Kultur in der Krise:Hoffen und Bangen

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Die Münchner Staatsintendanten ersehnen den Spielbetrieb

Von Egbert Tholl, München

Es braucht nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, wie es im Inneren der drei Herren aussieht. Es brodelt, gärt, kocht. Aber es gilt, Contenance zu wahren, denn schließlich sind die drei Herren Staatsintendanten, die können nicht so einfach gegen ihren Arbeitgeber opponieren. Der tut sich da leichter: Diesen Freitag erhielten die Herren Post aus dem Kunstministerium. Darin die Mitteilung, dass ihre Betriebe bis einschließlich 31. März geschlossen bleiben.

Eigentlich baten Nikolaus Bachler (Staatsoper), Andreas Beck (Residenztheater) und Josef E. Köpplinger (Gärtnerplatztheater), also die drei Münchner Staatsintendanten, zu einem digitalen Pressegespräch vor dem Hintergrund, dass am Mittwoch nächster Woche wieder einmal die Ministerpräsidenten mit Angela Merkel über die aktuellen Corona-Maßnahmen beraten. Wenn man als Staatsintendant schon nicht zur Revolte aufrufen kann, dann kann man doch wieder und wieder den Wert der Kunst betonen, ihre Notwendigkeit für die Menschen, man kann und muss auf die Situation der Künstler hinweisen. Auch wenn seit nun bald einem Jahr so viele Appelle offenbar ungehört verhallten. Alternativ könnte man vielleicht von kommenden Montag an im Theater Haare schneiden und ganz zufällig nebenbei auf der Bühne etwas stattfinden lassen.

Bachler vermisst einen Dialog zwischen Kunst und Politik

Hauptsache die Frisur sitzt oder, bezugnehmend auf den Bayerischen Kunstminister, der Eigenheimrasen ist ordentlich gestutzt. Wie's im Inneren aussieht, kümmert die Politik nicht. Keiner der Intendanten verschließt sich der Realität; Andreas Beck betont, es wird nicht den Tag X geben, und dann ist wieder alles so wie vor einem Jahr. Aber Nikolaus Bachler vermisst eine echte Strategie, einen echten Dialog zwischen Kunst und Politik, spricht von einer "kulturellen Klimakatastrophe": "Man schließt das, von dem man glaubt, dass man es schließen kann." Die Berliner Intendanten und Generalmusikdirektoren schickten gerade einen Brief an Angela Merkel, darin der Satz: "Räumen Sie der Kultur im Rahmen der Öffnungsszenarien den Platz ein, den die Studienlage zum Infektionsgeschehen für ZuschauerInnen in Theatern und Konzerthäusern legitimiert und den das Grundrecht auf Kunstfreiheit dringend erforderlich macht."

Keiner der drei Herren scheint die Hoffnung verloren zu haben, sie sind auch nicht wütend, zumindest versuchen sie es zu kaschieren, sondern eher "fassungslos" (Josef E. Köpplinger). An ihren Häusern wird fleißig geprobt, morgen könnten sie öffnen. An den Staatshäusern sei nicht die finanzielle Situation der Künstler das Hauptproblem, indes schneide man ihnen den Lebensfaden ab (Bachler). Auch Köpplinger warnt vor Erkrankungen der Psyche, nicht nur der der Künstler, hält das verordnete Schweigen, die Isolation länger an. Das kennt man inzwischen von sich selbst. Könnten Blumen singen, wäre da von nächster Woche an schon viel geholfen.

Alle haben ihre Häuser auf hygienischen Spitzenstandard gebracht - Beck: "Donnerwetter-Lüftung" -, haben die ausgefinkeltsten Konzepte entworfen, Pilotprojekte mit bestem Erfolg durchgeführt. Und hoffen, dass der 1. April kein Scherz sein wird.

© SZ vom 27.02.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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