Kunstprojekt:Feine Kopfsache

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Zehntklässler der Kermess-Wirtschaftsschule haben Pasing eine Skulpturenallee beschert. In einem kleinen Park im Süden des Viertels bilden Betonbüsten ein schwereloses Spalier

Von Jutta Czeguhn, Pasing

Betonköpfe stehen nicht im besten Ruf, schließlich handelt es sich bei ihnen um halsstarrige, uneinsichtige, und zumeist auch unansehnliche Zeitgenossen, um die man besser einen großen Bogen macht. Aus der Nähe anschauen sollte man sich hingegen jene Betonköpfe, die da auf dem Parkzwickel zwischen Blumenauer und Bäckerstraße ganz im Süden Pasings ein einladendes, kleines Spalier bilden, durch das man recht vergnüglich spazieren kann. Keine der Büsten gleicht anderen in dieser "Skulpturenallee Menschenbilder", so der offizielle Titel.

Eine Passantin nimmt einen der Köpfe mit ihrer Handykamera ins Visier. Es ist die Büste einer selbstbewusst dreinschauenden Frau, die da mit hochgestrecktem Kinn auf einem massiven Hals sitzt. "Die Augen waren das Schwierigste", sagt Laura Grauvogl. Erst jetzt registriert man, dass sie das ist auf dem Foto an der Stahlstele, welche den Kopf trägt. Grauvogl ist Absolventin der Wirtschaftsschule Kermess, die vis à vis der kleinen Grünanlage zu Hause ist. Die Kopfskulptur ist dort in einem Kunstprojekt der zehnten Klasse entstanden, die Idee dazu hatte ihr Lehrer, der Bildhauer Alexander Lihl, der bundesweit schon etliche ähnliche Installationen im öffentlichen Raum angestoßen hat. Oft sind das recht bunte Angelegenheiten von kolossalen Ausmaßen wie etwa Dino-Skulpturen auf Spielplätzen, Elefanten-Kletterburgen oder hundertwasserartige Gartenhäuser, die er zusammen mit Kindern entwirft. Nun aber diese sehr leise, fast meditative Allee, bei der sich jeweils sechs etwa 40 Zentimeter große Büsten auf Metallsockeln gegenüberstehen und sich aus leeren Augen fixieren.

Im Pasinger Stadtraum gibt es einiges an Kunst und Dekorativem, seien es Brunnen oder Figuren, Gemälde an Haus- oder Tunnelwänden. Eine Skulpturenallee, sei sie auch noch so überschaubar wie diese, ist nun etwas Neues. Bis Ende August wird die schöne Installation im Grün an der Blumenauer Straße den Kiesweg säumen. Kermess-Schulleiter Thomas Fichtner hofft allerdings auf Verlängerung bis Jahresende. Bei der Einweihung des Kunstpfades unterstrich er diesen Wunsch in Richtung Baureferat durch ein Zitat wichtiger, überdies sehr glaubhafter Kronzeugen - der städtischen Gärtner, welche die Anlage pflegen: "Endlich omal was Gescheits zum Oschaugn auf dera Wiesn!" Der Schulleiter streute in seiner Ansprache den Dank recht breit, was deutlich macht, wie viele unterschiedliche Institutionen notwendig sind, damit Kunst ihren Weg in den öffentlichen Raum findet. Organisatorisch und finanziell involviert waren das Kulturreferat, das Baureferat, Mitglieder des Kermess-Schulvereins, eine Metallbau-Firma, die für Material und Montage der stabilen Büsten-Sockel einen großzügigen Preisnachlass gab. Vom Freistaat, den die SPD-Landtagsabgeordnete Diana Stachowitz als Schirmherrin vertrat, gab es eine Anschubfinanzierung. Während die Politikerin in ihrem Grußwort weit ausholte bis zum Renaissance-Meister Michelangelo und die Skulpturenallee als "Meilenstein" auf dem Weg zu einem "Wir-Gefühl über Grenzen von Nationen, Sprachen, Kulturen hinaus" pries, erläuterte Fabio de Vincenzo sympathisch bescheiden das eigene Werk, einen Frauenkopf mit angeschlossenem Dekolleté. "Ich habe einfach drauflos gemacht", sagte der Zehntklässler über die Abschlussarbeit. Er habe unten angefangen, irgendwann sei da dann dieses schulterlange Haar unter seinen Händen entstanden, dann alles Übrige. Er habe Spaß gehabt an der Arbeit, aber in die Kunst zieht es Fabio de Vincenzo nicht, er wird nun mit dem guten Abschluss in der Tasche gleich hinüber wechseln in die Kermess-Berufsfachschule für das Hotelfach. Ebenso wenig hat Anna Reitinger künstlerische Ambitionen, auch wenn Lehrer Alexander Lihl von ihrer Arbeit beeindruckt war. Sie will sich nun beruflich in Richtung Steuerfach orientieren. Anna Reitinger hat ihrer hohen, schlanken Kopfskulptur eine Hand mitten ins Gesicht gesetzt, was der Büste einen nachdenklichen, betroffenen Zug gibt.

Die Schüler hatten alle große Freiheiten bei der Gestaltung ihrer Plastiken, Lihl hat ihnen wenige Vorgaben gemacht. So ging es nicht um den anatomisch korrekten Aufbau eines Kopfes, sondern um den Ausdruck. Schüler Dominik Huber etwa nutzte diesen Spielraum weidlich und erfreute den Lehrer mit einem groben Vierkant-Schädel mit tiefen Augenhöhlen und zertrümmerter Nase. "Das ist fast schon eine Persiflage", sagt Alexander Lihl anerkennend. Noch mehr begeistert ihn der archaisch wirkende Januskopf von Bunge Arslan, die ganz alleine auf die Doppelgesichtigkeit gekommen sei. "Unsere beste Schülerin", sagt Lihl stolz.

Es sind also keine individuellen Porträts, diese Menschenbilder der Kermess-Schüler. Bis vielleicht auf eine Skulptur am westlichen Entree der Allee: Sie zeigt den Kopf eines Mädchens mit Seitenscheitel und Pferdeschwanz. Vom Foto am Sockel lächelt dem Betrachter schüchtern Kathy Dinies zu. Noch nicht einmal 16 Jahre alt, ist die Schülerin nicht lange nach der Fertigstellung ihrer Büste an Krebs gestorben.

© SZ vom 16.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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