Kunst im Netz:Der Wille zur Aufklärung

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Provenienzforscher informieren online über ihre Ergebnisse

Von Evelyn Vogel, München

Sie hingen bis 1945 bei hochrangigen Organisationen und Funktionären der NSDAP in den Empfangshallen und über den Kaminen. Sie zierten Residenzen und Arbeitszimmer von Adolf Hitler, Hermann Göring, Heinrich Hoffmann und anderen Nazi-Größen. Viele der Kunstwerke gelangten nach 1945 in öffentliche Sammlungen, wo man erst spät begann, ihre Herkunft und zwangsbedingte Enteignungsgeschichte zu erforschen und sich über eine mögliche Restitution an die Vorbesitzer Gedanken zu machen.

Im vergangenem Jahr wurde der Internationale Tag der Provenienzforschung ins Leben gerufen, an dem auch der Bayerische Forschungsverbund teilnahm. Ihm gehören zahlreiche staatliche Museen, Bibliotheken, Archive und Institutionen in Bayern an. An diesem Mittwoch wollten die Provenienzforscher weltweit zum zweiten Mal tagen. Doch in Corona-Zeiten bleibt den mehr als 270 Wissenschaftlern nichts übrig, als sich unter dem Hashtag "#digitalonly" online auszutauschen.

So stellen die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen in zwei neuen Blogeinträgen ausführlich die Geschichte der Restitution des Gemäldes "Aufweckung des Lazarus" an die Erben James von Bleichröders sowie die Provenienz des Triptychons "Die vier Elemente" von Adolf Ziegler, einem der Hauptwerke der nationalsozialistischen Kunst, auf ihrer Website vor. Ein weiterer Blog informiert generell über den Stand der Provenienzforschung bei den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen und klärt Grundlagen, beispielsweise wie es zu den "Überweisungen aus Staatsbesitz" kam oder welche Rolle nach 1945 Sammelstellen wie dem berühmten "Central Collecting Point" zukam. An diesem Mittwoch wird zudem Andrea Bambi, die leitende Provenienzforscherin an den Staatsgemäldesammlungen, in einem Livestream auf Youtube zwischen 13.30 und 14 Uhr über die Aufgaben der Provenienzforschung und die Angebote im digitalen Raum sprechen. Wer mag, kann vorab Fragen an digital@pinakothek.de schicken oder über die Kommentarfunktion im Livestream mitdiskutieren.

Auch das Archiv der Ludwig-Maximilians-Universität München und das Institut für Kunstgeschichte der LMU stellen gesonderte digitale Angebote ins Netz. So informieren sie beispielsweise ausführlich über Herkunft und Besitz einer Monstranz aus dem Jahr 1861. Auf der Homepage der Städtischen Galerie im Lenbachhaus wird von 8. April an ein Interview mit einem der Nachfahren von Marianne Schmidl zu lesen sein, an dessen Familie das Museum 2019 zwei Zeichnungen der Künstlerbrüder Friedrich und Ferdinand Olivier restituiert hat. Informationen zum aktuellen Stand der Forschung in anderen Institutionen finden sich auf der Website des Forschungsverbunds.

www.provenienzforschungsverbund-bayern.de / www.pinakothek.de/blog/Forschung www.pinakothek.de/forschung/provenienzforschung

© SZ vom 08.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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