlt es sich mehr an wie eine Geburtstagsfeier. Es ist ungezwungener, man traut sich mehr. Es geht auch darum, Kulturinteressierte anzusprechen, die normalerweise keinen Zugang zur Szene haben, weil sie sich vielleicht nicht trauen.

Was wollen Sie damit noch erreichen?

Ich habe das Rad ja nicht neu erfunden. Es gibt Leute, die vor mir in Wohnungen ausgestellt haben. Was ich erreichen möchte, ist eine Plattform zu schaffen. Für Leute, die sagen, ich würde das auch gerne machen, weiß aber überhaupt nicht wie. Leute, die vielleicht nicht wissen, wie sie Künstler kontaktieren oder Reichweite erzeugen. Sie können sich dann bei mir melden und wir schauen: Was haben wir, was können wir machen?

Sie wollen also andere Menschen dazu anregen, es auch auszuprobieren.

Auf jeden Fall. Ich will aber auch austesten, wie das Publikum darauf anspringt. Tatsächlich haben sich schon vor der Ausstellung zwei Interessierte gemeldet, die auch Lust darauf hätten. Leute, die sagen: Ich möchte Künstlerinnen eine Bühne bieten. Es müssen ja nicht gleich große Installationen sein, für die in die Wände gebohrt wird.

Aber private Wohnungen sind oft nicht sonderlich groß - vor allem in München. Ist das ein Hindernis?

Es muss ja überhaupt nicht die eigene Wohnung sein. Ich bin auch auf der Suche nach anderen außergewöhnlichen Orten: eine Dachterrasse, eine alte Turnhalle, leer stehende Schwimmbäder oder eben ein Agenturbüro.

Ist das die Antwort darauf, dass es in Städten wie München schwierig geworden ist, Orte für Ausstellungen zu finden - weil einfach der Platz fehlt?

Es soll keine Gegenbewegung sein zu dem, was es gibt. Das kann das Museum und die Galerie nicht ersetzten - auf keinen Fall. Aber eine Ergänzung. Es ist einfach auch eine nachhaltige Geschichte. Obwohl wir extreme Flächenpreise haben, nutzen wir Flächen überhaupt nicht effizient in der Stadt.

Wo setzt Ihre Kritik an?

Denken wir doch an Bars oder Frühstückcafés. Also diese Räume, die viele Stunden am Tag leer stehen. Immer öfter auch Büros, na ja, da gibt es sicher das Problem mit den Wertsachen. Aber grundsätzlich sollte man solche Synergien viel besser nutzen. Denn der eine zahlt zu viel und ärgert sich darüber. Der andere braucht Flächen, und hat keine Geld. Auf diese Situation will ich aufmerksam machen, nämlich dass wir zwei Probleme haben: Die Flächen sind zu teuer, aber werden auch nicht richtig genutzt.

© SZ vom 24.04.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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