Kultur in der Krise:Not angesichts der Notbremse

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Münchens Kulturreferent fordert Perspektiven für Veranstalter

Von Michael Zirnstein, München

Nach ihrem Aufschrei über einen vermeintlichen Entwurf für die sogenannte Bundesnotbremse gegen die Corona-Pandemie bekommt der Verband der Münchner Kulturveranstalter Unterstützung aus der Stadtverwaltung. Zwar möchte Kulturreferent Anton Biebl nicht jene autorenlose Vorlage für den Gesetzentwurf kommentieren, die dem VdMK größte Sorgen bereitete, weil damit alle Pläne für Veranstaltungen in diesem Sommer hinfällig würden. Dennoch wünscht sich Biebl im Prinzip dasselbe wie die Veranstalter, nämlich zuvorderst, dass "das im Grundgesetz verankerte Recht auf Kunstfreiheit in der Gesetzgebung berücksichtigt" werden muss. "Das war bisher im Kontext des Infektionsschutzes nicht immer ausreichend der Fall. Nun gilt es, auf Bundesebene kluge Weichenstellungen zu treffen, die den Schutz der Gesundheit und die freie Ausübung der Kunst verantwortungsvoll abwägen. So wie die Kunst- und Kulturverantwortlichen das bisher bei allen Modellprojekten nachweislich getan haben." Biebl fordert konkret "Regelungen, die Kulturveranstaltungen im Sommer an der frischen Luft und unter Einhaltung der Hygieneregeln gestatten", und dies abhängig von der Größe der Plätze und mit Weitblick auf Teststrategien, Impffortschritt und Behandlungskapazitäten - und nicht pauschal gedeckelt. "Dasselbe sollte auch für Innenveranstaltungen gelten. Es hilft uns nicht weiter, wieder nur vor 50 Personen spielen zu dürfen."

Ob der "dubiosen Quellenlage" ist man zwar auch im Gärtnerplatztheater verunsichert vor dem Beschluss am Mittwoch im Bundestag. Aber, so heißt es in dem Staatsbetrieb, man habe "andere Signale", nämlich positive, aus dem bayerischen Kunstministerium. Dorthin habe über den "Begleitausschuss" auch der Veranstalter der "Strandkorb-Festivals" in Rosenheim und Augsburg mit Stars wie Haindling einen guten Draht. Nach der zitierten Vorlage dürfte man dort erst 28 Tage nach Erreichen der strengen 50 und auch nur vor 50 statt 1000 Gästen spielen. Aber die Festivalleitung will wissen, dass Bernd Sibler "bei herausragenden Konzepten Sondergenehmigungen erteilen" wolle.

Dies zumindest kann man im Bayerischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst bestätigen: Die Kultur-Ministerpräsidentenkonferenz habe sich "in diesem Zusammenhang für eine Sonderregelung für Freiluftveranstaltungen eingesetzt". Ansonsten könne man sich zu dem laufenden Gesetzgebungsverfahren noch nicht äußern. Aufgrund der wieder steigenden Infektionen und der alarmierenden Zahlen auf den Intensivstationen sollten bundesweit einheitliche Regelungen zum Schutz der Bevölkerung und der Entlastung des Gesundheitssystems aufgestellt werden, heißt es. "Das Ergebnis müssen wir zunächst abwarten." Da sei, wie man so schön sage, "noch Musik drin". Zu den Forderungen der Veranstalterverbands nach Hilfen im Falle eines noch strengeren oder längeren Spielverbots teilt das Ministerium mit: "Speziell für die Veranstaltungsbranche gibt es Überlegungen auf Bundesebene für einen Sonderfonds."

War die ganze Aufregung voreilig? Über die Gesetzesverhandlungen informierte Kreise sagen, dass die den Münchner und anderen Veranstaltern zugespielte Gesetzesvorlage veraltet sei. Der momentan auf der Internetseite des Bundestags einsehbare Stand sieht ohnehin kein Eingreifen bei Inzidenzwerten von unter 100 vor. Erst bei Werten darüber gilt laut einer aktuelleren Änderungsantrag zum Infektionsschutzgesetz: "Die Öffnung von Einrichtungen wie Theatern, Opern, Konzerthäusern, Bühnen, Musikclubs, Museen, Ausstellungen, Gedenkstätten sowie entsprechende Veranstaltungen sind untersagt; dies gilt auch für Kinos mit Ausnahme von Auto-Kinos."

Das gibt den Veranstaltern zwar auch keine Perspektive. Die gehen aber eh davon aus, im Sommer wenig bis gar nichts anbieten zu können. Und fordern klare Ansagen für die Zeit nach dem Lockdown: "Welche Hygieneauflagen müssen wir erfüllen? Haben Kleinkunstsäle geeignete Lüftungen? Das sind Fragen, die jetzt aufs Tableau gehören", sagt Dierk Beyer aus dem VdMK-Vorstand, "wir können nicht im Herbst bei null starten".

© SZ vom 21.04.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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